Gut und Böse: die deutsche PKW-Maut

18. Mai 2017
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Sind die Deutschen wie immer böse und wir wieder einmal die Dummen? Nein und ja. Aber beides nicht aus den Gründen, die uns der eifernd erhobene politische Zeige­finger gerade weismachen will. Dass ein Land von allen, die seine Fernstraßen benutzen, auch den eigenen Bürgern, Geld einheben darf, war 1997 eines der eisernsten Argumente bei der Einführung der heimischen Vignette – und gilt auch noch 2017 für die deutschen Pläne. Ob es europarechtlich okay ist, dass die Mehr­kosten im Inland mit einem Rabatt auf die Kfz-Steuer refundiert werden, müssen am Ende die EU-Richter in Luxemburg entscheiden.

Allerdings stehen hinter dem Plan, es so zu lösen, zwei klare und auch gerechte Botschaften, die wir hierzulande nur nicht kennen. Nummer eins lautet, dass in Deutschland „keine neuen Steuern“ als Versprechen gilt, das nicht schon bei erster Gelegenheit zerpflückt und zerredet werden soll – von wegen „diese eine Erhöhung geht aber schon“ und Ähnliches.

Botschaft Nummer zwei lautet, dass der Bürger die Rechtssicherheit haben muss, für ein- und dieselbe Sache nicht zwei Mal zur Kasse gebeten zu werden. Auch in Deutschland hat der Staat Bau und Erhalt seines Straßennetzes durch die Mineralölsteuer finanziert. Dafür wurde diese Abgabe einst geschaffen. In Österreich war sie bis 1987 für den Straßenbau zweckgebunden, zumindest theoretisch. Spätestens danach wurden diese Milliarden so ungeniert in den allgemeinen Staatshaushalt geschüttet, dass für den ursprünglichen Zweck bald zu wenig übrig blieb. Zum Auffüllen dieser Töpfe hat man schließlich die Pkw-Maut = Vignette eingeführt – eben, damit alle in- und ausländischen Autofahrer für die Benutzung der Straßen bezahlen. Allerdings ohne Ausgleich für die heimischen Lenker, die damit ja doppelt zu löhnen hatten und das bis heute müssen – im Gegenteil: Die Mineralöl-Abgabe wurde seitdem mehrfach erhöht, die Kfz-Steuer sogar mehr als verdoppelt.

Dieses miese Spiel will die deutsche Bundesregierung nicht mit ihren Bürgern treiben. Des­wegen bezahlen der Ordnung halber alle eine Be­nutzungsgebühr, die deutschen Autofahrer bekommen sie auf die nun geplante oder eben eine andere Art refundiert. Das ist nur fair und korrekt. Aber plötzlich findet auch Österreich, sonst gern der Zwerg-Elefant im europäischen Porzel­lanladen, Allianzen – und echauffiert sich gemeinsam mit anderen Nachbarländern über die Dreistigkeit der Deutschen, die ihrer Bevölkerung doch glatt eine Mehrbelastung durch Steuerreduzierung abgelten wollen. Als wenn sich die gewatschten Kinder gegen das eine verbünden, das zu Hause nicht verdroschen wird. Tatsächlich verteidigt unser Verkehrsminister Leichtfried, wenn er sich nun medienwirksam ins europäische Zaumzeug gegen die deutsche Maut wirft, nur den illegitimen Mehrfach-Zugriff, den die österreichische Regierung seit nunmehr 20 Jahren bei ihren eigenen Bürgern betreibt.

Die Deutschen sind also nicht die Bösen. Dank ihrer eigenen Regierung. Und wir sind trotzdem die Dummen. Aus dem gleichen Grund.

Dieser Artikel erschien erstmals in der Printausgabe 04/2017 von ALLES AUTO

Bild: ADAC