Need for Speed für PS4 und Xbox One – der Test

25. November 2015
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Feature

Nasser Asphalt, gleißende Lichter, getunte Sportwagen – so weit so NFS: Underground. Cutscenes mit echten Menschen und eine offene Stadt samt Cops – so weit so NFS: Most Wanted. Das Grundrezept für Need for Speed (ja, ohne irgendwelche Anhängsel) klingt erst einmal ganz gut. Und vor allem sieht es rattenscharf aus. Die Frostbite-Engine kann hier wirklich glänzen. Die nassen Autos sehen großartig aus, was vor allem an der famos abgestimmten Beleuchtungs-Engine liegt.  Kombiniert man das dann noch mit dem sehr gelungenen Trick der Entwickler, die Zwischensequenzen mit den echten Schauspielern mit den ingame-Modellen aus dem Spiel in Echtzeit zu kombinieren, bleibt einem durchaus mal die Kinnlade offen stehen. Auch die Stadt selbst ist hübsch, fällt aber mehr in die Kategorie „zweckmäßig“ als „atemberaubend“. Leider muss man selbiges auch über die besagten Zwischen-Sequenzen sagen … wobei das eigentlich schon zu hoch gegriffen ist. Manche sind nicht einmal zweckmäßig. Texte, Aufmachung und das Gebärden der Akteure sind schon an sich fast lächerlich überzeichnet. Spielt man dann noch auf Deutsch, vermiest es einem die schlechte deutsche Synchro endgültig. Schade eigentlich, da auch Größen aus der echten Auto-Szene (Ken Block, Shinichi Morohoshi, Akira Nakai und Magnus Walker) im Spiel auftreten – daraus hätte man echt etwas machen können.

Auch spielerisch überzeugt das neue NFS nur eingeschränkt. Das arcadige Handling der Wagen variiert zwar in der Tat recht stark von Auto zu Auto und lässt sich durch das umfangreiche Tuning (dazu später) auch merklich verändern, so richtig überspringen mag der Spielspaßfunke aber dennoch nicht. Das liegt vor allem am generellen Ablauf des Games, der irgendwie zahnlos daherkommt. In der großen Stadt gibt es eigentlich eine Menge zu tun: Fotolocations wollen gefunden, Donutplätze mit schwarzen Gummispuren verziert, Tuningkomponenten gefunden und natürlich Rennen gefahren werden. Diese werden euch von den Hauptakteuren der Story erteilt, die ziemlich die ganze Zeit in Skype-Gruppen-Konversationen oder auch Einzelgesprächen verbal über euch herfallen. Schnell wird aber klar, dass es am Ende nur eine Hand voll Renntypen gibt – große Abwechslung wird also nicht geboten. Ein Vorwurf, den man Rennspielen allerdings nur eingeschränkt machen darf. Was wollen sie einen denn immerhin auch groß anderes tun lassen, als Rennen zu fahren. Wie dem auch sei;  passend zu jeder „Ikone“ – das sind die vorhin erwähnten Stars – gibt es eine eigene Kategorie, in der ihr XP sammeln könnt: Style, Speed, Build und Outlaw. Wie viele Punkte ihr wo sammelt hängt vor allem mit eurem Fahrstil zusammen, macht im Laufe des Spiels aber ohnehin kaum einen Unterschied. Im Grunde sammelt man ja sowieso nur Geld um sich neue Autos kaufen zu können und levelt auf, um neue Modifikationen für seine Babies freizuschalten. Und hier, beim Tuning, haben Autofans dann so richtig Grund zur Freude.

Kein anderes Spiel – und das inkludiert Forza 6 – bietet so viele Möglichkeiten Autos optisch zu modifizieren: Splitter, Schürzen, Hauben, Spoiler und Widebody-Kits können verbaut, Spurweite, Sturz und Höhe verstellt und sogar die Scheinwerfer und Rückleuchten getauscht, die Reifen/Felgen-Breitenrelation geändert sowie die Logos weggecleant werden. Ganz zu schweigen davon, dass man den Autos Millionen Kombinationen aus Lacktönen und Finishes verpassen und sie dann noch nach Belieben folieren kann. Hier bleiben wirklich keine Wünsche offen. Unter dem Blech war man ebenfalls recht detailverliebt: Aufladung, Motor-Komponenten, Fahrwerk, Chassis … alles kann modifiziert werden. Need for Speed ist ein wahres Schrauber-Eldorado. Auch dank der sehr breit gefächerten Auto-Auswahl. Von leistbaren Sportlern wie einem GT86 oder Honda Civic, über brandneue Sportwagen vom Stile eines BMW M2 oder diversen Porsche bis hin zu Supercars aus dem Hause Lamborghini und Co. ist alles vertreten. Nur bei der Anzahl der Boliden selbst hätte man ruhig noch nachlegen können: 51 sind es bloß. Ziemlich mager.

 

Nicht weniger als nervig ist hingegen das Online-Konzept des Spiels. Der theoretisch ja nette Ansatz, dass man im Spiel ständig online ist und somit theoretisch (und auch praktisch) jederzeit anderen, echten Fahrern begegnen kann treibt hier einige sehr nervige Blüten. So wurde etwa die komplette Menüführung auf der Straße über ein simuliertes Smartphone gelöst. Das Problem: Ruft man dieses auf, um etwa auf der Karte das nächste Rennen zu markieren, läuft das Spiel im Hintergrund weiter. Pausieren geht schlicht nicht. Wer während einer Verfolgungsjagd mit den Cops also mal eben ans Telefon gehen, die Türe öffnen oder einfach nur aufs Klo muss, hat schlicht Pech gehabt. Eine weitere Design-Entscheidung die mir schwer nachzuvollziehen ist, betrifft die KI der Gegner: Ghost (der Entwickler) bauen auf eine Gummiband-KI. Sprich: Die anderen Autos können nie ganz abgehängt werden und cheaten sich ständig wieder in euren Windschatten – oder zumindest dessen Nähe. Das Tunen der Autos ist sogesehen also auch nur zur Selbstbelustigung geeignet. Im Rennen macht es keinen nennenswerten Unterschied. Die Gegner können euch sowie weder zur Gänze davonfahren, noch könnt ihr sie wirklich abhängen. Schade.

FAZIT

Need for Speed ist ein Augenschmaus und Fest für Tuning-Fans. Das war’s aber leider auch schon. Die fragwürdigen Online-Features, das lächerliche Storytelling und die Gummiband-KI, die im Grunde die Tuning-Features ad absurdum führt, sorgen für einen bitteren Beigeschmack. Dennoch können Autofans, die sich über die Weihnachtsfeiertage die Zeit vertreiben wollen, durchaus zugreifen … nur vielleicht eher am Gebrauchtmarkt. Ich habe so das Gefühl, dass es dort schnell ein recht passables Angebot geben wird.