Quattro-Yin & Turbo-Yang: Ausfahrt mit dem neuen Audi RS5

10. Oktober 2017
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Aktuelles

Und dann kommt der Moment des Einlenkens. Genug Dampf für die Gerade gibt es heute ja praktisch überall. Das kurvige Geläuf durchpfeilt man mit jedem Auto fehler­frei, und verschalten kann man sich in der Zeit der Doppelkupplungen bzw. über­brückten Wandler auch nicht mehr. Aber die erste echte Kurve, die trennt nach wie vor die Spreu vom Weizen. Wie gut sind die Bremsen? Wie ruhig das Heck? Und vor allem: Geht die Kiste auch so ums Eck, wie man sich das hinterm Lenkrad vorstellt? Wenn es eine Eigenschaft gibt, die den neuen RS5 von allen seinen Vorgängern der Audi Sport GmbH – vormals Quattro GmbH – grundlegend unterscheidet, dann ist es sein Talent, genau so zackig einzulenken, wie der Fahrer am Volant dreht.

Das hört sich vielleicht ein wenig gehässig an, aber dass die schnellen Kisten aus Neckarsulm (die immer noch am alten NSU-Sitz vom Band laufen) eine gewisse Untersteuer-Tendenz hatten, wissen die Audi-Trainer selbst. In Sachen Leistung gab es nie Mangelerscheinungen, erst recht nicht bei der Traktion. Aber die frontlastige Bauweise hatte neben unschlagbaren Vorteilen beim stabilen Geradeauslauf auch empfindliche Nachteile beim zackigen Einlenken. Kein Wunder also, dass man gerne die Gewichtsverteilung betont: 57 Prozent lasten auf der Vorderachse, 43 hinten, was schon einiges über die Qualitäten des neuen Power-Coupés aussagt. Aber noch lange nicht alles.

 

Denn in Summe seiner Eigenschaften fühlt sich der RS5 nach einem „Best-of Audi“ an. Und das geht schon beim Motor los. ­Vorbei die Zeiten des hochdrehenden V8-Saugers, der untenrum immer etwas brustschwach wirkte. Der neue V6 hat zwei zentral ­montierte Turbos und basiert zwar auf dem Dreiliter aus Porsche Macan bzw. Audi S5 – er wurde aber für höhere Literleistung und Drehfreude im Hub reduziert. Die nunmehr 2,9 Liter stemmen auf dem Papier zwar genau so viel PS wie der Vorgänger, nun hat man aber das ­Gefühl, dass auch stets alle 450 Pferde zum Sprung bereit stehen. 170 Newtonmeter mehr Drehmoment, und das um 1900 Umdrehun­gen früher, bewirken einen völlig neuen Fahreindruck: Es geht immer vorwärts. Kraft gibt es stets in Hülle und Fülle, und dass der Biturbo-V6 spontaner anspricht als der alte V8-Sauger, kann man fast schon als Ironie des Motorenbaus verstehen. Oder einfach nur als Fortschritt.

All das wird perfekt verwaltet vom rein mechanisch arbeiten­den Quattro-Antriebs­strang mit hecklastiger Kraftverteilung und Torque-Vectoring an der Hinterachse, der nie Zweifel daran aufkommen lässt, wer das Match um Traktion gewinnen wird. Diese fehlende Gedenksekunde, die jedes Haldex-System einfach braucht, um die Kraft einigermaßen schlau aufzuteilen, macht den entscheidenden Unterschied. Der kontrollierte Schub, wenn man am Kurvenscheitelpunkt voll aufs Gas steigt, ist gewaltig. Und wer die Launch Control zu Rate zieht, schießt dermaßen schlupffrei in nur 3,9 Sekunden auf die 100er-Marke zu, als würde das Coupé mit ­einem Seil an einem Kran hängen, das schlagartig gekappt wird.

Agil wie ein U-Hakerl: Der hecklastige Allradantrieb und das optionale Sport-Diffe­renzial an der Hinterachse sorgen für eine phänomenale Traktion beim Heraus­beschleunigen aus engen Kehren.

Agil wie ein U-Hakerl: Der hecklastige Allradantrieb und das optionale Sport-Diffe­renzial an der Hinterachse sorgen für eine phänomenale Traktion beim Heraus­beschleunigen aus engen Kehren.

Den Effekt der Freien-Fall-Performance rundet aber erst das besondere Getriebe ab. Audi verbaut nämlich nicht die Doppelkupplungs-Box aus dem S5, sondern greift lieber zu einer klassischen Wandler-Automatik. Ausgerechnet beim Topmodell? Gerade hier! Das massive Drehmoment würde die S-Tronic schlicht in Stücke reißen. Zudem kriegt keine andere Getriebeform den Spagat zwischen Schaltkomfort und lupenreiner Performance besser hin. Und während man gepflegt durch die Landschaft schießt, kommt man unweigerlich auf den Gedanken, warum die in Ingolstadt überhaupt noch Doppelkupplungs-Getriebe verbauen.

Doch auch sonst führt der durchdachte No-Nonsens-Charakter des RS5 zu interessanten Einsichten: Zum Beispiel, dass der Audi mit seiner Effektivität nicht nur Steigungen niederbügelt, sondern auch ein wenig die Faszination, viel zu schnell unterwegs zu sein. Mehr noch: Da auch der Auspuff sehr verhalten agiert, die Kabine gut gedämmt und das Fahrwerk nicht einmal bretthart ausgefallen ist, entsteht auch bei Volllast eine gedämpfte Atmosphäre. Der Audi brennt seine Power so selbst­verständlich und entspannt in den Asphalt, dass man erst dann zusammenzuckt, wenn man kurz auf den Tacho blickt. Was zugegebenermaßen auch nicht dabei hilft, den richtigen Moment des Einlenkens zu treffen.

Bekannte Coolness: Die gedämpfte Atmosphäre im nahezu perfekt eingerichteten Innenraum spielt die Faszination des 450 PS-Hammers ein wenig herunter. Zumindest der Auspuff könnte ein wenig lauter sein.

Bekannte Coolness: Die gedämpfte Atmosphäre im nahezu perfekt eingerichteten Innenraum spielt die Faszination des 450 PS-Hammers
ein wenig herunter. Zumindest der Auspuff könnte ein wenig lauter sein.

V6, 24V, Biturbo, 2894 ccm, 450 PS (331 kW) bei 5700/min, max. Drehmoment 600 Nm bei 1900–5000/min, Achtgang-Automatik, Allradantrieb, Scheibenbremsen v/h (bel.), L/B/H 4723/1861/1360 mm, Radstand 2766 mm, 4 Sitze, Reifendimension 265/35 R 19, Tankinhalt 58 l, Kofferraumvolumen 465 l, Leergewicht 1730 kg, 0–100 km/h 3,9 sec, Spitze 250 km/h, Normverbrauch 11,5/7,1/8,7 l ROZ 98, CO2 197 g/km

Preis: € 99.500,–