RKDS – Reifendruckkontrollsysteme: Ein Ratgeber

11. November 2015
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Feature

Ein Reifen hat wirklich kein leichtes Leben. Er muss jeden Tag brav funktionieren, ist permanent der Witterung ausgesetzt, soll immer Grip aufbauen, Gehsteigkanten klaglos verdauen und dabei möglichst lange halten. Er ist eines der wichtigsten Bauteile des ganzen Autos, da die ganze Last des Fahrbahnkontakts auf ihm liegt, und dem gleichzeitig kaum Aufmerksamkeit zuteil wird. Höchstens einmal ein belangloser Tritt, ob eh noch Luft drinnen ist. Ohne Übertreibung kann also gesagt werden, dass ein Pneu ganz schön unter Druck steht. Und das ist umso mehr ein Grund, diesen regelmäßig zu überprüfen.

Genau das dachte sich auch die EU-Kommission in einer ruhigen Minute und machte die automatische Reifendruckkontrolle, kurz RDKS, zum Teil der Pflichtausrüstung von allen Pkw, die ab dem 1. November 2014 neu homologiert worden sind. Gemeinsam mit dem ESP übrigens, was aber nicht weiter auffiel, da eh schon praktisch jedes Auto über das elektronische Stabilitätsprogramm verfügt.

Jedenfalls gelten Reifenplatzer zurecht als einer der Hauptursache für Unfälle, was umso tragischer ist, da dieser Fehler so leicht zu vermeiden wäre. Aber wer kontrolliert schon bei jedem Tankstopp den korrekten Druck, und selbst wenn – moderne Dieselautos schaffen mit einer Füllung an die 1000 Kilometer, da kann man sich schnell einmal unbemerkt einen gemeinen Nagel einfahren.

Dass eine Reifendruckkontrolle für Neufahrzeuge also gesetzlich vorgeschrieben ist, hat durchaus seine Berechtigung. Auch in Sachen Sprit-Verbrauch und damit Umweltschutz, denn zu wenig Luft in den Gummis macht jedes Auto durstiger. Doch was genau ist dieses RDKS?

Indirekt und Direkt

Ist der Reifen platt, geht nichts mehr. Hätte man das nur früher bemerkt! Reifendruckkontroll-Systeme kümmern sich genau um diesen Job

Ist der Reifen platt, geht nichts mehr. Hätte man das nur früher bemerkt! Reifendruckkontroll-Systeme kümmern sich genau um diesen Job

Technisch wird zwischen zwei Systemen unterschieden: Die indirekt messende Variante greift auf die Daten zu, die von den Raddrehzahl-Sensoren an die ABS- und ESP-Steuerung geschickt werden. Hat ein Rad zu wenig Luft, reduziert sich dessen Abrollumfang, seine Drehzahl weicht von den anderen dreien dadurch ab. Diese Information erkennt das System, eine entsprechende Warnleuchte am Armaturenbrett gemahnt zum baldigen Aufpumpen.

Das direkt messende System hingegen arbeitet mit eigenen Sensoren. Diese stecken direkt auf der Innenseite der Felgen, also innerhalb der Reifen. Meist sind diese Bauteile mit den Ventilen kombiniert. Über Funk übertragen sie permament die gerade vorherrschenden Drücke und Temperaturen (bei zu geringem Luftdruck walkt der Reifen mehr, das erzeugt Reibung, die Luft im Pneu erhitzt sich) an die Bord­elektronik, die alles automatisch überwacht. Auf Wunsch können die Werte auch im Tachometer oder auf dem Display im Armaturenbrett angezeigt werden.

Vor- und Nachteile

Aktiv messende Systeme verfügen über jeweils einen Sensor direkt auf den Felgen. So können permanent Luftdruck und Temperatur innerhalb des Reifens gemessen werden

Aktiv messende Systeme verfügen über jeweils einen Sensor direkt auf den Felgen. So können permanent Luftdruck und Temperatur innerhalb des Reifens gemessen werden

Das indirekt messende System hat für die Hersteller vor allem einen großen Vorteil: Es kostet fast nichts. Die Hardware ist sowieso schon im Auto vorhanden, da sowohl ABS als auch ESP gesetzlich vorgeschrieben sind, und die Software ist schnell erweitert, um im Falle eines Druckverlustes Alarm zu schlagen. So einfach das System sein mag – es arbeitet leider nicht sehr exakt, denn es erkennt nur, dass zu wenig Luft vorhanden ist, aber nicht um wie viel zu wenig.

Es bedarf schon eines deutlichen Unterschiedes zwischen den Reifendrücken, um über diese Technik registriert zu werden. Das heißt: Ist in allen vier Pneus zu wenig Luft (zum Beispiel, wenn der gerade montierte Radsatz das letzte halbe Jahr im Keller verbracht hat), bleibt dieser Missstand komplett unbemerkt. Und auch der schleichende Druckverlust – also ein sogenannter Sicker-Patschen – lässt sich erst relativ spät erkennen, nämlich wenn das Warnlamperl im Armaturenbrett aufleuchtet.

Für das direkt messende System sind diese Aufgaben kein Problem, da es Abwei­chungen im Zehntel-Bereich erfassen und anzeigen kann. Es erfordert aber einen deutlichen Mehraufwand, und zwar nicht nur bei der Fahrzeug-Produktion. Natürlich muss auch der Winterreifensatz kostspielig mit Sensoren ausgerüstet werden.

Dazu kommt, dass nicht alle Felgen damit ausgerüstet werden können. Nach ein paar Jahren ist zudem der Saft in den Akkus aufgebraucht. Da diese aber nicht einzeln getauscht werden können, darf gleich der komplette Sensor gewechselt werden. Als Faustregel gilt: Müssen neue Reifen montiert werden, kommen die Sensoren gleich mit.

Aus welchem Grund auch immer diese Fühler getauscht werden (was rein technisch gesehen schon beim halbjährlichen Rädertausch der Fall ist) – jedes Mal bedarf es einer Neukalibrierung in der Werkstatt. Das indirekte RDKS ist hier schon pflegeleichter. Dieses kann meist über den Bordcomputer zurückgesetzt werden.

Und selbst wenn die Fühler gut geschützt unter dem Reifen ihr Dasein fristen, ganz vor Gefahren gefeit sind sie nicht. Der Pannenspray etwa gehört zu den natürlichen Feinden. Deren Inhaltsstoffe bewirkten eine chemische Reaktion, die die feinfühligen Messeinrichtungen zerstören können.

Nachrüstbarkeit

Nachrüst-Systeme mögen nicht ästhetisch sein, weil eine zusätzliche Anzeige im Auto steckt. Dafür lassen sie sich problemlos ins nächste Auto implementieren

Nachrüst-Systeme mögen nicht ästhetisch sein, weil eine zusätzliche Anzeige im Auto steckt. Dafür lassen sie sich problemlos ins nächste Auto implementieren

Skurrilerweise ist das kompliziertere Direkt-System auch jenes, das man nachrüsten lassen kann, da es nämlich nicht in die Bordelektronik implementiert werden muss, sondern autark arbeiten kann. Fixfertige Sets gibt es im gut sortierten Fachhandel. Sie arbeiten über den Zigarettenanzünder sowie mit auf den Ventilen außen an­schraubbaren Sensoren, oder – wie zum Beispiel das Kit von Alcar – wie werksseitig montierte Anlagen.

Die Montage ist schnell und simpel zugleich: Die Fühler werden in die Felge eingesetzt, der Reifen wieder aufgezogen, fertig. Jetzt noch das zum Lieferumfang dazugehörende Display am Armaturenbrett montieren und an den Strom anschließen, schon ist man darüber informiert, wie sehr die Reifen unter Druck stehen.

Natürlich ist eine ab Werk verbaute Lösung ästhetischer, weil nicht ein zusätzliches Display im Auto hängt. Andererseits sind diese Anlagen genau so schnell demontiert wie sie installiert wurden – und können somit problemlos nach einem Fahrzeugwechsel in das Neue übernommen werden.

FAZIT

Wie gut ein Auto beschleunigt, liegt und vor allem bremst, hängt in letzter Konse­quenz immer von den Reifen ab. RDKS – egal in welcher Form – ist also definitiv ein Sicherheitsgewinn, denn nur wenn zu geringer Reifendruck rechtzeitig erkannt wird, kann der Pneu vor bleibenden Schäden gerettet werden. Wird er nur einmal ohne Luft gefahren, sind strukturelle Schäden vorprogrammiert. Dass lediglich das direkt messende System nachgerüstet werden kann, ist daher kein Nachteil, im Gegenteil. Denn nur so kann der exakte Druck in Echtzeit gemessen werden – was die Voraus­setzung ist für ein langes Reifenleben.