Ausfahrt mit der neuen Alpine A110

9. März 2018
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Aktuelles

Die neue Alpine ist fast 20 Zentimeter niedriger als der Clio von Konzern-Mutter Renault. Aber auch sieben Zentimeter höher als Alfas 4C, der aufgelegte Nummer- eins-Konkurrent. Doch das französische Marketing hat schon ­eine Antwort parat, bevor die Frage gestellt wird: Kompakt, leicht und agil soll die neue A110 sein, so wie der legendäre Ahn aus den 60er/70er-Jahren, aber da­bei ein Auto für den täglichen Gebrauch. Wir nehmen Platz und stellen fest: Stimmt! Nicht nur im Vergleich zum seligen Rallye-Großmeister von damals, sondern auch zum Mailän­der Mit­bewerber von heute. Die neue Alpine bietet viel Platz nach oben, genug zur Seite – und vor allem einen menschenwürdigen Einstieg.

Kühle Atmosphäre in Leder, Alu & Carbon. Kippschalter unterm zentralen Multimedia-Schirm und generell wenig Großserien-Knöpfe aus den Renault-Regalen. Die drei Fahr-Modi steuert man über den roten Knopf am Volant.

Kühle Atmosphäre in Leder, Alu & Carbon. Kippschalter unterm zentralen Multimedia-Schirm und generell wenig Großserien-Knöpfe aus den Renault-Regalen. Die drei Fahr-Modi steuert man über den roten Knopf am Volant.

 

Was den Alltagsgebrauch ebenfalls massiv erleichtert: die Servolenkung. Die mag zwar Hardcore-Fans etwas zu leichtgängig vorkommen, doch sie ist eine Wohltat gegen die unnötig hohen Hebelkräfte im servolosen 4C. Lassen wir den Alfa noch ein bisserl da als virtuellen ­Kontrahenten. Mit seinem Aufbau aus Carbon & Plastik ist der Italie­ner etwa 60 ­Kilo leichter als der Gallier, der voll auf Aluminium setzt. Beim Stan­dard-Sprint auf 100 gibt es keinen Sieger, dafür hat der 4C am Ende die Nase um 8 km/h vorn, weil er nicht bei 250 elektronisch kastriert wird. Alpine-Piloten ­ho­len den Rückstand beim Tanken wieder auf: 0,7 Liter lautet hier die Differenz. Auf Reisen sticht zudem ein weiteres französisches Atout: Einen Kofferraum gibt es auch unter der vor­deren Haube.

Die Alpine A110 ist wieder da! Unpeinliches Retro-Design mit Bügelfalte und Zusatz­scheinwerfern wie beim legendären Ur-Modell. 80 Prozent der bisherigen Käufer wollten übrigens, dass bei der Lackierung blau gemacht wird.

Die Alpine A110 ist wieder da! Unpeinliches Retro-Design mit Bügelfalte und Zusatz­scheinwerfern wie beim legendären Ur-Modell. 80 Prozent der bisherigen Käufer wollten übrigens, dass bei der Lackierung blau gemacht wird.

 

Noch ein Punkt spricht für die Alpine als Alltagsfahrzeug – und ein wenig gegen sie als Heizgerät für Hardliner: Der Sound ist verglichen mit der bombastischen Klang­kulisse des Alfa be­schei­den, selbst wenn der Sport-Modus aktiviert ist und es dann beim Gaswegnehmen aus dem großen Endrohr rotzig röchelt. Lassen wir den Alfa jetzt mal beiseite, alles blickt ja gespannt auf den gallischen Newcomer im Sportwagen-Seg­ment. 1995 endete die Alpine-Produktion im nordfranzösischen Dieppe mit der V6-Turbo-Modell A610. Seither wurden dort Sonder­projekte gefertigt, etwa der Renault Sport Spider oder der Clio V6 mit Mittelmotor und zuletzt der vergleichs­weise span­nungs­­lose Clio R.S.

 

Alpine-Produktion leicht gemacht: Chassis und Karosserie sind aus Aluminium, be­eindruckend ist aber vor allem die Detailverliebtheit in Sachen Ab­specken, die sich bis zur Gewichtsoptimierung bei den Lautsprechern zieht. Nam­haf­ter Auslands­ein­satz der italienischen & deutschen Art bringt zudem wichtige Kilos bei ­Sitzen (Sa­belt) und Bremsen (Brembo) sowie bei Felgen (Fuchs) und Getriebe (Ge­trag). Dazu ist die elektronische Parkbremse als Aktuator in die Hinterradbrem­se inte­griert, was zweieinhalb Kilo spart.

Das zentrale sechseckige Auspuff- Endrohr macht ein bisserl auf Lambo – und verhin­dert die Montage einer Anhängekupplung. Nur falls jemand darauf spekuliert, die be­scheidene Kofferraum-Kapazität unstandesgemäß zu erhöhen.

Das zentrale sechseckige Auspuffendrohr macht ein bisserl auf Lambo – und verhin­dert die Montage einer Anhängekupplung. Nur falls jemand darauf spekuliert, die be­scheidene Kofferraum-Kapazität unstandesgemäß zu erhöhen.

 

Und was bringt’s? Eine unglaubliche Agilität, egal ob es um die Längs- (Überhol­ma­növer) oder Querdynamik (Kurvenspeed) geht. Auf der Rennstrecke freut man sich über eine anständige Portion Lastwechsel-Anfälligkeit – das ESP lässt sich zum Aus­­­leben der Gegenlenk-Gelüste zweistufig abschalten. Wirklich toll: die Brems-Per­­for­mance. Auch fein: wie weit sich das Lenkrad herausziehen lässt. Nach klei­nem Turboloch schiebt der aufgeladene 1800er mächtig an, die Lenkung ist wun­der­bar direkt, das Doppelkupplungs­getriebe flott und auf agiles Beschleunigen ausgelegt – im Automatik-Modus dagegen recht rasch im höchst möglichen Gang. Die Fe­der/Dämp­fer-Ein­heit, vorne wie hinten von doppelten Alu-Drei­ecksquerlen­kern in die Zange genom­men, ist nicht verstellbar und somit auf schlechten Straßen ziem­lich ruppig. Nicht ganz glücklich werden manche Piloten mit den fixen Schalt­wippen sein – die Mehrheit im Entwicklungs-Team hat sich angeblich gegen eine mit dem Volant mit­drehende Variante entschieden. Am Puls der Zeit: die volldigi­talen Instru­mente mit allerlei Spielraum für verspielte Piloten, die in maskuliner Multitasking-Manier auf der Rennstrecke Zeit und Nerven haben fürs Studieren von Laptimer oder das Ball­spiel der G-Kräfte.

Die A110 des neuen Jahrtausends hat Mittel- statt Heckmotor, aber nach wie vor vier Zylinder, diesmal freilich aufgeladen. Glatter Unterboden, der in einem Diffusor ausläuft, damit braucht die Alpine keinen (ausfahrbaren) Heckspoiler. Chassis wie Karos­serie aus Alu, Dach und Schürzen freilich in Kunststoff. Gewichtsverteilung 44:56.

Die A110 des neuen Jahrtausends hat Mittel- statt Heckmotor, aber nach wie vor vier Zylinder, diesmal freilich aufgeladen. Glatter Unterboden, der in einem Diffusor ausläuft, damit braucht die Alpine keinen (ausfahrbaren) Heckspoiler. Chassis wie Karos­serie aus Alu, Dach und Schürzen freilich in Kunststoff. Gewichtsverteilung 44:56.

 

1955 wurde die Firma Alpine vom motorsportbegeisterten Renault-Händler Jean Rédélé gegründet, die auf diese Zahl limitierte „Première Edition“ der neuen A110 war binnen fünf Tagen ausverkauft, ausgeliefert wird peu à peu seit Anfang 2018. Fortan wird es die Alpine in zwei Linien geben, als spartanischen „Pure“ und als „Légende“ mit mehr Komfort, etwa bei den Sitzen. Schon als limitier­te Erst­serie war die französische Flunder 5000 Euro günstiger als der 4C von Alfa. Womit wir am Ende wieder bei unserem aufgelegten Ländermatch sind. Vor­teil Italien: Nach der Ausfahrt mit der neuen Alpine wirkt der 4C noch härter, noch kom­pro­­­miss­­loser, noch geiler. Eine Sache freilich fehlt dem Romeo – und die spricht ein­deutig für die französische Flunder: der astreine Stammbaum.

R4, 16V, Turbo, 1798 ccm, 252 PS (185 kW) bei 6000/min, max. Drehmoment 320 Nm bei 2000–5000/min, Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, Hinterradantrieb, Scheiben­brem­sen v/h (v bel.), L/B/H 4178/1798/1252 mm, Radstand 2420 mm, 2 Sitze, Reifendi­men­sion 205/40 R 18 (v), 235/40 R 18 (h), Tankinhalt 45 l, Kofferraum­vo­lumen v/h 96/100 l, Wen­de­kreis 11,6 m, Leergewicht 1080 kg, 0–100 km/h 4,5 sec, Spitze 250 km/h*, Normver­brauch (Stadt/außerorts/Mix) 8,2/5,0/6,1 l ROZ 98, CO2 138 g/km

Preis: € 62.600,–

*elektron. begrenzt