Die neue Alpine ist fast 20 Zentimeter niedriger als der Clio von Konzern-Mutter Renault. Aber auch sieben Zentimeter höher als Alfas 4C, der aufgelegte Nummer- eins-Konkurrent. Doch das französische Marketing hat schon eine Antwort parat, bevor die Frage gestellt wird: Kompakt, leicht und agil soll die neue A110 sein, so wie der legendäre Ahn aus den 60er/70er-Jahren, aber dabei ein Auto für den täglichen Gebrauch. Wir nehmen Platz und stellen fest: Stimmt! Nicht nur im Vergleich zum seligen Rallye-Großmeister von damals, sondern auch zum Mailänder Mitbewerber von heute. Die neue Alpine bietet viel Platz nach oben, genug zur Seite – und vor allem einen menschenwürdigen Einstieg.
Was den Alltagsgebrauch ebenfalls massiv erleichtert: die Servolenkung. Die mag zwar Hardcore-Fans etwas zu leichtgängig vorkommen, doch sie ist eine Wohltat gegen die unnötig hohen Hebelkräfte im servolosen 4C. Lassen wir den Alfa noch ein bisserl da als virtuellen Kontrahenten. Mit seinem Aufbau aus Carbon & Plastik ist der Italiener etwa 60 Kilo leichter als der Gallier, der voll auf Aluminium setzt. Beim Standard-Sprint auf 100 gibt es keinen Sieger, dafür hat der 4C am Ende die Nase um 8 km/h vorn, weil er nicht bei 250 elektronisch kastriert wird. Alpine-Piloten holen den Rückstand beim Tanken wieder auf: 0,7 Liter lautet hier die Differenz. Auf Reisen sticht zudem ein weiteres französisches Atout: Einen Kofferraum gibt es auch unter der vorderen Haube.
Noch ein Punkt spricht für die Alpine als Alltagsfahrzeug – und ein wenig gegen sie als Heizgerät für Hardliner: Der Sound ist verglichen mit der bombastischen Klangkulisse des Alfa bescheiden, selbst wenn der Sport-Modus aktiviert ist und es dann beim Gaswegnehmen aus dem großen Endrohr rotzig röchelt. Lassen wir den Alfa jetzt mal beiseite, alles blickt ja gespannt auf den gallischen Newcomer im Sportwagen-Segment. 1995 endete die Alpine-Produktion im nordfranzösischen Dieppe mit der V6-Turbo-Modell A610. Seither wurden dort Sonderprojekte gefertigt, etwa der Renault Sport Spider oder der Clio V6 mit Mittelmotor und zuletzt der vergleichsweise spannungslose Clio R.S.
Alpine-Produktion leicht gemacht: Chassis und Karosserie sind aus Aluminium, beeindruckend ist aber vor allem die Detailverliebtheit in Sachen Abspecken, die sich bis zur Gewichtsoptimierung bei den Lautsprechern zieht. Namhafter Auslandseinsatz der italienischen & deutschen Art bringt zudem wichtige Kilos bei Sitzen (Sabelt) und Bremsen (Brembo) sowie bei Felgen (Fuchs) und Getriebe (Getrag). Dazu ist die elektronische Parkbremse als Aktuator in die Hinterradbremse integriert, was zweieinhalb Kilo spart.
Und was bringt’s? Eine unglaubliche Agilität, egal ob es um die Längs- (Überholmanöver) oder Querdynamik (Kurvenspeed) geht. Auf der Rennstrecke freut man sich über eine anständige Portion Lastwechsel-Anfälligkeit – das ESP lässt sich zum Ausleben der Gegenlenk-Gelüste zweistufig abschalten. Wirklich toll: die Brems-Performance. Auch fein: wie weit sich das Lenkrad herausziehen lässt. Nach kleinem Turboloch schiebt der aufgeladene 1800er mächtig an, die Lenkung ist wunderbar direkt, das Doppelkupplungsgetriebe flott und auf agiles Beschleunigen ausgelegt – im Automatik-Modus dagegen recht rasch im höchst möglichen Gang. Die Feder/Dämpfer-Einheit, vorne wie hinten von doppelten Alu-Dreiecksquerlenkern in die Zange genommen, ist nicht verstellbar und somit auf schlechten Straßen ziemlich ruppig. Nicht ganz glücklich werden manche Piloten mit den fixen Schaltwippen sein – die Mehrheit im Entwicklungs-Team hat sich angeblich gegen eine mit dem Volant mitdrehende Variante entschieden. Am Puls der Zeit: die volldigitalen Instrumente mit allerlei Spielraum für verspielte Piloten, die in maskuliner Multitasking-Manier auf der Rennstrecke Zeit und Nerven haben fürs Studieren von Laptimer oder das Ballspiel der G-Kräfte.
1955 wurde die Firma Alpine vom motorsportbegeisterten Renault-Händler Jean Rédélé gegründet, die auf diese Zahl limitierte „Première Edition“ der neuen A110 war binnen fünf Tagen ausverkauft, ausgeliefert wird peu à peu seit Anfang 2018. Fortan wird es die Alpine in zwei Linien geben, als spartanischen „Pure“ und als „Légende“ mit mehr Komfort, etwa bei den Sitzen. Schon als limitierte Erstserie war die französische Flunder 5000 Euro günstiger als der 4C von Alfa. Womit wir am Ende wieder bei unserem aufgelegten Ländermatch sind. Vorteil Italien: Nach der Ausfahrt mit der neuen Alpine wirkt der 4C noch härter, noch kompromissloser, noch geiler. Eine Sache freilich fehlt dem Romeo – und die spricht eindeutig für die französische Flunder: der astreine Stammbaum.
R4, 16V, Turbo, 1798 ccm, 252 PS (185 kW) bei 6000/min, max. Drehmoment 320 Nm bei 2000–5000/min, Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, Hinterradantrieb, Scheibenbremsen v/h (v bel.), L/B/H 4178/1798/1252 mm, Radstand 2420 mm, 2 Sitze, Reifendimension 205/40 R 18 (v), 235/40 R 18 (h), Tankinhalt 45 l, Kofferraumvolumen v/h 96/100 l, Wendekreis 11,6 m, Leergewicht 1080 kg, 0–100 km/h 4,5 sec, Spitze 250 km/h*, Normverbrauch (Stadt/außerorts/Mix) 8,2/5,0/6,1 l ROZ 98, CO2 138 g/km
Preis: € 62.600,–
*elektron. begrenzt