Großer Test: Audi e-tron 55 quattro

28. Mai 2019
Keine Kommentare
13.484 Views
Aktuelles

Soll ein Elektroauto groß, stark und luxuriös sein oder doch kompakt und ver­nünftig? Im ersten Fall benötigt man eine entsprechend große Batterie für eine angemessene Reichweite, die ist dann aber so schwer, dass ihr Gewicht den Aktionsradius erst wieder verkürzt. Audi wollte mit dem e-tron ein Premium-Statement liefern, daher kam nur die Lu­­xus-Variante infrage. Nachteil: Der 95 kWh-Akku wiegt 700 Kilo, das 4,9 Meter lange Auto satte 2,5 Tonnen.

Der erste Stromer aus Ingolstadt baut übrigens nicht auf dem künftigen MEB (Mo­dularer Elektrifizierungs-Baukasten), sondern auf dem für Verbrennungsmotoren konzipierten MLB (Modularer Längs-Baukasten) auf. Ursprünglich war er nämlich als Q6 e-tron, also als Elektro-Variante eines auch konventionell angetrie­benen SUV-Coupés geplant. Spät, aber doch kam Audi drauf, dass Käufer eines teuren Elektroautos keinen Abklatsch eines Normal-Modells wollen, sondern ein eigenständiges, um auf den ersten Blick als Umweltschutzen­gel erkennbar zu sein – Applaus von den Rängen inklusive. Da­­her liegen Benzin- und Diesel-Q6 erst einmal auf Eis.

Der Audi e-tron ist also ordentlich groß, aber nicht nur außen. Vorne wie hinten gibt es massig Platz, vor allem Ellbogenfreiheit und Fond-Knieraum beeindrucken. Das Gepäckabteil ist ebenfalls sehr geräumig, ein wenig stört lediglich die hohe Ladekante, die sogar im „Dyna­mic“-Modus, in dem die Luftfederung die Karosserie auf Tiefststand absenkt, nicht weniger als 79 Zentimeter misst.

 

Die Federung selbst ist fein abgestimmt, sie vereint würdigen Komfort mit genü­gend Dynamik, für leichte Offroad-Abenteuer kann man sie entsprechend nach oben pumpen. Fahrdynamisch versteckt der e-tron sein Gewicht perfekt. Die Batterie ist zwar enorm schwer, sie liegt aber am tiefsten Punkt und sorgt für eine Gewichtsverteilung von 53:47 Prozent zu­­gunsten der Hinterachse. Ge­­mein­­sam mit dem hecklastigen Allradantrieb und der direkten Lenkung sorgt das für eine spaßfördernde Fahrweise.

Untersteuern, also Schieben über die Vorderachse, verkneift sich der Dicke. Und der Schub der beiden Triebwerke ist so­­wie­­so über jeden Zweifel erhaben. Auto­matik-Hebel von „D“ auf „S“, dann geht es im Boost-Mo­dus in 5,7 Sekunden auf 100 km/h.

Der Stromverbrauch ist freilich nicht nur dann keine Offenbarung: Auch auf unserer brav gefahrenen Testrunde waren es fast 28 kWh, was eine Reichweite von 340 statt der versprochenen 417 Kilometer bedeutet. Allerdings bei winterlichen Temperaturen. Und wenn man bedenkt, dass ein Liter Diesel die Energie von zehn kWh enthält, dann ist ein virtueller Verbrauch von 2,8 Litern für einen 2,5-Tonner mit 408 PS schlicht sensationell.

Zu Hause an der Schuko-Steckdose zu laden, ist angesichts der 95 kWh-Batterie un­­sinnig, dafür müsste man fast 40 Stunden – und damit einen Urlaubstag – einplanen. Serienmäßig gibt es aber auch ein Kabel für die Kraftstrom-Steckdose (400 V), bei üblicher 16 Am­­pere-Absicherung strömen dann 11 kW pro Stunde in die Batterie, da geht sich über Nacht so­­gar eine Vollladung aus, ganz ohne Anschaffung einer teuren Wallbox.

Ebenso serienmäßig ist ein Typ 2-Kabel, das sich allerdings den Luxus leistet, ebenfalls nur 11 kWh zu befördern. Lädt man beispielsweise an einer 22 kWh-Station ohne integriertes Kabel, kann man deren vol­le Ka­­pazität gar nicht nützen. Wirklich interessant wird es bei CCS-Stationen (solche Wechsel/Gleichstrom-Kombis haben grundsätzlich ein eigenes Ka­­bel). Diese schicken meist 50 kWh an die Batterie, was die Wartezeit auf zwei Stunden verkürzt. 

An sich verträgt der Audi-Akku bis zu 150 kWh, derart potente Strom-Tankstellen sind momentan aber noch selten. Um Zugriff auf vernünftige La­­dekapazitäten zu erhalten, ohne dabei mehrere Karten mitführen – und bezahlen – zu müssen, hat Audi das „e-tron Charging Service“ entwickelt. Eine einzige Karte erlaubt dabei Zu­­griff auf 90.000 Partner-Ladepunkte in Europa, davon 3200 in Österreich.

Noch besser wird es mit dem im Aufbau befindlichen „Ionity“-Netzwerk nach dem Vorbild der Tesla Supercharger: Bis 2020 sollen 400 Ladepunkte mit 150 kWh oder mehr, primär an Autobahnen, entstehen, damit schrumpft die Dauer für eine 80 Prozent-Ladung auf 30 Minuten

Moderne Zeiten also, was auch für die vielgelobten virtuellen Außenspiegel gilt – mit aerodynamisch günstigen Ka­­meras außen und OLED-Displays im Innenraum anstelle der klassischen Rückspiegel. Leider fehlten diese am Testwagen, weil sie für die erste Serie noch nicht verfügbar waren, sie sind aber ab sofort um 1758 Euro bestellbar. Danach heißt es auf den e-tron warten, aufgrund der großen Nachfrage ist mit einer gut sechsmonatigen Lieferfrist zu rechnen.

Motor & Getriebe – Die beiden Elektromotoren schieben vor allem im Boost-Modus mühe- und gnadenlos an. Faszinierend: die automatische Rekuperation (verstärkt sich, wenn man auf ein langsameres Auto aufläuft) und die exzel­lente Geräuschdämmung. Naturgemäß ruckfreies Eingang-Getriebe.

Fahrwerk & Traktion – Sehr komfortable, im Bedarfsfall dennoch dynamische Luftfederung. Hohes Leergewicht, dank hecklastiger Antriebs- und Gewichtsverteilung jedoch neutrales Fahrverhalten. Präzise-direkte Lenkung, sou­veräne Allrad-Traktion.

Stock & Stein – Das Luftfeder-Fahrwerk lässt sich auf 222 Millimeter Bodenfreiheit aufpumpen, dazu gibt es massig Drehmoment, Allradantrieb und Berg­anfahrhilfe. Nur die bescheidenen Böschungs- und Rampenwinkel beschränken das Offroad-Talent.

Cockpit & Bedienung – Vielfach konfigurierbare, voll digitalisierte Bedien-Landschaft in Top-Auflösung. Nach einer Eingewöhnungsphase erfreut man sich am logi­schen Menü-Aufbau. Groß dimensionierte, langstreckentaugliche Sitze. Passable Rundumsicht.

Innen- & Kofferraum – Sehr großzügige Platzverhältnisse vorne wie hinten. Der über 2:1:2-Umlege-Lehnen eben erweiterbare Laderaum ist voluminös, dazu gibt es unter der Motorhaube ein 60 Liter-Fach (ideal für die Ladekabel). ­Minus: hohe Ladekante. Zahlreiche brauchbare Ablagen.

Dran & Drin – Solide Serienausstattung mit Navigation, Luftfederung, LED-Scheinwerfern, Progressiv-Lenkung und digitalisiertem Cockpit, über die ­Extra-Liste kann man trotzdem viel Geld loswerden. Fein: Verarbeitung und Material-Wahl.

Schutz & Sicherheit – Handelsübliche Luftsack-Ausstattung, hintere Seitenairbags kann man zukaufen. Notbrems-Assistent, Spurverlassens-Warner mit ­Lenkeingriff und Fernlicht-Automatik sind serienmäßig. Rückfahrkamera und weitere Assistenten gegen Aufpreis.

Reichweite & Laden – 340 Kilometer Reichweite sind bei vorausschauender Fahrweise im ­Winter möglich, bei wärmerem Wetter mehr. Serienmäßig: Ladekabel für Schuko, Kraftstrom und Typ 2 (leider mit Maximal-Kapazität von nur 11 kWh). 

Preis & Kosten – Etwas teurer als der Jaguar I-Pace, aber deutlich größer. Umgekehrt weit preisgünstiger (aber wiederum kleiner) als ein Tesla Model X. Acht Jahre Garantie auf die Batterie, lange Service-Intervalle.

#1

Alles digitalisiert und einiges an Luxus serienmäßig: Das Cockpit des Audi e-tron verströmt echtes Premium-Feeling.

#12

[vc_row][vc_column][vc_column_text]Soll ein Elektroauto groß, stark und luxuriös sein oder doch kompakt und ver­nünftig? Im ersten Fall benötigt man eine entsprechend große Batterie für eine angemessene Reichweite, die ist dann aber so schwer, dass ihr Gewicht den Aktionsradius erst wieder verkürzt. Audi wollte mit dem e-tron ein Premium-Statement liefern, daher kam nur die Lu­­xus-Variante infrage. Nachteil: Der 95 kWh-Akku wiegt 700 Kilo, das 4,9 Meter lange Auto satte 2,5 Tonnen. Der erste Stromer aus Ingolstadt baut übrigens nicht auf dem künftigen MEB (Mo­dularer Elektrifizierungs-Baukasten), sondern auf dem für Verbrennungsmotoren konzipierten MLB (Modularer Längs-Baukasten) auf. Ursprünglich war er nämlich als Q6 e-tron, also als Elektro-Variante eines auch konventionell angetrie­benen SUV-Coupés geplant. Spät, aber doch kam Audi drauf, dass Käufer eines teuren Elektroautos keinen Abklatsch eines Normal-Modells wollen, sondern ein eigenständiges, um auf den ersten Blick als Umweltschutzen­gel erkennbar zu sein – Applaus von den Rängen inklusive. Da­­her liegen Benzin- und Diesel-Q6 erst einmal auf Eis. Der Audi e-tron ist also ordentlich groß, aber nicht nur außen. Vorne wie hinten gibt es massig Platz, vor allem Ellbogenfreiheit und Fond-Knieraum beeindrucken. Das Gepäckabteil ist ebenfalls sehr geräumig, ein wenig stört lediglich die hohe Ladekante, die sogar im „Dyna­mic“-Modus, in dem die Luftfederung die Karosserie auf Tiefststand absenkt, nicht weniger als 79 Zentimeter misst. [gallery size="mediaholder-medium" ids="33719,33706,33709" link="file"]   Die Federung selbst ist fein abgestimmt, sie vereint würdigen Komfort mit genü­gend Dynamik, für leichte Offroad-Abenteuer kann man sie entsprechend nach oben pumpen. Fahrdynamisch versteckt der e-tron sein Gewicht perfekt. Die Batterie ist zwar enorm schwer, sie liegt aber am tiefsten Punkt und sorgt für eine Gewichtsverteilung von 53:47 Prozent zu­­gunsten der Hinterachse. Ge­­mein­­sam mit dem hecklastigen Allradantrieb und der direkten Lenkung sorgt das für eine spaßfördernde Fahrweise. Untersteuern, also Schieben über die Vorderachse, verkneift sich der Dicke. Und der Schub der beiden Triebwerke ist so­­wie­­so über jeden Zweifel erhaben. Auto­matik-Hebel von „D“ auf „S“, dann geht es im Boost-Mo­dus in 5,7 Sekunden auf 100 km/h. Der Stromverbrauch ist freilich nicht nur dann keine Offenbarung: Auch auf unserer brav gefahrenen Testrunde waren es fast 28 kWh, was eine Reichweite von 340 statt der versprochenen 417 Kilometer bedeutet. Allerdings bei winterlichen Temperaturen. Und wenn man bedenkt, dass ein Liter Diesel die Energie von zehn kWh enthält, dann ist ein virtueller Verbrauch von 2,8 Litern für einen 2,5-Tonner mit 408 PS schlicht sensationell. Zu Hause an der Schuko-Steckdose zu laden, ist angesichts der 95 kWh-Batterie un­­sinnig, dafür müsste man fast 40 Stunden – und damit einen Urlaubstag – einplanen. Serienmäßig gibt es aber auch ein Kabel für die Kraftstrom-Steckdose (400 V), bei üblicher 16 Am­­pere-Absicherung strömen dann 11 kW pro Stunde in die Batterie, da geht sich über Nacht so­­gar eine Vollladung aus, ganz ohne Anschaffung einer teuren Wallbox. Ebenso serienmäßig ist ein Typ 2-Kabel, das sich allerdings den Luxus leistet, ebenfalls nur 11 kWh zu befördern. Lädt man beispielsweise an einer 22 kWh-Station ohne integriertes Kabel, kann man deren vol­le Ka­­pazität gar nicht nützen. Wirklich interessant wird es bei CCS-Stationen (solche Wechsel/Gleichstrom-Kombis haben grundsätzlich ein eigenes Ka­­bel). Diese schicken…

8

FAZIT

Motorleistung, Fahrkomfort, Geräuschdämmung, Ausstattung: beim Audi e-tron perfekt angerichtet für die große Reise. Einzig die Reichweite – obwohl im Elektroauto- Vergleich OK – setzt dem Fernweh Grenzen.

Motor & Getriebe
Fahrwerk & Tratkion
Stock & Stein
Cockpit & Bedienung
Innen- & Kofferraum
Dran & Drin
Schutz & Sicherheit
Reichweite & Laden
Preis & Kosten
User-Wertung : 1.18 ( 30 Stimmen)
8

Zwei Asynchronmotoren mit Flüssigkeits-Kühlung, Spitzenleistung 408 PS (300 kW), Dauerleistung 215 PS (158 kW), max. Drehmoment 664 Nm bei 0–4500/min, Lithium-Ionen-Akku 95 kWh, Allradantrieb mit zweistufig übersetztem Planetengetriebe, Scheibenbremsen v/h (v bel.), L/B/H 4901/1935/1616 mm, Radstand 2928 mm, 5 Sitze, Wendekreis 12,2 m, Reifendimension 255/55 R 19, Reichweite 340 km, Koffer­raumvolumen v/h 60/600–1665 l, Leergewicht 2565 kg, zul. Gesamtgewicht 3130 kg, max. Anh.-Last 1800 kg, 0–100 km/h 5,7 sec, 60–100 km/h 2,5 sec, Spitze 200 km/h, Steuer (jährl.) keine, Werkstätten in Österreich 221, Service alle 30.000 km (mind. alle 2 Jahr), Norm-Testverbrauch 127,9 kWh, Ladedauer bei 11 kW Wechselstrom (100%) 8,5 Std, bei 22 kW Wechselstrom (100%) 4,5 Std, bei 150 kW Gleichstrom (80%) 30 min 

Front- und vordere Seiten­airbags, durchgehende Kopfairbag-Vorhänge, Notbrems- und Berg­anfahr-Assistent, Spurverlassens-Warner inkl. Lenkeingriff, aut. Fernlicht, Licht- und Regensensor, Tempomat, LED-Scheinwerfer, Luftfederung, Navigation, Online Radio, Sprachsteuerung, Notruf, Zweizonen-Klimaaut., vier E-Fensterheber, beheizbare E-Außenspiegel, Einparkhilfe v+h, FB-Zentralsperre, Innenspiegel aut. abblendend, Fondlehne 2:1:2 umklappbar, Progressivlenkung, Audiosystem mit 10 LS und Bluetooth/USB/SD, digitales Kombiinstrument, E-Heckklappe, 19 Zoll-Aluräder etc.

Assistenzpaket Stadt (Kreuzungs- u. Querverkehrs-Assistent h, Spurwechsel- u. Ausstiegswarnung) € 1200,–, Assistenzpaket Tour (Radar-Tempomat, Verkehrs­zeichen-Erkennung, Spurführungs-, Effizienz-, Abbiege- u. Ausweichassistent) € 2154,–, Komfort-Paket (Vierzonen-Klimaaut., schlüsselloser Zugang, sensorgesteuerte Heckklappe, Rückfahrka­me­ra, Sitzheizung v) € 2531,–, Headup-Display € 1588,–, Nachtsichtassistent € 2455,–, Parklenk­assistent € 480,–, Rundum-Kameras € 1314,–, Rückfahrkamera € 538,–, Lederausstattung ab € 2171,–, E-Vordersitze € 1428,–, Sitzheizung v € 434,–, Sitzbelüftung und Massagefunktion v € 1770,–, virtuelle Außenspiegel € 1758,–, Außenspiegel aut. abblendend € 401,–, Panorama-Glasdach € 1702,–, 20/21 Zoll-Aluräder ab € 912,–/ab 2111,–, Anhängevorrichtung € 902,–, Metallic € 1141,– etc.