Kleinwagen-Sterbehilfe

16. Oktober 2020
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Alles Klartext

Der Jimny ist das erfolgreichste Auto von Suzuki seit Jahren. Falsch – er war es. Der sympathische Kletter-Würfel wurde in Europa inzwischen aus dem Programm genom­men. Wegen großen Erfolgs gestrichen, könnte man sagen: Der Bestseller ist leider kein Spritspar-Meister – wie sollte er auch als echter Geländewagen – und torpediert daher Suzukis CO2-Bilanz. Künftig wird die Marke unter anderem umgelabelte Hybrid-Toyotas anbieten. Wie sich die Mitarbeiter dabei fühlen, muss wohl nicht extra beschrieben werden.

Mitsubishi hat kürzlich erklärt, in Zukunft keine neuen Modelle mehr nach Europa zu brin­gen – was de facto einen Rückzug vom Markt darstellt. Weitere Euthanasie-Kan­didaten kann sich jeder selbst aus der Zulassungsstatistik klauben. Traurigerweise sitzen in den oberen Etagen einiger Konzerne Menschen, die darüber keine anderen Gedanken wälzen, als wie man die freiwerdenden Marktanteile abgreifen könnte. Tat­sächlich gibt es bei dieser Entwicklung aber nur Verlierer – weil die Branche insgesamt schwächer wird, wenn sie weniger Stimmen hat.

3,7 Millionen Menschen beschäftigt die Automobilwirtschaft in Europa direkt und indirekt. Anders gesagt: Der Rückzug auch nur einer kleinen Marke verursacht einige tausend Arbeitslose – und dabei wird es bei weitem nicht bleiben. Traurig ist, dass von den fa­mosen Vordenkern der schönen neuen Welt eine egal wie hohe Zahl von Menschen ohne Job als akzeptabler Kollateralschaden betrach­tet wird. Oder, wie es in einschlägi­gen Foren schon zu lesen war: „Selbst schuld – was arbeiten die Menschen auch in der dreckigen Autobranche?!“ Empathie, das lernen wir daraus, gibt es nur für Gleichge­sinnte.

Wie es dazu kommen konnte, ist leicht erklärt, wenn auch schwer verständlich: 2015 haben beim Klimagipfel in Paris Menschen mit den besten Absichten und den schlech­tes­ten Einsagern ziemlich unrealistische Ziele für die CO2-Reduktion verabschiedet. Denen versucht die EU nun zu folgen – wer und was genau zu den Verursachern zählt, wird dabei aber nicht nach den Fakten beurteilt, sondern per Definition festgelegt. Haup­tbeteiligte wie Transportwesen, Zementherstellung auch die künftige Batterie-Produktion für die saubere E-Mobilität werden dabei mehr oder weniger ausgeschlossen. Das ist etwa so wie einen Diätplan aufzustellen, der Schnitzel, Burger und Pommes als kalo­rienfrei deklariert, Eis, Schokolade und Schlagobers aber schrittweise verbietet. Mit dem Ergebnis, dass der Betreffende natürlich blad bleibt, aber deutlich weniger Freu­den ge­nießt. Anders gesagt: Der Planet wird nur auf dem Papier gerettet, weil die tat­sächliche CO2-Bilanz sich bestenfalls kosmetisch verbessert.

Der Markt reagiert erst einmal auf seine Art: Die nun maximal eineinhalb Jahre alten ge­brauchten Suzuki Jimny werden bereits über dem Neuwagen-Preis gehandelt. Wie in der seligen DDR, wo wegen der langen Wartezeit ein vorhandener Trabi teurer war als ein neuer. Dort hieß es übrigens auch: „So wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben.“ Na dann gute Nacht!

Foto: Robert May