Den Ruf als Bonsai-Testarossa hatte der 348 natürlich schnell weg. Die Kiemen-Optik ist damals aber nun einmal die Designlinie des Hauses: Erstmals erprobt am Mondial, auf die Spitze getrieben beim Testarossa, marktgerecht ausgeschlachtet im 348. Das Eigenplagiat vom Look des großen Bruders macht auch vor den Heckleuchten nicht Halt – statt dem angestammten Ârunden Zwillingspaar also 16:9-Rechtecke hinter Gitter. Das Frontlipperl hat man sich wiederum vom F40 abgeschaut, und dass der Âvordere Grill nur ein Dummie ist, weil die Kühler ja seitlich hinten Âsitzen, verärgert so manchen Puristen – vor allem weil die Firma zu Âdieser Zeit offiziell darauf besteht, dass „technische Anforderungen das stilistische Thema bestimmen und nichts nur einfach Dekoration ist“. Na ja.
Technisch macht der damalige Einsteiger-Ferrari freilich keine Kompromisse. Und das schon vom Aufbau her: Der Vorgänger 328 Âschultert seine Außenhaut noch auf einer Gitterrohr-Konstruktion, der 348 vollzieht den Schwenk zum Monocoque mit hinten angeschraubtem Motor-Rahmen. Dann der Antriebsstrang: Motor längs, ÂGetriebe quer – bei Magnums Leihwagen und dem späteren Update war es genau umgekehrt. Das tb als Namenszusatz für das Coupé rührt von dieser Anordnung: trasversale berlinetta. Ins Deutsche eher trist mit Quer-Coupé zu übersetzen – obwohl wir später feststellen werden, dass das im übertragenen Sinn schon passt. ts kennt der bemitÂleidenswerte Teil der Menschheit nur als Burger-GarÂÂnierung mit Tomate und Salat. Der glückliche Rest weiß es als Kürzel für die Targa-Variante des 348 zu schätzen, in Langschrift natürlich trasversale spider.
Dass er der letzte V8-Ferrari sein würde, den es ausschließlich mit Kulissen-Schaltung geben wird, weiß der 348 natürlich noch nicht – allein das macht ihn aber schon zu etwas BesondeÂrem. Das Zweikreis-ABS, damals noch als Hausfrauen-Equipment verÂschrien, verzeihen ihm zunächst nur die wenigsten – zumindest, bis sie es das erste Mal brauchen. Noch eine Komfort-Premiere ist die KlimaautoÂmatik, über die sich das Urteil der Sportlerherzen ähnlich wandelt, wenn sie erst einmal in ihren Genuss gekommen sind. Ihre letzte Vorstellung feiert im 348 hingegen eine besondere Abwesenheit: die Servolenkung – seit dem Nachfolger F355 wird auch in ÂMaranello nur noch kraftunterstützt gelenkt.
Der Rundgang um den Spät-Achtziger-Boliden aus der Wittner Car Collection in DieÂtach nahe Steyr straft die Kritiker von damals erst einmal als Ignoranten ab. PininÂfarinas Umsetzung der VorÂgaÂben von Ferrari Chef-Designer Leonardo Fioravante präsentiert sich wie vom Meister nicht anders zu erwarten: elegant, schnörkellos und in sich schlüssig. Die Bezeichnung „Panorama“ mag für die eher knapp bemesÂsene Heckscheibe eventuell etwas überzogen sein – obwohl sie es wegen ihrer U-Form schon verdient hätte. Die diskreten Seitenblinker vom guten alten Fiat 124 zieren natürlich auch diese Ferrari-Flanken. Sie tun es übrigens noch heute beim fernen Enkel Roma, wenn auch inzwischen mit LED-Bestückung.Â
Verblüffend, wie verdammt kompakt der 348 eigentlich ist. Auf die Außenlänge kommt heute ein VW T-Roc, das aber mit gut fünfzehn Zentimeter mehr Radstand – und gleich viel Gewicht. Wie viel mehr Spaß da mit einem V8-Mittelmotor drin steckt, lässt sich leicht erahnen. Wer schon am Öffnen der Tür scheitert, ist für die Gaudi – streng nach Darwin – eventuell nicht geeignet. Daumen auf den Taster und zugleich ein Griff in die oberste ÂRippe: Für Langfinger locker zu bewältigen, mit Stummel-Bratzen aber ein Problem. Innen angekommen liegt das Cockpit nicht vor dem Fahrer, es umhüllt ihn – alles da und in Griffweite, die ÂInstrumente schlicht und informativ, links Tacho, rechts Drehzahlmesser, mittig die Wassertemperatur, Ölthermometer und Tankuhr in der Konsole. Die verchromte Schaltkulisse, eine der schönsten Reminiszenzen aus der Pulverdampf-Ära. Das Radio mit Klappdeckel davor ist ein Zeitzeichen der Robbing Eighties, hier aber auch skurril: Wer bricht in einen Ferrari ein und klaut dann nur das Radio? An der Demontage des Hardtops versucht man sich am besten erst einmal unbeobachtet – es will eventuell nicht gleich lässig von der Hand gehen. Auch, wenn es nur zwei Hebel sind: Empfohlen wird die Verwendung von vier Händen.
Startknöpfe sind neumodisches Zeug, hier gibt’s noch das Schlüssel-Erlebnis. Im Kaltlauf klingelt und kreischt der V8 fast wie eine Ducati Desmo – schrill und meÂÂchanisch. Hat das Ding erst einmal Betriebstemperatur, ändert sich das in einen runden und molligen Lauf mit schönen ÂObertönen. Für den Abruf der vollen 300 Pferde gilt es mindestens 7200 Umdrehungen anzupeilen – kein Mensch mit Herz macht so was, wenn die Öltemperatur es nicht abnickt. Gleiches gilt übrigens für das Getriebe: Am Beginn ist es hakelig und bockig. Aber warmgelaufen klacken die Gänge sauber durch die Kulisse, als könnten sie gar nicht anders. Die Handbremse hat ein gehässiger Ingenieur zwischen Pilotensessel und Schweller montiert – beim zweiten Anfahrversuch merkt man es sich dann.
Auch wenn vorne außer den Radaufhängungen kein ÂGewicht drückt, ist die servoÂlose Lenkung am Stand erst einmal eine Ãœberraschung – was sind wir inzwischen doch alle für Weicheier geworÂden! Kaum ist der 348 aber in Bewegung, ist es die beste Lenkung der Welt: präzise, aufregend direkt und mit einem Feedback, das keine – schon gar elektrische – Servo-Variante je schaffen wird. Der ÂMotor arbeitet sich derweil zu einem schönen Crescendo hoch, man Âertappt sich beim unmotivierten Zurückschalten, um das mehr und Âlänger auszukosten. Die ungekrümmte, lineare Kraftentwicklung eines Saugmotors kennt heute kaum mehr jemand, wir leben in Zeiten kurzatmiger Turbos. Dabei geht es nicht nur um das Hochdrehen und Beschleunigen – auch beim Bremsen und Runterschalten sammelt der Sauger ein Mitarbeitsplus für ordentlich Motorbremswirkung und sauberen Drehzahl-Abbau. Die wahrscheinlich größte Stärke des 348 ist aber seine Beweisführung, dass die schönste Verbindung zwischen zwei Punkten nun einmal eine Kurve ist. ÂSparen wir uns das ganze Fahrzeugbalance- und Kraftvektoren-Blabla – das Ding hängt sich einfach so gierig in jede Biegung, dass es eine helle Freude ist. Und bei Bedarf auch mit gut kontrollierbarem Heck-Schlenker – so weit zum Thema quer. Was heute an Âdigitalem Aufputz her muss, um den Begriff ÂFahrmaschine zu rechtfertigen, ist hier einfach analoge Realität. Rundenzeiten mögen andere brechen, tu felix Ferrari, fahr einfach.
Womit es schließlich die eingangs gestellte Frage zu beantÂworten gilt: Wo der 348 genau hin gehört. Sein Design mit Â80er- Jahre-Mascherl werden die, die live dabei waren, wahrscheinlich anÂders bewerten als jüngere. Sagen wir so: Es ist ein Alleinstellungsmerkmal, nicht klassisch, aber auch nicht mehr modern. Technisch war der knackige Renner seinen Mitbewerbern eindeutig voraus – nicht weil er dafür mehr Aufwand betrieben hat, sondern weil die Ingenieure genau wussten, was es braucht, und alles andere weggeÂlassen haben. Fahrerisch kann dem 348 kein Konkurrent das Wasser reichen. Selbst Hondas damaliger High-Tech-Ãœberflieger NSX heimst zwar jede Menge Respektnoten ein – wenn es am ÂEnde ums Spüren und Fühlen geht, kann er dem technisch weniger gefinkelten Ferrari aber nicht das Wasser reichen. Das Gleiche gilt für die herrlich eigensinnigen Konkurrenten von Lotus und sogar ÂPorsche – der frühe 911 Turbo etwa war zwar ein Aufreger, sein techniÂsches Setup aber nicht annähernd so harmonisch. Der 348 spannt somit ganz selbstverständlich den Bogen von der Klassik zur Neuzeit – und was, wenn nicht pures Fahren ist es, das einen Ferrari ausmacht?
Daten & Fakten
Neupreis 1990 in € (ca.) | 107.415,– |
Zyl./Ventile pro Zyl. | 8/4 |
Hubraum in ccm | 3405 |
PS bei U/min | 300 bei 7200 |
Nm bei U/min | 324 bei 4200 |
Getriebe | 6-Gang-Schaltgetriebe |
L/B/H, Radst. in mm | 4230/1894/1170, 2450 |
Kofferraum/Tank in l | 200 / 95 |
Leergewicht in kg | 1400 |
0–100 km/h in sec | 5,6 |
Spitze in km/h | 275 |
Normverbrauch (90/120/Stadt) | 8,4/9,5/17,7 |
CO2-Ausstoß in g/km | – |