Als Lada in Österreich ein Bestseller war

10. April 2021
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Der Mittelklassewagen Lada 1500, eine russische Lizenzproduktion des längst eingestellten Fiat 125 aus dem Schiguli-Werk in Togliatti, war schon bei seiner Premiere Mitte der siebziger Jahre ein hoffnungslos veraltetes, rückständiges Auto, zumindest nach westlichen Maßstäben. Immerhin: Der Lada bot viel Platz im Innen- und Kofferraum. Und war konkurrenzlos billig.

Letzteres dürfte auch einer der Gründe dafür gewesen sein, warum sich der sowjetische Fiat-Ableger österreichweit bald in die Bestsellerlisten drängte. Mit aggressiver Werbung auf Plakaten und in den Zeitungen (Motto: Alle sind blöd, die ein teureres Auto kaufen) entwickelte sich der Lada in Österreich überraschend zum Verkaufsschlager in seinem Marktsegment. Angesichts dieses Erfolges hatte der tüchtige Lada-Verkaufsdirektor Gerhard Mühlauer damals allen Ernstes geglaubt, sein Lada sei ein unschlagbares Klasse-Auto.

Umso entsetzter war er, als der Lada bei einem Vergleichstest des „Kurier“ abgeschlagen Letzter wurde. Aufgeregt drohte Mühlauer, er war der Marketing-Stratege des Lada-Importeurs ÖAF, dem „Kurier“ mit Klage, ehe ihn eine Glosse in der Tageszeitung unvermutet gnädig stimmte. Geschrieben hatte sie Martin Maier, der große Sprachästhet, der regelmäßig auch Auto-Geschichten für den „Kurier“ verfasste. MM, wie sich Martin Maier nannte, liebte es, nicht die Siegerwagen der Vergleichstests zu bewegen, sondern die Verlierer. Das schien ihm journalistisch die größere Herausforderung zu sein.

Und so äußerte sich Martin Maier in der „Kurier“-Ausgabe vom 8. Mai 1976 über den Lada:

„Da ist das Fahrverhalten: Erst will die* dickschädlige Lada nicht hinein in die Kurve, dann will sie nicht heraus……Da ist die Kupplung: Der linke Fuß wird Schwerarbeiter. Doch darin steckt erzieherischer Wert. Wer die Todsünde begeht, bei Rotlicht an Kreuzungen den Gang eingerückt zu lassen und das Pedal zu treten, der lässt’s bald erschöpft sein.“

Und, in Zeiten des lebendigen Kommunismus klang das beinahe literarisch: „Wenn man die Lada für längere Zeit abstellen will, soll man es laut Betriebsanleitung in einem dunklen Raum tun. Das klingt nach endloser Abwesenheit des Besitzers. Wer weiß, wo er sich herumtreibt. Wo er herumgetrieben wird.“

Und dann, offenbar für jene Leser, die ein solches Auto besaßen: „Wem steht die Lada gut zu Gesicht? Starken Männern. Drum lieben Frauen Lada-Fahrer.“

Bald meldete sich der Lada-Verkaufschef Mühlauer bei mir am Telefon. Er war auf mich, der ich für die Punktewertung der „Kurier“-Tests verantwortlich war, verständlicherweise nicht besonders gut zu sprechen. „Aber immerhin“, sagte er zu mir, „gibt es bei Ihnen in der Zeitung auch einen Journalisten wie den Martin Maier, der wirklich etwas von Autos versteht und erkannt hat, dass unser Lada ein Spitzenprodukt ist.“

*Der weibliche Artikel für Lada war in den 70er-Jahren üblich.

www.buch-effenberger.at

Foto: Paul Schulze / flickr.com