E-Fuels: neue Entwicklungen bei klimaneutralen Kraftstoffen

14. Oktober 2021
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In einem TV-Interview wurde Österreichs Klimaschutz-, Umwelt- und Mobilitäts-Ministerin Leonore Gewessler (Die Grünen) minutenlang gelöchert, wann denn hierzulande ein Neuzulassungs-Verbot für Autos mit Verbrennungsmotor zu erwarten wäre? Gewessler verwies darauf, dass das eine europäische Angelegenheit und demnach von der EU-Kommission zu klären sei. Letztlich nannte sie aber doch ein Datum: „Rund um 2030“.

Klar ist für die Ministerin die künftige Verteilung der Antriebsarten: Pkw sollen batterie-elektrisch unterwegs sein („klima­freundlicher, sauber, leise“), der Lkw-Schwerverkehr Wasserstoff-elektrisch via Brennstoffzelle. Und über die sogenannten E-­Fuels – jene aus Wasserstoff plus CO2 hergestellten flüssigen Kraftstoffe, die es sämtlichen Verbrennungsmotoren ermöglichen, CO2-neutral unterwegs zu sein – sagt sie: „E-Fuels werden wir brauchen. Für den Flug- und Schiffsverkehr, aber nicht für Pkw“.

Dem entgegen stehen die Worte von Sebastian Kurz (ÖVP) zu diesem Thema. Bei einem Termin mit Automobil-Experten soll er (zu diesem Zeitpunkt als Bundeskanzler) für Technologie-Offenheit eingetreten sein. Danach erklärte das Bundeskanzleramt offiziell gegenüber der APA: „Ziel ist Elektromobilität ohne Atomstrom sowie Motoren mit synthetischen, CO2-neutralen Treibstoffen. Am Weg zur Klima­neutralität ist nicht der Motor entscheidend, sondern der Treibstoff.“ Ob Kurz, inzwischen zwar nicht mehr Kanzler, aber immer noch ÖVP-Chef, wegen eines solchen Themas gewillt ist, auf Konfrontationskurs mit seinem Koalitionspartner zu gehen, wird sich erst zeigen.

Jürgen Rechberger, Leiter Wasserstoff-Technologie der AVL List, bricht jedenfalls eine Lanze für E-Fuels im Pkw-Bereich als Brückentechnologie: „Will die EU ihre Klimaziele erreichen, muss sie nach jedem Strohhalm greifen. Da es unmöglich sein wird, den gesamten Fahrzeugbestand bis 2040 auf Elektromobilität umzustellen, wird man eine Lösung für alle existierenden Verbrenner-Fahrzeuge brauchen – eben E-Fuels.“

Wie E-Fuels funktionieren

Zur Herstellung von E-Fuels wird zunächst via Elektrolyse aus Wasser unter Einsatz von elektrischem Strom der Wasserstoff abgeschieden und dieser dann unter Zugabe von CO2 im Fischer-Tropsch-Verfahren synthetisiert, also verflüssigt.

Jürgen Rechberger forscht seit sieben Jahren am neuartigen Verfahren der Hochtemperatur-Elektrolyse, das den Wirkungsgrad der Wasserstoff-Extraktion aus Wasser auf 80 Prozent erhöhen soll, der Strombedarf sinkt gegenüber herkömmlichen ­Verfahren um rund ein Drittel. Rechberger: „Unsere ein Megawatt starke Demo-Anlage, die etwa 500.000 Liter E-Fuels im Jahr produziert, wird Ende 2022 in den Probebetrieb gehen.“

In der Realität sollen sich die Synthese-Anlagen – in Form von schnell aufbaubaren Containern – bei diversen Industriebetrieben ansiedeln, denn direkt an Abgasanlagen beträgt der CO2-Gehalt bis zu 20 Prozent, während es in der Atmosphäre nur 0,04 Prozent sind. Da Betriebe im Zuge des EU-Emissionshandelssystems derzeit 25 Euro Strafe pro emittierter Tonne Kohlendioxid bezahlen müssen, könnten jene einen Teil der aufgrund der „CO2-Abnahme“ ersparten Strafen an die E-Fuels-Hersteller überweisen.

Viel wird laut Rechberger davon abhängen, ob E-Fuels von der EU künftig als CO2-Nullemittenten für den Flottenverbrauch anerkannt werden. Allerdings benötigt die Herstellung des synthetischen Sprits sehr viel Strom und ergibt nur dann Sinn, wenn dieser aus erneuerbaren Energien kommt. Da die Infrastruktur dafür erst ausgebaut werden muss, kann man fossile Treibstoffe nicht auf einen Schlag durch E-Fuels ersetzen, man muss mit einer Sprit-Beigabe beginnen.

Zudem gibt es starke politische Stimmen – auch jene von Leonore Gewessler –, die es für „Verschwendung“ halten, Strom aus regenerativen Quellen für E-Fuels zu reservieren, wo man diesen doch gleich für batterieelektrische Fahrzeuge verwenden könnte.

Antriebe versus Energiespeicher

Leider gilt: Je effizienter der Antrieb, desto mühsamer wird die Sache mit der Speicherung des Kraftstoffs und um­gekehrt. Der Elektromotor ist dabei Effizienz-Kaiser: Sein ­Wirkungsgrad beträgt rund 95 Prozent, er wandelt also beinahe die gesamte ihm zugeführten Energie in Leistung um. Füttert man ihn ohne Umweg mit Strom, was den höchsten Gesamtwirkungsgrad bringt, muss er sich aber mit einer Batterie herumschlagen, die seinen Qualitäten so gar nicht gerecht wird: Abseits der energieintensiven Herstellung und Entsorgung wiegt ein 100-kWh-Akku rund 700 Kilo – und speichert gerade einmal so viel Energie wie zehn Liter Diesel.

Setzt man Wasserstoff als Energieträger ein – via Elektromotor und Brennstoffzelle –, sind die Wirkungsgrad-Verluste schon höher. Zunächst kostet die Herstellung des Wasserstoffs aus Strom Energie, und auch der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle liegt bei maximal 60 Prozent. Wasserstoff-Tanks sind viel leichter als Batterien, das flüchtige Medium muss aber unter enormem Druck gespeichert werden, was hohen technischen Aufwand bedeutet.

E-Fuels wiederum benötigen derzeit den fünffachen Energieaufwand gegenüber direkter Stromzufuhr. Und dann betreibt man einen Motor, der es auf einen Wirkungsgrad von nicht einmal 50 Prozent bringt. Der große Vorteil ist jedoch, dass man damit sämtliche existierenden Verbrenner versorgen kann, und dass die Energiedichte des Kraftstoffs hoch ist wie gewohnt. Auch an den schnellen Tankvorgängen und deren Infrastruktur ändert sich nichts.

Preislich sind E-Fuels mit ­hypothetischen fünf Euro pro Liter derzeit uninteressant. Bei entsprechend großflächiger Herstellung sieht AVL-Ingenieur Rechberger allerdings einen Preis von 1 bis 1,50 Euro pro Liter als möglich an.

Foto: Audi