“Defeat Device” oder “Schummelsoftware” dürfte wohl für die Modeworte des Jahres 2016 ziemlich hoch im Kurs stehen. Schon beim Ausbruch der ersten, großen Diesel-Skandal-Welle wurde eine solche Software in VW-Motoren gefunden. Sie taten nichts anderes als zu analysieren ob der Wagen gerade auf einem Prüfstand gemessen oder doch normal gefahren wird und passten dementsprechend die Motorsteuerung an. Nun wurde eine bisher unbekannte, solche Software im Laufe des Sommers von der kalifornischen Umweltbehörde Carb auch bei einem Audi mit V6-Motor entdeckt.
Diesmal wirkt sie allerdings nicht auf den Motor, sondern das Automatik-Getriebe. Es überwacht den Lenkwinkel des Autos und passt dementsprechend die Software des Getriebes an. Konkret: Wird das Lenkrad nie mehr als 15° gedreht, geht das Auto von einer Prüfstandmessung aus und versetzt das Getriebe in den speziellen und besonders effizienten Schaltmodus, der für Benzin- und Dieselmotoren gleichermaßen half besonders niedrige CO², NOX und auch Verbrauchswerte zu erreichen.
Laut dem Bericht der deutschen Bild am Sonntag hatte Audi dieses System bereits jahrelang im Einsatz, stellte deren Verbau allerdings im Mai 2016 ein. Zudem seien mehrere, verantwortliche Techniker suspendiert worden.
UPDATE // 15.11.2016:
Weitere Berichte von Reuters und der Süddeutschen Zeitung bringen interessante, neue Faktoren ans Licht. So habe VW bereits am 5. November mit dem Kraftfahrtbundesamt Kontakt aufnehmen müssen und sollte einige der aus den USA durchsickernden Behauptungen erklären. Das Ergebnis dieser Gespräche ist ein zehnseitiges Dokument aus dem Bereich Rechtswesen mit dem Titel Rechtliche Bewertung “Warmlaufprogramme”. Das spannende: Darin wird nicht nur über die Getriebevorwürfe gesprochen, sondern auch über andere Software-Anpassungen, die vor allem im Testbetrieb zu deutlich niedrigeren Schadstoffzahlen führen. Diese Warmlaufphase läuft in drei Stufen. Die höchste davon, so VW, wird “unter Testbedingungen nahezu immer aktiviert” (…) “Unter normalen Fahrbedingungen kommt es demgegenüber nur äußerst selten zur Aktivierung … der Stufe 3.”
Aber auch zum Automatik-Fall wird freilich viel Neues gesagt – und vor allem auch von VW eingestanden, dass es hier Unregelmäßigkeiten gibt. So wird nie bestritten, dass es diese Software gab. Mehr noch: es wird sogar eingeräumt, dass die Fahrkonditionen, unter denen das Getriebe die besonders niedrigen Schaltpunkte verwendet (und damit Schadstoffe und Verbrauch einspart) auf der Straße so gut wie nie erreicht werden. Zudem sagt VW, dass der rechtliche Hintergrund “zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar” sei. VW bzw. Audi müssen dies noch im Detail mit dem KBA besprechen.
Oliver Zoffi
( 9. November 2016 )
Bei einem Bericht von “BILD” wäre ich doch eher vorsichtig .. aber auch http://www.ingenieur.de/Themen/Automobil/Audi-zweiter-Betrugssoftware-CO2-Werte-manipuliert berichtet darüber. Bin gespannt was da noch so alles ans Tageslicht kommt.
Wobei wir ja alle wissen, dass aufgrund der sehr optimistischen Werks-Verbrauchsangaben, die mit der Realität so gut wie nie übereinstimmen, auch alle anderen Angaben wie eben Abgaswerte nicht stimmen können 😉
Mozl
( 10. November 2016 )
Mein lieber Olli, man muss das bitte unterscheiden:
Bei den Verbrauchsmessungen wurden entsprechend den gesetzlichen Vorgaben Laborwerte erhoben. Das war und ist zulässig.
Bei den Abgasen wurde eine Manipulationssoftware eingesetzt um gesetzliche Vorgaben zu umgehen. Das war und ist unzulässig.
Oliver Zoffi
( 10. November 2016 )
Hm – ich dachte beides wurde im Labor erhoben und die Abgaswerte hängen mit den Verbrauchswerten zusammen …
Man kann doch nicht weniger an Abgas ausstoßen, als man verbraucht oder umgekehrt?!
Das nun das Eine zulässig ist, das Andere aber nicht – “lustig”, oder?
Rolex
( 10. November 2016 )
Ein gutes (aus persönlicher Sicht) hatte der Abgasskandal: ich habe kapiert, dass Schadstoffe nicht gleichsam mit dem Verbrauch steigen (das gilt nur für CO2).
Mozls Statement ist wie immer spitzfindig – und ich kann diesmal auch nicht widersprechen.
Fakt ist, dass Labor-Verbräuche mit Praxis-Verbräuchen relativ wenig gemein haben.
Fakt ist auch, dass die Fahrzeuge aber auch in der Praxis viel sparsamer geworden sind, als noch vor ein paar Jahren – auch wenn die Labor-Werte in der Praxis kaum erreichbar sind.
Und auch ein Fakt ist, dass die Hersteller mit allen erlaubten – und teilweise eben auch verbotenen – Tricks arbeiten, um Verbrauchs- und Schadstoff-Messungen zu beeinflussen.
Mich wundert nur, dass es um andere mutmaßliche “Betrüger” neben VW so schnell so still geworden ist (Opel, Renault,…)
lg
Rolex
Mozl
( 11. November 2016 )
Guten Morgen Olli, Stickoxide hängen nicht mit dem Verbrauch zusammen. Das tut nur CO2.
Oliver Zoffi
( 11. November 2016 )
Und das ist gesünder ;P ?
Mozl
( 11. November 2016 )
Nein, lieber Olli, das sicher nicht. Das Problem ist halt, dass sich Stickoxide über dem Boden sammeln und man sich dort messen kann. Deshalb gibt es bei uns die 100er-Beschränkung in Salzburg. In Deutschland wird es deshalb bald Fahrverbote zumindest in Teilen von Städten geben. Es gibt keine andere Maßnahme dagegen.
CO2 hingegen schädigt hingegen die Ozonschicht.
Ich würde das so zusammenfassen: Die Hersteller. die Politik und die Medien haben bewusst immer nur über CO2 geschrieben bis die Stickoxide zu so einem großen Problem geworden sind, dass man es nicht mehr verschweigen konnte.
Oliver Zoffi
( 12. November 2016 )
Das Schlimme dabei ist, dass wir Endverbraucher von allen Seiten beschi…n werden und uns die Medien nur mit solchen Informationen füttern, wie man uns steuern will! Was nicht wirklich zum Wohl des Endverbrauchers und der Umwelt ist.
Einige Technologien mögen auf dern ersten Blick der “heilige Kral” sein – aber sind sie das wirklich? Was wird man uns in 10 verkaufen?