ALLES AUTO Lese-Tipp: DAMALS Als Sex noch sicher und die Formel 1 gefährlich war

2. November 2018
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Der Erfinder der „Ennstal Classic“ erfand in seinem Leben davor einen modernen Motorsport-Journalismus Wiener Prägung. Jüngeren Lesern könnte das bisher entgangen sein, weil Helmut Zwickl seit 1993 jedes Schriftstück mit „Bei der heurigen Ennstal Classic…“ eröffnet. Ganz ohne seinen running gag zwischendurch kommt er nicht mehr über die Runden. Zwickl (soeben 79 ge­worden) bedient uns in seinem neunten Buch seit „Die Angst bleibt an den Boxen“ von 1967 mit abgründigen Hintergründen von „Damals“.

Damals, als Hans Hermann 1959 beim Anbremsen der Mordkurve im Norden der Berliner Avus aus seinem abfliegenden BRM flog, wie das spektakuläre Titelfoto von Julius Weitmann zeigt. Damals, als die Rauchgiftbranche von John Player (Lotus) bis Marlboro (McLaren) die Formel 1 finanzierte, genauso wie die Sportgummi-Industrie (Durex) den Surtees-Rennstall – beides heute undenkbar. Wie auch, dass den Weltmeister-Williams von Alan Jones 1980 mit „Albilad“ die Baufirma der saudischen Familie Bin Laden sponserte…

Damals, als Helmut Zwickl in 40 Jahren von 560 Grand- Prix-Rennen berichtete. Als die Langstrecken-Schlachten zur Marken-Weltmeisterschaft zwischen Sizilien und der Eifel, zwischen Le Mans und Florida oft noch bunter waren als die Formel 1. Und die war, viel weniger einfältig als heute, von genialen Bastelfirmen durchsetzt. Auch der ­verschrobenste Freak findet in diesem Buch irgendetwas, das er besser zu wissen glaubte.

Nicht zu viele Bilder, die aber gut gewählt. Vier von Alois Rottensteiner (1939–2013) aus jener Ära, als Fotograf und Reporter auftraten wie Bud Spencer und Terence Hill im Kino. Minimalistisch die Bildtexte – ein Buch über „Damals“ im Stile der Bücher von damals. Ein Favorit? Der Ferrari 250 GTE 2+2 der Mutter des Wiener ­Herrenfahrers und Rennstallbesitzers Curd Barry-Bardi ­
vor deren Villa in Vicenza; Ferraristi werden im Bildtext die Chassisnummer des Wagens vermissen. Der Deutsche Michel Schumacher posiert am Hof von Fiorano ­vor einem 575 M – auch hier ohne Chassisnummer, Ferraristi rasten da aus.

Ausrasten darf sich Helmut noch nicht. Nächstes Jahr, zu seinem runden 80er, erwartet die Welt eine Pre­mi­um-Auflage des Buches zum doppelten oder dreifachen Sonderpreis dieser Volksausgabe: mit mehr Fotos und vielleicht sogar farbigen. Wo man den Lotus 72 von Jochen Rindt im rotgoldweißen John Player Gold Leaf-Dress wird sehen können und jenen von Ronnie Peterson oder Emerson Fittipaldi im schwarzgoldenen John Player Special-Look – zwei Ikonen der Marketing-Geschichte, wie sie auch die Werber von Premium-Kampagnen so gerne ­haben. Den blauweißen Tyrrell mit den sechs Rädern. Und den rotweißroten Ferrari 312 T von Clay Regazzoni, dem Tes­siner Macho-Playboy, neben dem blassen Professor ­Lauda. Mit ausführlichen Bildtexten – und den Chassisnummern für pitzelige Ferraristi. Einstweilen tröste man sich mit dieser Volksausgabe um 26 Euro. Jeder Wiener Parkraumüberwachungsschein kostet mehr.

Hier können Sie das Buch direkt kaufen: https://www.morawa-buch.at/detail/ISBN-9783950323566/Zwickl-Helmut/DAMALS

Helmut Zwickl/DAMALS. Als Sex noch sicher und die Formel 1 gefährlich war

€ 26,–, 176 Seiten, zahlreiche Fotos, gefco Verlag Wien.
Erhältlich in Buchhandlungen und Online-Buch-Shops

ISBN 978-3-9503235-6-6

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