Autohändler und Schlitzohr: Koltay, die Zweite

15. April 2020
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Kürzlich schilderte Günther Effenberger den nicht ganz geglückten Gebrauchtwagen-Deal zwischen Harald Juhnke und Georg Koltay. Rund um das Wiener Autohändler-Unikat Georg Koltay (Portraitbild oben) ranken sich viele Gerüchte & Geschichten. Eines war der stets braungebrannte Lebe­mann auf jeden Fall: ein genialer Verkäufer. So erzählt man sich, dass der Hob­by-Rallye­fahrer einmal vor dem Beginn einer Sonderprüfung dem Zeit­nehmer an der Startlinie aus dem Rennwagen heraus einen Renault verkauft haben soll.

Gleich nach meinem Führerschein-Erwerb 1990 war Koltays Verkaufshaus im 19. Bezirk in Wien eine beliebte Anlaufstelle zum „Auto­schmie­ren“ (so nannten wir damals das interessierte Beäugen von automobilen Schätzen). Nach einer flotten Fahrt über den Gürtel einen Streifzug durch das bunte Angebot im Hinterhof des Betriebs zu unternehmen, wurde bald zur freitag­abendlichen Routine. Obwohl es Woche für Woche nicht viel Neues zu erspä­hen gab, denn die raren Stücke standen sich in der Regel die Reifen platt im Kies – die meisten Autos hatten wahrscheinlich keinen Typenschein mehr, sondern längst einen Meldezettel in 1190 Wien.

Leisten konnte ich mir eigentlich keines der Autos dort, doch manche der im Freien gepark­ten Exemplare schienen finanziell zumindest in greifbarer Nähe. Doch schon damals war ich mir des Koltay’schen Rufs bewusst und ließ meine Finger davon. So erging es mir zum Glück nicht wie Omar Shoukry. Der Wiener Sportjournalist hatte an der berühmt-berüchtigten Adresse einen be­tagten 911 erworben, nach wenigen hundert Metern krachte der Motor durch die verros­te­te Aufhängung auf die Straße. Auch einen ganz honorigen Kollegen traf es: Hel­mut Zwickl erstand bei seinem „Freund“ Georg Koltay einen Lambor­ghini Islero, den er zehn Jahre mit Joschi Borka restaurieren musste, bevor er fahrbereit war. Immerhin besitzt der Doyen des heimi­schen Motorsport-Journalismus den roten Stier heute noch.

Meinen ersten persönlichen Koltay-Kontakt gab es dann als ALLES AUTO-Re­dakteur. Im Oktober 1996 fasste ich in der Heiligenstädter Straße 64 ein neues Ford Mustang 4,6 Cabrio für eine Story aus – Georg Koltay hatte den Wagen als Grauimporteur ins Land gebracht und wollte ein wenig Pferde-PR generieren. Der Chef selbst übergab mir den V8-Ami. Auf meine Frage, ob der Wagen denn eh kasko-versichert sei, antwortete der Exil-Ungar: „Obär notirlich!“. Nach dem Fotoshooting mit dem legendären Knipser Alois Rotten­steiner zurück in der Re­daktion, ereilte mich der Anruf der Koltay-Sekretärin: Der Chef habe sich geirrt, für den Wagen gebe es nur eine Haftpflicht. Nach Erscheinen des kritischen Berichts (siehe Faksimile unten – zum Vergrößern bitte aufs Foto klicken) hatte Georg Koltay offenbar nicht viel Freude damit. Ob das der Grund war, warum er mir die Benzin­spesen nicht wie branchenüblich refun­dierte – oder bloß seine bekannte Knausrigkeit?

Ein paar Monate später musste ich ein Auto verkaufen, um das es mir heute leidtut: einen blauen Renault R5 GTE. Den sechs Jahre alten Gebrauchten hatte ich als cooles Fortbewe­gungs­mittel für meine damalige Freundin gekauft, und nachdem die Lady Geschichte war, sollte der kleine Franzosen-Sportler weg. Wie damals üblich, wurde der Wagen im Anzeigenblatt Bazar inseriert, recht bald schon hatte ich als ersten Interessenten eine Dame am Telefon. Ob es möglich wäre, den angemeldeten Wagen bei mir in Wien-Meidling abzuholen und damit in den 19. Bezirk zu fahren zu einer Überprüfung, ihr Vater habe dort nämlich eine Werk­statt. Kein Problem! Als die junge Frau kam, stellte sie sich mit „Koltay“ vor. „Sind Sie die Tochter vom…?“ Sie war es. „Richten Sie ihrem Vater bitte gleich aus, ich bekomme noch 500 Schilling von ihm“. „Mache ich, aber ich kann Ihnen sagen, meiner Mutter schuldet er noch viel mehr.“ Drei Stunden später war Frau Koltay wieder zurück, den Wagen hatte sie gleich in der Werkstatt ge­lassen, denn er war soweit OK. Der Deal wurde formal besie­gelt, Bargeld gegen Typenschein getauscht. Zum Abschied erlaubte ich mir noch die ent­schei­dende Frage: „Haben Sie im Fahrzeug-Angebot Ihres Herrn Papa nichts Passendes ge­funden?“ Die Antwort kam prompt: „Bei meinem Vater? Dort würde ich nie ein Auto kaufen!“

Fotos: © Wilfried Fila/Sündhofer; Bigstevet/Wikipedia