Bio-Kraftstoff statt E-Fuel? Benzin und Diesel, die aus land­wirtschaftlichen Abfällen gewonnen werden, sollen rascher zur Verfügung stehen als künstliche Treibstoffe und bei der Erreichung der Klima-Ziele helfen. Ob die Rechnung aufgeht, erläutern wir in diesem Artikel.

Um 48 Prozent müssen die CO2-Emissionen aus dem Straßenverkehr gemäß Vorgabe der EU bis 2030 sinken. Mit einem Anteil sogenannter biogener Kraftstoffe in unserem Sprit ist das erreichbar, so die Aussage einer vom ÖAMTC beauftragte Studie, durchgeführt vom Grazer Bioenergieforschungszentrum BEST und dem Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut Economica. Allzu hoch bräuchte die Beimengung demnach gar nicht sein: Nur 6,5 Prozent beim B7-Diesel und 3,5 Prozent beim E10-Benzin. Deren „E“-Codierung gibt übrigens Auskunft über die schon jetzt realisierte Beimischungs von 7 Prozent Biodiesel und 10 Prozent Ethanol.

Bio-Treibstoffe sind per se also nichts Neues, als sogenannter Agrardiesel aus Raps- oder anderen Ölen werden sie vor allem für Fuhrparks in der Landwirtschaft schon lang genutzt. Die industrielle Herstellung geriet vor ­einigen Jahren mit dem Ankreiden von „Tank statt Teller“ in Verruf. Tatsächlich lässt sich über die Sinnhaftigkeit der Verwendung von Agrarflächen zum Anbau von Treibstoff-Rohmaterial streiten. Die neue Generation von Öko-Sprit sollte sich laut der oben genannten Studie mit derartigen Problemen auch gar nicht mehr auseinandersetzen müssen, da sie aus Biomasse wie Gülle, Klärschlamm und Pflanzen-Abfällen oder aus Gärungs-Rückstanden gewonnen wird.

Die Veröffentlichungen des Umweltministeriums weisen jedoch aus, dass 2022 nur etwa 7000 Tonnen Hydriertes Pflanzenöl, kurz HVO-Diesel genannt, in Umlauf gebracht wurden – gegenüber 420.000 Tonnen Bio-Diesel und 79.000 Bio-Ethanol. Letztere beiden werden international unverändert vor allem aus Rohstoffen der Primärlandwirtschaft gewonnen, also aus dafür angebauten Nutzpflanzen. Nur die Herstellung von Bio-Diesel in Österreich selbst ist mit einem Anteil von über 67 Prozent Alt-Speiseöl so gesehen tatsächlich nachhaltig.

Es gibt demnach viel Verbesserungspotenzial, der Aufbau der Infrastruktur ist aber vergleichsweise weniger aufwändig und zeitnäher zu verwirklichen als bei den E-Fuels. Der Energiekonsum in der Produktion wäre ebenfalls überschaubar: Je nach Verfahren fallen nur 1 bis 1,5 kWh je Liter biogenem Kraftstoff an, bei Diesel oder Benzin sind es aktuell mindestens 1,6. Ein weiterer Pluspunkt ist die Möglichkeit der lokalen Produktion, somit die Vermeidung von Transportwegen und Geldabflüssen ins Ausland.

Wie eng Licht und Schatten hier insgesamt jedoch beisammen liegen, verdeutlicht eventuell dieses Beispiel: Die Nutzung ihrer Ausscheidungen für die Sprit-Herstellung würde nebenbei auch die kritische Klima-Bilanz von Rindern verbessern – allerdings mit dem Manko, dass dazu statt Weide- wieder Stall-Haltung notwendig wäre. Die praktischen Vorteile überwiegen dennoch, unter anderem etwa, weil die biogenen Kraftstoffe – selbst in Reinform, also nicht nur als Beimengung – auch bei älteren Fahrzeugen unbedenklich in der Anwendung sind. Dazu kommt beim HVO-Diesel eine Reduktion der Stickoxid-Emissionen (NOx ) um bis zu 40 Prozent.

Die wirtschaftliche Komponente führt hingegen unweigerlich zur Frage der Besteuerung und CO2-Bepreisung: Derzeit wird je Liter B7-Diesel ungeachtet des biogenen Anteils von 7 Prozent die vollständige Mineralölabgabe von 39,7 Cent je Liter eingehoben – eigentlich müssten es 2,8 Cent weniger sein. Bei E10-Benzin liegt das faktisch illegitime, aber gesetzlich gedeckte Körberlgeld, das der Finanzminister für den Ethanol-Anteil miteinstreift, bei 4,8 Cent je Liter.

Ebenso nimmt die zusätzlich zur MÖSt eingehobene und laufend steigende CO2-Bepreisung auf die kohlendioxidneutralen Anteile im Sprit keinen Bezug. Die Studie geht für die zur Erreichung der Klima-Ziele notwendigen Bio-Beimengung von herstellungsbedingten Zusatzkosten von 9 Cent je Liter Diesel und 4 Cent je Liter Benzin aus. Bei einer korrekten Berechnung der Abgaben würden diese beim Diesel jedoch egalisiert, beim Benzin müsste es dadurch sogar zu einer Reduzierung des Gesamtpreises kommen.

Eine Schwachstelle der Studie ist die unrealistische Annahme eines Bestands von 1,1 Millionen Elektro-Pkw in Österreich bis 2030 für die Errechnung des Restbedarfs an CO2-Reduzierung durch die Bio-Kraftstoff-Beimengung. Aktuell sind es etwas über 155.000 Stück bei aktuell sinkenden Verkäufen, sodass der tatsächliche Bestand an E-Fahrzeugen in sechs Jahren wohl eher bei einem Drittel bis maximal der Hälfte der Studien-Annahme liegen dürfte. Dazu kommt das kürzliche Durchsickern des möglicherweise anstehenden EU-Rückziehers vom sogenannten Verbrenner-Verbot und das Fallen des willkürlich festgelegten Null-Emissions-Privilegs der E-Autos, womit auch die CO2-Ziele für den Verkehrsbereich faktisch neu zu definieren sind.

Was das Potenzial des Bio-Sprits jedoch keinesfalls schmälert, im Gegenteil: Eine tatsächlich ökologische sowie möglichst lokal organisierte Herstellung vorausgesetzt, ist er geeignet, beide Umstände auszugleichen, den gewohnten Grad an Mobilität zu bewahren und dazu die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten samt deren politischer Unzuverlässigkeit zu reduzieren.

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