Buchtipp: Kreisky, Lauda und andere – nicht nur lachhaft!

23. Juni 2020
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Wenn Günther Effenberger in einer Anmerkung zu seinem Buch „Einfach lachhaft – G‘schichten aus Wien und der Welt“, nicht ganz ohne Hochmut, meint, Anekdoten würden oft mehr über den Charakter bekannter Persönlichkeiten verraten als noch so wissenschaftlich-seriöse Biografien – wer das Buch liest, ist versucht, ihm allemal recht zu geben.

Die Gefahr, dass das Buch an die falsche Zielgruppe gerät, lässt sich solcherart freilich nicht ganz verleugnen. Aber was soll’s? Das zehn Seiten lange Porträt des legendären österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky zeichnet, fernab jeder Glorie, einen charismatischen Staatsmann, dessen Intellekt und humanistische Bildung man den derzeitigen Hampelmännern und Schnöseln in der heimischen Politszene – und nicht nur diesen – von Herzen wünschen würde. Kreisky „versammelte in seiner sozialistischen Alleinregierung junge Akademiker und alte Intellektuelle, klassenkämpferische Parteibuch-Sozis und abgehobene Adelige“ (Zitat Buch).

Wehmütig sehnen aufrechte Sozialdemokraten Kreiskys einstige Erfolgsgemeinschaft der blass-rot gefärbten Herzen auch heute noch herbei. Denn in der aktuellen, nach wie vor SPÖ genannten Partei versammeln sich derzeit nicht mehr allzu viele von ihnen. Dass Kreisky („Je älter ich werde, desto mehr links in der Gesellschaft stehe ich“, dozierte er damals) privat geradezu anachronistisch den konservativ-eleganten Lebensstil eines Feudalherrn pflegte, „er fuhr Zwölfzylinder-Jaguar, wohnte in der vornehmen Armbrustergasse in Wien, trug Hantak-Maßanzüge und Maßschuhe“ (Zitat Buch), nahm ihm damals keiner übel und passte ins Bild dieses Politik-Genies. Effenberger umreißt das Kreisky-Kapitel treffsicher mit dem wortspielerischen Titel „Die Quadratur des Kreisky“.

Dass der Autor als Gründer und langjähriger Herausgeber der Zeitschrift „Alles Auto“ an Ikonen wie dem dreifachen Formel 1-Weltmeister und Flugunternehmer Niki Lauda nicht vorbeischreiben konnte, versteht sich von selbst. Anders als klassische Lauda-Biografen malt Effenberger ein differenzierteres Bild des populären Kapperlträgers.

Dass der Rennanfänger Lauda von den meisten Zeitungsleuten (Effenberger zählt sich auch selbst zu den einstigen Zweiflern) ob seines vermeintlichen Untalents verlacht wurde, hat den Sohn aus prominenter Wiener Familie geprägt. Aber mit all seiner beeindruckenden Intelligenz und Schlitzohrigkeit hat er sie alle ausgebremst – zunächst nicht auf der Rennpiste, sondern im Ringen um Geld und Startplatz im Feld der Formel 1-Elite. Jeder andere hätte wohl aufgegeben, wenn ihm sein eigener Großvater den fixen Vertrag im letzten Moment vermasselte und ein eilig gekeilter Fast-schon-Sponsor die Geldzusage zurückzog und Lauda eine Zeitung auf den Tisch knallte, in der stand: Der Lauda ist eine Niete.

Lauda zog sie dann selbst alle über den Tisch: Rennstallbesitzer und Finanziers, die hochkarätigen Chefs ehrenwerter Fluglinien, er spielte die Politiker gegen die Manager aus und die Manager gegen die Politiker. Am Ende standen drei Weltmeistertitel, und ein Millionenhaufen Geld türmte sich auf seinem Konto. Lauda, der Verlierer von einst, war später immer der Gewinner. Die Rache eines Gedemütigten. Weniger lachhaft als tief ernst.

Wir lesen in dem Buch Geschichten über mehr oder minder eitle Schauspielgrößen, über berühmte Schriftsteller (Highlight: Thomas Bernhard und die Garderobenfrau), über kuriose Verleger, Chef- und sonstige Redakteure – da hatte Effenberger als langjähriger Journalist des „Kurier“, der „AZ“ und der „Ganzen Woche“ Heimvorteil beim Schreiben – und über unfreiwillig komische Fußballstars und bislang unentdeckt gebliebene Burgtheater-Historien.

Manchmal gleitet das Buch auch ins rein Komödiantische ab – aber dass deutsche und Schweizer Qualitätszeitungen den heutigen Tausendsassa und Medienliebling unter den Bühnenkünstlern, Tobias Moretti, 2009 nach seinem Faust-Debut einen „überforderten Schauspielschüler“ nannten, der „sich von Satz zu Satz hangelt“ („FAZ“ und „Neue Züricher“), und die Burg als „Scheißtheater“ (Ulrich Weinzierl in der „Welt“) abtaten, ist schon bemerkenswert und Effenbergers unerschrockenem Schürfen in den Archiven zu verdanken.

Trotz etlicher locker hingeworfener Anekdoten entpuppt sich das Buch doch als zarte Titelverfehlung – statt „Einfach lachhaft“ hätte der Verlag das Werk vielleicht „Heiter ernsthaft“ nennen sollen, zu viel Tiefgründiges steckt zwischen den Zeilen, vom unbedarften Leser nicht erwartet und möglicherweise auch nicht verstanden. Trotzdem, oder gerade deswegen, ist das Buch lesenswert.

Am Ende beweist der Autor auch selbst Humor, wenn er über seine Flugangst philosophiert und ein Dutzend Prominente als Seelenverwandte vor den Vorhang holt. Und sich damit tröstet, dass der britische Psychologe Karl Morris behauptete, Flugangst sei ein Zeichen von Intelligenz, Sensibilität und Kreativität. Und die wollen wir Effenberger ja nicht ganz absprechen.

Wendelin Narrowetz  

 

Günther Effenberger/„Einfach lachhaft – G’schichten aus Wien und der Welt“, 2. Auflage. Hardcover, 162 Seiten, zahlreiche Fotos, gefco Verlag, ISBN 978-3-9504760-0-2, € 26 ,–.

Erhältlich im Buchhandel und in Online-Buchshops

www.buch-effenberger.at