Wegen gesenkter Limits für den CO2-Flotten-Ausstoß drohen den Autoherstellern 2025 noch massivere Strafzahlungen als bisher – falls sie diese nicht zu umgehen wissen. Inzwischen bestehen jedoch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pönalen.
Erstmals seit 2021 sinken im kommenden Jahr wieder die Grenzwerte für den CO2-Durchschnitt aller verkauften Neuwagen. 15 Prozent weniger als die geltenden 115 Gramm machen künftig gerundet 98 Gramm – ein Limit, das aktuell nur die wenigsten Fahrzeuge unterbieten. Entsprechend hohe Verkäufe bei den auf dem Papier mit Null-Emissionen deklarierten E-Fahrzeugen könnten das wettmachen, insgesamt werden sonst für jede Marke 95 Euro je Gramm Überschreitung mal in der EU neuzugelassener Gesamtstückzahl fällig. Exklusive bestimmter Ausnahmen und Sonder-Bewertungen, die wir hier aber nicht berücksichtigen müssen – am großen Ganzen ändern sie auch nur marginal etwas.
Hersteller, die über diesem Limit liegen, können wie schon bisher auch weiterhin die Option des CO2-Poolings in Anspruch nehmen und ihre höheren Zahlen durch Gegenrechnung des Null-Wertes eines E-Auto-Produzenten nach unten drücken. Auf diese Weise macht etwa Tesla seine bislang wohl einzigen Gewinne – weil der Ankauf ihrer teuer feilgebotenen Zero-Emissions-Anteile für die anderen immer noch günstiger kommt als die Strafen. Als das schrittweise Absenken der Limits beschlossen wurde, geschah das allerdings in der Annahme, dass sich die E-Mobilität im gleichen Zeitraum entsprechend durchsetzen würde und die Grenzwerte weitgehend „auf natürlichem Weg“ erreicht würden.
Stattdessen kam, was jeder, der sich ernsthaft mit der Materie beschäftigt hat und den Markt richtig einschätzen konnte, vorausgesagt hat: Nach der Sättigung des nicht allzu üppigen Marktpotenzials sind die E-Auto-Verkäufe nun sogar rückläufig. Es können zunehmend weniger Neukunden gewonnen werden, dazu kommt nach einer Studie eine Rückkehrer-Quote von mindestens 25 Prozent der sogenannten Early Adopters, die wieder auf einen Benziner oder Diesel umsteigen.
Lange Zeit wurden diese sich eindeutig abzeichnenden Tendenzen ignoriert oder auch zu viel Glaube in die eigene Propaganda gesetzt – nun steht aber 2025 vor der Tür und damit erhöhte Strafzahlungen, die sich weder mit eigenen noch mit fremden E-Auto-Absätzen egalisieren lassen. Erreicht die Volkswagen-Gruppe im kommenden Jahr beispielsweise nur den heuer geltenden Grenzwert, so beträgt die Pönale etwa 16,2 Milliarden Euro – nur geringfügig weniger, als der Jahresgewinn des Konzerns 2023 betrug. Womit künftige Investitionen in Entwicklung oder Ökologisierung der Produktion praktisch ausgeschlossen sind und ein technischer wie auch wirtschaftlicher Stillstand droht.
Damit kommen auch Alternativen ins Spiel, die eigentlich absurd sind: Läge etwa Renault-Dacia 2025 ebenfalls 17 Gramm über dem neuen Grenzwert, so würde die Strafe bei rund 850.000 verkauften Fahrzeugen 1,35 Milliarden betragen. Stanzt das Unternehmen aber zusätzliche 150.000 elektrische Dacia Spring vom Band, wird das durchschnittliche Limit damit erreicht. Dank der günstigen Fertigung in China liegen die Herstellungskosten wohl unter dem Strafbetrag. Theoretisch könnten die Autos nach der Kurzzulassung auch verschrottet werden, mit reduzierten Jungwagen-Preisen lässt sich aber wohl nach gewisser Zeit sogar noch ein Bilanzgewinn einfahren.
Ähnliche Rechenbeispiele wären vermutlich für die meisten Hersteller und Marken möglich. Allerdings: Welchen Sinn machen Strafen, wenn sie so hoch ansetzen, dass die Umgehung durch das Hochfahren der Produktion, für die es aber keine Nachfrage gibt, günstiger kommt? Ganz abgesehen von der ökologischen Komponente durch Fabriksbetrieb, Transport und Rohstoff-Bedarf. In diesem Fall würde der Umwelt ein wahrer Bärendienst erwiesen, für den sich die Entscheidungsträger in der EU zu verantworten hätten.
Deren fachliche Qualitäten setzen aber eventuell noch tiefer an, als es angesichts all dessen schon anzunehmen ist. Einem Rechtsgutachten nach sind die Strafzahlungen der Hersteller an Brüssel nämlich unzulässig. In den Gemeinschaftsverträgen fehlt die Ermächtigung für derartige Maßnahmen gegenüber der Industrie, auch die Vereinnahmung durch den EU-Haushalt ist rechtlich nicht gedeckt. Nur die einzelnen Staaten selbst könnten Strafen verhängen, wofür nun aber erneut die Grundlage fehlt, weil das aktuell angewendete Regelwerk eben von und für die EU als Sanktions-Institution verfasst wurde – diese Rolle nun einfach an die Mitgliedsstaaten weiterzureichen, ist aber ebenfalls unzulässig.
Faktisch existiert also wohl gar keine rechtmäßig gültige Regelung und somit auch keine Strafbemessung. Die Hersteller könnten die bisher geleisteten Pönal-Zahlungen – bei den deutschen Autobauern waren es allein 2022 schon 3,68 Milliarden – sogar zurückfordern und auf Schadenersatz für die angekauften Null-Emissions-Anteile klagen. Oder diese Forderungen als Faustpfand für eine dringende Neuregelung verwenden, die sich an der Praxis orientiert – anstatt an unrealistische Fantasien.
Foto: Werk