Coronavirus: Autoproduktion läuft wieder an

16. April 2020
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Aktuelles

Die Regierungen Europas fangen zum großen Teil an, die strengen Beschränkungen des Coronavirus-Shutdowns insbesondere für die Wirtschaft langsam zu lockern. Ab Anfang Mai dürfen in Österreich auch die großen Autohäuser mit Verkaufsräumen von über 400 Quadratmetern wieder öffnen, in Deutschland teilweise schon eine Woche früher. Parallel dazu läuft die Autoproduktion langsam wieder an.

Mercedes war einer der ersten, der sich vergangene Woche aus der Deckung wagte. In verschiedenen Werken läuft ab dem 20. April zumindest im Einschichtbetrieb die Fertigung in ausgewählten Werken wieder an. Das betrifft zunächst die deutschen Antriebsstandorte gefolgt von der PKW-Fertigung in Sindelfingen und Bremen sowie den Van-, LKW- und Bus-Produktionen. Auch Volkswagen informierte offiziell darüber, dass man ab dem 20. April zunächst in den Werken Zwickau und Bratislava wieder die Produktion hochfahre. In der Woche ab dem 27. April folgen die Konzernwerke an den anderen deutschen Standorten sowie in den USA, Spanien, Portugal und Russland. Im Laufe des Monats Mai sollen sukzessive die Fertigungen in Südafrika, Argentinien, Brasilien und Mexiko anlaufen.

„Mit den Beschlüssen der Bundes- und Landesregierungen sowie den Lockerungen von Maßnahmen in weiteren europäischen Staaten sind die Rahmenbedingungen geschaffen, die Produktion wieder schrittweise aufnehmen zu können“, so Ralf Brandstätter, COO der Marke Volkswagen, „darauf hat sich Volkswagen in den letzten drei Wochen intensiv vorbereitet. Neben der Erarbeitung eines umfangreichen Maßnahmenkatalogs zum Gesundheitsschutz der Belegschaft, haben wir auch den Wiederaufbau unserer Lieferketten vorangetrieben.“ Obschon Volkswagen langsam wieder hochfährt, gilt für die deutschen Werke auch weiterhin Kurzarbeit, wobei die Zahl der Kurzarbeiter schrittweise zurückgefahren werden soll. BMW und Daimler haben die eigene Kurzarbeit bis zum Monatsende verlängert.

Bei allen Autobauern gab es in den vergangenen rund vier Wochen des Stillstands umfangreiche Umbauarbeiten, um den Werkern vor Ort die maximale Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Ähnlich wie im Einzelhandel gibt es in der Fertigung strenge Hygiene- und Abstandsvorschriften. Die Autobauer arbeiten zudem daran, auf den Firmengeländen entsprechenden Corona-Tests anzubieten. In China und Südkorea lag die Autoproduktion trotz der Corona-Krise oftmals nur wenige Tage komplett flach und es wird schon länger wieder produziert. Auch hier gibt es spezielle Gesundheitsvorschriften und die Arbeiter werden unter anderem mit Fieberthermometern gegen Covid-19 überwacht.

„Wir fahren die Produktion und Logistik gestaffelt und wohlgeordnet wieder hoch. Dabei hat die Gesundheit unserer Mitarbeiter oberste Priorität. Mit einem 100-Punkte-Plan sorgen wir für sichere Arbeitsplätze und maximalen Gesundheitsschutz“, sagt Andreas Tostmann, Vorstand für Produktion und Logistik der Marke Volkswagen, „so sorgen wir mit einem hohen Maß an Verantwortungsbewusstsein dafür, dass die Wirtschaft Fahrt aufnimmt und wieder Autos aus den Werken zu den Händlern und zu unseren Kunden gelangen.“ Zwar gibt es bei den Händlern aller Marken entsprechende Lagerbestände, jedoch sind zahlreiche bereits bestellte Fahrzeuge noch nicht produziert oder für Fahrzeuge mit Wartezeit will man diese nicht noch weiter verlängern, um die Kunden nicht komplett zu verlieren. Erste Anläufe gab es bereits in den letzten zwei Wochen. VW hat bereits am 6. April damit begonnen, die Produktion schrittweise in Braunschweig und Kassel wieder hochzufahren, um insbesondere China mit Komponenten und Bausätzen (SKD / CKD) zu versorgen. In dieser Woche zogen Salzgitter, Chemnitz und Hannover nach. Mit dem Produktionsanlauf von BMW ist Anfang Mai auch im Motorenwerk Steyr (Oberösterreich) zu rechnen; ähnlich sieht es bei anderen Fertigungen von Peugeot, Fiat oder Renault in den jeweiligen Staaten aus. Auch das Opel-Werk in Wien (22. Bezirk, Aspern) hat sich zur Wiederaufnahme der Produktion bereit gemeldet, man warte nur noch auf grünes Licht der französischen Konzernchefs.

Während viele Angestellten der europäischen Autoindustrie die Produktionszwangspause nicht zuletzt durch hohe Tarifaufstockungen weitgehend entspannt sehen, sieht das zum Beispiel in den USA völlig anders aus. Wer hier nicht arbeitet, bekommt auch kein Geld und sitzt ohne Einkünfte daheim. Daher gibt es gerade in den Südstaaten bereits erste Demonstrationen, endlich wieder arbeiten zu dürfen. Ohne Arbeit am Band fehlt das nötige Geld zum Leben. In Österreich, Deutschland und einigen Teilen Europas sieht das zum Glück anders aus: Verschiedene Autobauer stocken das Kurzarbeitergeld von in Österreich 80 bis 90 Prozent (Deutschland: 60 bis 67,5 Prozent) freiwillig weiter auf. Da drängt die Werker der Weg in die Arbeit nicht derart wie in Michigan oder insbesondere den gewerkschaftlich schlechter gestellten US-Bundesstaaten wie North- bzw. South Carolina oder Alabama.

Auch wenn die Fertigungen langsam wieder hochfahren, werden sich weder die Produktionspause noch die Nachfrageunterbrechungen in den nächsten Monaten abfedern lassen. Vorsichtige Schätzungen gehen in diesem Jahr von einem Rückgang des Automarktes von mindestens 20 Prozent aus. Während sich Asien vergleichsweise schnell erholen dürfte, sieht das in den USA und speziell Europa völlig anders aus. Noch härter als Österreich und Deutschland dürfte es EU-Länder wie Italien, Spanien, Frankreich oder das der EU entglittene England treffen, wo die Regierungen die Belastungen von Bürgern und Wirtschaft nicht annährend so stark ausgleichen können wie in Österreich oder Deutschland, wo auch die Zahl der Corona-Toten niedriger als anderswo ist.

Foto: Daimler