Der Doktor Freud aus der Wiener Esterhazygasse

17. Oktober 2020
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Eine charismatische Erscheinung in der heimischen Autoszene ist er zweifellos, der Doktor Jackob Barnea aus der Esterhazygasse in Wien. Seinem abgeschlossenen Medizinstudium konnte er seinerzeit nur wenig abgewinnen, sein Herz gehörte seit frühester Jugend alten Autos. Der heute Vierundsiebzigjährige kaufte Fahrzeug um Fahrzeug und bezeichnet sich selbst als Süchtigen, unheilbar. Fragt man ihn, ob man in seinem Oldtimer-Treff eine Rarität erwerben könne, antwortet er mit einem hintergründigen „Im Prinzip schon“. Aber eigentlich nicht, denn er könne sich von keinem seiner Wagen trennen. Und wer immer nur alte Autos kauft und kein Stück jemals veräußert, hat eines Tages, ob er will oder nicht, ein Museum beisammen.

In einem leicht verwehten ehemaligen Bauernhof bei Gramatneusiedl hortet Barnea mittlerweile eine Zweihundertschaft größtenteils unrestaurierten Altblechs – viele Raritäten, und nicht alle bei intakter Gesundheit. Aber sie alle auf Hochglanz herzurichten, ist bei einem derartigen Quantum an Fahrzeugen gar nicht möglich. Barnea vermietet einige seiner reizvollsten Oldtimer für Hochzeiten, Geburtstagstouren und Filmaufnahmen, denn von irgendwas muss er ja leben, der Doktor aus der Esterhazygasse. Den Chauffeur spielt er zumeist selbst.

Jackob Barnea, der so aussieht wie eine Imitation Sigmund Freuds (seine Freud’sche Kostümierung sei, wie er sagt, sein einziger noch aufrechter Bezug zur Medizin) verlieh einmal einen Morris aus den Zwanzigerjahren an eine Filmfirma, die einen Streifen über Sigmund Freud produzierte. Der Regisseur fiel beinahe in Ohnmacht, weil Barnea als Chauffeur dem Schauspieler, der im Fond des Wagens saß und den Doktor Freud darstellte, so verblüffend ähnlich sah.

Auch abseits ernster Geschäfte ist Doktor Jackob Barnea ein vergnüglicher Kauz: Als die Immobilien-Kauffrau Maria Rotschne in Hof bei Salzburg gemeinsam mit ihrem Mann ein kleines Automuseum aufmachte, lud sie zur Eröffnung Autokundige aus ganz Österreich ein, darunter ihren Museumskollegen Jackob Barnea. Der stellte sich mit einem Gastgeschenk, einem lebendigen Papagei, und mit den Worten ein: „Wer ein Automuseum betreibt, muss einen Vogel haben.“

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Foto: Archiv Barnea