Was tun, wenn beim E-Auto unterwegs der Akku leer ist? Diese technischen Details gilt es zu beachten, damit nichts passiert, wenn’s mal passiert.
Hand aufs Herz – wer hat noch nie um seinen Tankinhalt gepokert? Der Klassiker war früher der Heimweg von Italien auf der Kanaltal-Autobahn: Die hohen Spritpreise bei unseren südlichen Nachbarn machten selbst aus umsichtigen Familienvätern Hasardeure, die verbissen die letzten Tropfen riskierten. Was auch schief gehen konnte, im schlimmsten Fall sogar mit Ausrollen in einem der vielen Tunnel. Inzwischen kostet der Sprit hierzulande fast genauso viel, womit sich die Spar-Neurose auch erledigt hat.
Besitzer von Elektroautos erliegen jener eventuell weniger, können aber zum Opfer der nicht immer zuverlässigen Infrastruktur werden: Ladesäulen, die nicht funktionieren oder offline sind, Karten, die nicht gelesen werden, oder eine App, die sich partout nicht verbinden will – die Auswahl an praktischen Problemen ist ansehnlich. Was aber tun, wenn unterwegs wirklich das letzte Watt aus dem Akku gesaugt ist und der Wagen ausrollt? Grundsätzlich ist das Liegenbleiben mit einem Pkw sogar strafbar, und hier sind die Stromer ihren thermisch angetriebenen Geschwistern gleichgestellt. Es gibt zwar in der StVO weder einen Paragrafen für das Berücksichtigen einer Treibstoff- noch einer Strom-Reserve – geahndet wird allerdings das fahrlässige Herbeiführen einer Gefahrensituation. Falls deswegen gestraft wird, dann meistens, wenn es auf einer Autobahn geschieht, weil das Risiko durch ein stehendes Fahrzeug hier deutlich höher ist.
Während bei Benzinern und Dieseln meistens auch Restsprit im Tank ist, wenn die Reichweiten-Anzeige bereits auf Null steht, sollten die Fahrer von Elektroautos ihrem Display dringend Glauben schenken – Zero ist hier bei fast allen Herstellen auch wirklich Zero. Hyundai und Kia geben aber etwa an, dass danach noch zumindest einige hundert Meter zurückgelegt werden können – eben damit der Wagen nicht ausgerechnet an einer Gefahrenstelle zum Liegen kommt.
Wem es dennoch passiert, der kann bei einem E-Auto leider nicht oder nur bedingt auf die gängigste Methode zurückgreifen, von dort wegzukommen: Das simple Abschleppen untersagen die meisten Hersteller, andere wie etwa Volkswagen gestatten es modellabhängig unter gewissen Bedingungen zumindest für kurze Distanzen. Der Grund sind mögliche Induktionsspannungen in durch Fremdeinwirkung drehenden E-Motoren, wodurch Schäden an der heiklen Elektronik verursacht werden können – in diesem Fall erlischt auch die Hersteller-Garantie. Möglich ist Abschleppen in jedem Fall nur, wenn die herkömmliche Starterbatterie, über die jedes E-Auto ebenso verfügt wie ein thermisch angetriebenes, funktioniert und durch diese Basissysteme wie etwa die Neutralstellung des Getriebes angesteuert werden können. Wird eine Schleppachse verwendet, so muss das liegengebliebene Fahrzeug mit den Rädern seiner angetriebenen Achse darauf platziert werden, nur die nicht angetriebene darf „mitrollen“.
Woraus sich auch ergibt, dass für allradgetriebene Elektro-Pkw herstellerseitig durchwegs ein Abschlepp-Verbot gilt. Sie können nur mit einem Transportwagen, der mit einem Hebekran versehen ist, entfernt werden, wenn sie einmal ohne eigenen Saft ausrollen. Vor allem bei leistungsstarken Premium-Modellen muss dafür wegen des hohen Gewichts von bis knapp unter drei Tonnen gegebenenfalls ein Spezialfahrzeug für die Lkw-Bergung anrücken.
Der logische Schluss, um solche Aufwände zu vermeiden, wären mobile Charger, praktisch das Äquivalent zum Benzinkanister, mit dem der Pannen-Helfer sonst anrückt. Die gab es auch, versuchsweise etwa beim ÖAMTC im Jahr 2019. BMW hatte bis 2018 noch exklusiv für das damals einzige E-Modell der Marke, den i3, eine sogenannte Recharger-Flotte mit mobilen Generatoren im Kofferraum oder Anhänger im Einsatz. Zumindest theoretisch – mangels Bedarf wurden sie nach vier Jahren außer Dienst genommen, aus dem gleichen Grund hat auch der ÖAMTC sein Pilotprojekt wieder eingestellt. Geholfen wird einem beim Autofahrerclub natürlich dennoch – es wird halt einfach bis zur nächsten Ladestation huckepack geschleppt. Das gleiche gilt für die Mobilitäts-Garantien der meisten Autohersteller, diese decken auch geleerte Akkus ab.
Tatsächlich scheinen E-Auto-Fahrer in dieser Hinsicht umsichtiger zu sein als ihre Kollegen mit Benzinern und Dieseln – sie bleiben so gut wie nie liegen. Mitverantwortlich dafür dürfte auch die immer zuverlässiger werdende Routenplanung auf längeren Strecken sein, die geeignete Ladestopps vorschlägt und dabei schon aus technischen Gründen nie ans Limit geht – im Mittelbereich der Kapazität ist der Ladevorgang am schnellsten und am schonendsten für die Akku-Lebensdauer.
Falls das Malheur aber dennoch einmal passiert oder eben der Fall eintritt, dass die dringend benötigte Ladesäule außer Betrieb ist: Immer mehr E-Modelle, etwa von Hyundai und Kia, aber auch von BYD, MG und VW, sind mit bidirektionaler Ladmöglichkeit ausgestattet, können also Strom aus der eigenen Batterie an ein anderes Fahrzeug abgeben. Auch für die somit begünstigte Hilfsbereitschaft unter E-Auto-Fahrern gibt es allerdings technische Limits – die jeweilige Bedienungsanleitung gibt Auskunft über die exakte Handhabung
Foto: ÖAMTC