E-Fuels: klimaneutrale Kraftstoff-Alternative

6. Oktober 2020
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Aktuelles

Die EU setzt sehr früh alle Jetons auf batteriebetriebene Elektroautos, nicht einmal von temporären Alternativen will sie etwas hören. Stromfahrzeuge werden massiv gefördert, der Rest wird finanziell abgestraft. Dabei gäbe es mit den sogenannten E-Fuels eine Brückentechnologie für Verbrennungsmotoren, deren einziges Problem ihre fehlende Sexyness zu sein scheint, weshalb sie von Brüssel abwärts niemanden interessiert.

Zugegeben: Ein leiser, mühelos anschiebender Elektromotor wirkt nach dem Dieselskandal wie der sprichwörtliche Phönix aus der Asche, E-Fuels ändern am Erscheinungsbild der Autos dagegen nichts. Dafür sind sie klimaneutral, langstreckentauglich, schnell nachzutanken und außerdem mit einem Schlag auf alle bereits im Einsatz befindlichen Verbrenner anwendbar – ohne neue Tank-Infrastruktur.

Wie werden E-Fuels hergestellt? In der Theorie recht einfach: Via Elektrolyse wird aus Wasser unter Einsatz von elektrischem Strom zunächst der Wasserstoff abgeschieden und dieser dann mit CO2 aus Abgasanlagen oder aus der Luft im sogenannten Fischer-Tropsch-Verfahren synthetisiert, also verflüssigt.

Es ist ebenfalls möglich, den Wasserstoff zu E-Gas zu methanisieren. Bei E-Gas (auch synthetisches Methan genannt) handelt es sich um hochreines Erdgas. Zwar kommen erdgasbetriebene Autos nicht recht aus den Startlöchern, aber bei Heizanlagen für Haushalte sieht es ganz anders aus. Außerdem sind in Österreich große Erdgas-Speicherkapazitäten vorhanden.

Ein Riesenvorteil von E-Fuels und E-Gas ist deren relativ einfache Speicher- und Transportmöglichkeit. Ihre Erzeugung macht klimatechnisch ja nur dann Sinn, wenn der dafür nötige Strom zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie kommt. Weil diese unberechenbar ist – bei viel Sonne und Wind wird (zu) viel Strom erzeugt, umgekehrt (zu) wenig –, wird gerade die Speicherung von Strom-Überschüssen zum großen Zukunfts-Thema.

Neu: die Hochtemperatur-Elektrolyse

DI Jürgen Rechberger (Bild re.), Leiter Wasserstoff-Technologie bei der AVL, forscht seit sechs Jahren am neuartigen Verfahren der Hochtemperatur-Elektrolyse, das den Wirkungsgrad der Wasserstoff-Extraktion aus Wasser auf 80 Prozent erhöhen soll, der Strombedarf sinkt gegenüber herkömmlichen Verfahren um rund ein Drittel. Rechberger: „Unsere ein Megawatt starke Demo-Anlage, die etwa 500.000 Liter E-Fuels im Jahr produziert, wird in zwei Jahren in Betrieb gehen. Parallel dazu arbeiten wir bereits an Scale-up-Verfahren.“ Sprich: An der Hintereinanderschaltung mehrerer Anlagen, die die Leistung beliebig nach oben skalieren können.

Zwar sinkt der Gesamtwirkungsgrad im Zuge des Fischer-Tropsch-Synthese auf etwa 60 Prozent, dennoch ist das noch immer ein bisher unerreichter Top-Wert. Nochmals besser sieht es übrigens bei Methanisierung statt Verflüssigung aus. Der AVL-Techniker: „Die Methan-Synthese ist wesentlich effizienter, der Wirkungsgrad bleibt dann nahezu bei 80 Prozent.“

In der Realität sollen sich die Synthese-Anlagen – in Form von schnell aufbaubaren Containern – bei diversen Industriebetrieben ansiedeln, denn direkt an Abgasanlagen beträgt der CO2-Gehalt 15 bis 20 Prozent. Dort ist also viel mehr vom Treibhausgas vorhanden als in der Atmosphäre (0,04 Prozent). Da die EU derzeit an einem System von CO2-Credits tüftelt und Industriebetriebe künftig für emittiertes Kohlendioxid Strafen zahlen müssen, liegt hier eine „Win-win-Situation“ (Rechberger) in der Luft: Überweisen die Betriebe einen Teil der aufgrund der „CO2-Abnahme“ ersparten Strafen an die E-Fuels-Hersteller, hätten alle etwas davon, letztlich auch die Autofahrer.

Der Preis entscheidet

Derzeit kostet die Herstellung eines Liters E-Fuel 1 bis 1,50 Euro, im Vergleich dazu liegt Benzin bei wesentlich günstigeren 40 Cent (der Rest auf den Marktpreis sind Steuern). Bei Massenherstellung und Zuschüssen durch Industriebetriebe könnte sich diese Diskrepanz maßgeblich verringern. Zunächst würde der „Elektro-Sprit“ dem organischen beigemischt, angefangen bei etwa fünf Prozent. Später könnte man diesen Prozentsatz sukzessive erhöhen.

Diesel ist nach der Fischer-Tropsch-Synthese übrigens preisgünstiger als Benzin, denn dabei fallen ungefähr 40 Prozent Diesel, 30 Prozent sogenanntes „Naphta“-Benzin und 30 Prozent paraffinische Wachse an. Naphta muss man anschließend zu Benzin raffinieren, während der Diesel ohne weitere Nachbehandlung in den Tank geleert werden kann.

Insgesamt sind E-Fuels schadstoffärmer als herkömmliche Kraftstoffe und theoretisch auch klopffester, eigens dafür entwickelte Aggregate könnten höher verdichtet werden und somit bei gleicher Leistung kleiner ausfallen. Doch die Lust am Entwickeln neuer Verbrennungsmotor-Konzepte hält sich nach derzeitigem Stand bei den Autoherstellern in Grenzen. Eher wird man den synthetischen Sprit dazu nützen, den automobilen Bestand für die Erreichung der ambitionierten Klimaziele übergangsmäßig fit zu machen.

Prinzipiell ist Jürgen Rechberger davon überzeugt, dass sich der Elektroantrieb durchsetzen wird und erwartet um 2040 für zumindest 50 Prozent des Fahrzeugbestandes strombetriebene Motoren, aufgeteilt auf batterieelektrische Exemplare und solche mit Brennstoffzelle.

Letztere – bei ihnen tankt man Wasserstoff, der in der bordeigenen Brennstoffzelle in Strom umgewandelt wird – liegen derzeit noch im Dornröschenschlaf. Das sollte sich jedoch ändern, wenn Politiker und Autohersteller endlich draufkommen, dass man Langstreckenfahrer oder Kunden ohne eigene Garage (inklusive Stromanschluss) sonst kaum zum Kauf eines Elektrofahrzeugs überreden wird können.

Energieautarkes Europa?

Steuern wir dank Elektroautos und E-Fuels dann erstmals auf ein energieautarkes Europa zu? Der AVL-Entwickler räumt mit diesem romantischen Ansatz auf: „Unser Kontinent verfügt im Verhältnis zur Einwohnerzahl weder über genügend Fläche, noch über die klimatischen Bedingungen, um den gesamten Energiebedarf (Verkehr, Industrie, Heizwärme etc.) aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft decken zu können. Die Strom-Abhängigkeit wäre letztlich zwar geringer als jene vom Erdöl, aber immer noch vorhanden, und das endgültig. Es sei denn, jeder Einzelne würde seinen Energieverbrauch massiv reduzieren.“

Da sich allerdings 500 Millionen Europäer in der Annahme einig sind, dass sich jeder andere einschränken solle, außer man selbst, wird das kaum funktionieren. Man bedenke: Schon eine einfache Google-Anfrage löst Serverleistungen von 100 Watt aus, und da reden wir noch gar nicht über herzige Katzenvideos. Hier rückt Afrika mit seinen riesigen Wüstenflächen (Stichwort: Solarenergie) in den Fokus. Für die Langstrecken-Übertragung des Stroms eignet sich Wasserstoff übrigens besser als Hochspannungsleitungen. Pläne für entsprechende Pipelines liegen längst in der Schublade.

Fotos: Audi, AVL