EXKLUSIV: Fisker Karma im CEO Check

25. Oktober 2016
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Feature

Gerald Grohmanns Herzlichkeit ist ansteckend. Wer den 59-Jährigen kennt und damit schätzt, weiß, wie enthusiastisch der Topmanager sein kann. Privat wie geschäftlich. Als Familienvater, als Auto- und Motorsport-Fan. Und untertags als Vorstandsvorsitzender der Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment AG, einem Global Player im Gas und Öl-Business, Spezialgebiet Bohrwerk, mit einem Vorjahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro und fast 1500 Mitarbeitern weltweit. In der Firmenzentrale im niederösterreichischen Ternitz arbeiten 412 Menschen, an ihrer Spitze eben Gerald Grohmann. Er empfängt uns mit einem breiten Grinsen: „Ich habe Euch gar nicht kommen gehört“. Das hat gesessen. Privat mag es der CEO lieber soundstark. Im Achtzylinder-A8 als Dienstwagen und viel mehr natürlich im roten Renner auf der Rennstrecke – Grohmann wurde im Vorjahr in der Ferrari F430 Challenge Europameister.

„Zum Glück gibt’s hier einen Range Extender. Denn wofür ich keinen Kopf habe – und kein Manager der Welt –, ist eine Timing-Logistik rund ums Thema Laden und Reichweite.“

„Zum Glück gibt’s hier einen Range Extender. Denn wofür ich keinen Kopf habe – und kein
Manager der Welt –, ist eine Timing-Logistik rund ums Thema Laden und Reichweite.“

„Der schaut aber toll aus“, der Herrenfahrer nickt unserem Fisker Karma anerkennend zu, „wie ein Maserati“. Das Solardach fällt Grohmann auch gleich auf – „Das ist cool“. Obwohl im Öl-Business tätig, ist der Bohr-Profi alles andere verbohrt. „Wir sind keine Dinosaurier. Ich bin schon der Meinung, dass wir mit den natürlichen Ressourcen unseres Planeten vernünftig umgehen sollten. Öl bzw. Gas ist nun einmal endlich, Energie sparen ganz wichtig. Und auch bei den Abgasen müssen wir verantwortungsvoll vorgehen.“ Zum schlechten Image seiner Branche findet Grohmann einen nüchternen Zugang: „Ohne Öl und Gas wäre unser Wohlstand nicht möglich, und damit auch nicht die soziale Sicherheit. Wir sind nicht die bad guys.“

Zurück zum Fisker Karma. Alternativen Energien gegenüber ist der CEO sehr aufgeschlossen, seine Skepsis gegenüber alternativen Fahrzeug-Antrieben ist aber spürbar. Beginnen wir mit einem Rundgang ums Fahrzeug. „Der Kofferraum wird meiner Frau nicht reichen.“ Dann die Sitzprobe im Fond: „Mit meinen 1,93 wird es hier ziemlich eng im Kopfbereich. Aber ich finde ja auch in meinem Ferrari-Rennwagen Platz.“ Dann geht’s endlich ab hinters Lenkrad der Luxus-Limo: „Sehr schön ausgeführt innen. Und ziemlich solide“.

Was kann das schöne Stück sonst noch? Gerald Grohmann wird neugierig. Also gibt’s ein paar Eckdaten: Aluminium-Rahmen, rahmenlose Seitenscheiben. Als Power-Lieferanten für zwei mächtige Elektro-Motoren im Heck gibt’s Lithium-Ionen-Akkus in der Wagenmitte – daher der breite Mitteltunnel, damit aber auch der tiefe Schwerpunkt und die tolle Gewichtsverteilung. Geht den Batterien der Saft aus oder switcht der User in den Sport-Modus, schaltet sich der konventionell unter der vorderen Haube installierte Zweiliter-Turbo-Direkteinspritz-Benziner, bekannt aus dem Opel GT, zu, liefert Leistung an die Generatoren (keine direkte Verbindung zu den Rädern) und lädt auch die Batterien – ein echter Range Extender. Womit sich die reine Elektro-Reichweite von versprochenen 80 Kilometern um gut 400 vergrößert. Rund achteinhalb Liter Superbenzin soll der Karma mit leeren Batterien brauchen – kein schlechter Wert für eine 2,2 Tonnen-Limousine. Aber natürlich nicht Sinn der Sache.

 

Weiter geht’s mit den Fakten. Bremsenergie-Rückgewinnung: eh klar. ESP und Sperrdifferenzial für die angetriebenen Hinterräder: beruhigend. Sechs Stunden Ladezeit an der 220 Volt-Steckdose: keine große Hürde. Ausgestattet ist der Karma quasi voll, soll heißen inklusive acht Airbags, Navi, E-Möbel vorne, Sitzheizung auch hinten, Bi-Xenon-Licht, Einparkhilfe, Rückfahrkamera & Co. Die mächtigen Bremsen hinter den riesigen 22-Zöllern liefert Spezialist Brembo aus Italien, gebaut wird der Fisker bei Valmet in Finnland, also dort, wo auch Porsche Boxster und Cayman von den Bändern rollen.

Dimensionen-Check: Der Karma ist auf fünf Metern Länge sechseinhalb Zentimeter breiter als ein Porsche Panamera und zwei Zentimeter niedriger als ein Audi TT. Radstand wie bei der langen S-Klasse, für einen Hecktriebler tadellose Gewichtsverteilung von 47:53.

Dimensionen-Check: Der Karma ist auf fünf Metern Länge sechseinhalb Zentimeter breiter als ein Porsche Panamera und zwei Zentimeter niedriger als ein Audi TT. Radstand wie bei der langen S-Klasse, für einen Hecktriebler tadellose Gewichtsverteilung von 47:53.

 

Den allerersten Karma bekam übrigens US-Schauspieler Leonardo di Caprio ausgehändigt (danach folgte unter anderem Kollege Kutcher als Onkel Charlie und Baby-Barde Justin Bieber). Ob der liebe Leo das Auto bezahlt hat, ist nebensächlich, der brave Bub musste ja auch als erster Promi in einem Prius surren und gilt spätestens seit damals als Vorzeige-Vorbild, zumindest in der Klatschpresse.

„Eine Sport-Limousine darf ruhig auch ein bisserl straff sein“. Unter der Woche sitzt Gerald Grohmann im Audi A8 – links vorne!

„Eine Sport-Limousine
darf ruhig auch ein bisserl straff sein“. Unter der Woche sitzt Gerald Grohmann im Audi A8 – links vorne!

Wir machen jedoch Motorpresse. Und lassen endlich dem Vorstandsvorsitzenden den Vorsitz. Im Elektro-, pardon „Stealth“-Modus sorgen Außen-Lautsprecher für spaciges Raumschiff Enterprise-Surren. Geht dem auto-affinen CEO da etwas ab? „Wenn ich sportlichen Sound haben will, nehm’ ich halt ein anderes Auto“. Weiter geht’s im Stakkato: „Die Beschleunigung ist fein, das Fahrwerk recht komfortabel, aber nicht schwammig wie bei den Amis üblich. Sitze sehr gut. Der Wulst im Daumen-Bereich des Lenkrads würde mich stören.“ Gerald Grohmann hat Feuer gefangen, wir verlassen das große Firmengelände, quasi die Hausstrecke. „Fahren wir auf die Bundesstraße nach Gloggnitz und dann über der Autobahn zurück.“ Schön findet der CEO, wie der Karma die Kurve kriegt, nur der Benziner-Einsatz im Sport-Modus kommt klangtechnisch etwas ordinär.

„Was kostet das Auto?“ Knapp 120.000 Euro, inklusive vier Jahren Garantie samt Mobilitäts-Schutz und Servicekosten-Übernahme. Bei den Akkus verspricht sich der Hersteller eine Lebensdauer von zehn Jahren. „Wie schaut es mit der Reichweite aus, wenn die Heizung bzw. Klima voll an ist?“ Nächste Frage, bitte… Blättern wir lieber ein bisserl in den Presse-Unterlagen: „Der große Achsabstand zusammen mit der Niveauregulierung an den hinteren Stoßdämpfern des Karma erübrigen die Entwicklung und Integration einer kostspieligen und komplexen Scheinwerfer-Einstellung, die in vielen Ländern der Welt verlangt wird.“ Kabelsalat minimieren soll auch die Kommandozentrale mit riesigem 10,2 Zoll-Touchscreen, über den fast alle Fahrzeug-Funktionen gesteuert werden. Man ist bei Fisker peinlich bemüht darauf hinzuweisen, dass bei Entwicklung, Fertigung und Vertrieb möglichst Ressourcen-schonend und Umweltfreundlich vorgegangen wird.

Grün-Mascherl-Marketing oder verantwortungsvolle Liebe zum Detail? Das fragt sich auch, wer sich in Sachen Innenraum-Dekor schlau macht. Die Hölzer im Karma-Cockpit stammen von Treibgut aus dem Lake Michigan, von Bäumen, die bei Waldbränden gerettet wurden oder auf natürliche Art umgestürzt sind. Was mag als nächstes kommen? Artgerechte Haltung allein reicht uns Reichen nicht. Wir wollen einen Hinweis, dass das Leder ausschließlich von Kühen stammt, die nicht geschlachtet, sondern zum Selbstmord überredet wurden!

Im Vergleich zur politischen Korrektheit des Autos steckt sein banaler Benutzer in der bösen Schublade bei all den Lobbyisten, Börsenspekulanten und Jagdgesellschaftern. Karma bedeutet im Indischen aber auch: Guten Taten werden belohnt. Wer Fisker kauft, wird im nächsten Leben also noch reicher sein. Oder Finanzbeamter zur Strafe – denn NoVA oder CO2-Abgabe zahlt man für den umweltfreundlichen Ami keine. Könnte sich Gerald Grohmann vorstellen, sein Karma mit einem Fisker aufzupolieren? Oder das seiner Firma? „Der Wagen hat ein bisserl eine Feigenblatt-Funktion. Wenn ich den fahre, fühl’ ich mein Umwelt-Gewissen beruhigt. Ich glaube nicht, dass dieses Auto einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Bilanz bringen wird. Auch animiert es zum sportlichen Reisen, und auf der Langstrecke ist man mit einem Mittelklassewagen verbrauchsseitig besser dran. Verglichen mit einem Maserati oder Aston schaut’s natürlich anders aus.“ Und genau dorthin will der US-Hersteller mit dem Karma: in die Garagen derer, die schon alles haben. Das letzte Wort hat, wie sich’s gehört, der Chef: „Der Fisker Karma löst bei mir Emotion aus, versprüht eine Produkt-Erotik. Ein ansprechendes Konzept, das luxuriöses GT-Feeling mit dem Gefühl vereint, der Umwelt etwas Gutes zu tun. Triebfeder Nummer eins ist aber sicher die Technologie, den Grün-Gedanken sollte man am besten nicht überstrapazieren“.

Foto: Robert May - Veršffentlichung mit Credit: Robert May, Veršffentlichung ausschlie§lich mit schriftlicher Genehmigung! Honorar nach vorheriger Vereinbarung!

Daten & Fakten

2 Elektro-Motoren, 336 V, max. 408 PS (308 kW), 1330 Nm, Li-Ion-Akkus 20,1 kWh, geladen per Plug-In oder Range Extender (R4, 16V, Turbo, 260 PS/194 kW bei 5300/min, 353 Nm bei 2000/min), Hinterradantrieb, Scheibenbremsen v/h (bel.), L/B/H 4996/1984/1334 mm, Radstand 3160 mm, 4 Sitze, Wendekreis 12,3 m, Reifendimension 255/35 R 22 (v), 285/35 R 22 (h), Tank 37 l, Kofferraum 195 l, Leergewicht 2200 kg, 0–100 km/h 7,9 (Sport-Modus 6,3) sec, Spitze 153 (Sport-Modus 200) km/h, Normverbrauch (Mix) 2,4 l ROZ 91, CO2 83 g/km, Reichweite rein Elektro/mit Benziner 80/483 km