Haben Sie schon mal jemanden gefragt, warum er eine teure Breitling trägt, wenn man die Zeit doch auch am Handy gratis ablesen könne? Oder jemanden sagen hören, dass er seine sanierte Innenstadt-Altbauwohnung gegen eine Vorstadt-Garconniere eintauscht, weil er sich so gute 1000 Euro monatlich an Miete spart? Oder dass jemand statt im 5-Sterne-Boutique-Hotel auf Santorin wie bisher, seinen Urlaub künftig im 3-Sterne All-Inclusive-Club in der Türkei verbringt, „weil man damit viel Geld sparen kann“? Nicht? Logisch, würde auch – vorausgesetzt, der Betreffende ist in keiner finanziellen Notsituation – seltsam klingen. Und auf die Eingangsfrage würden Sie vermutlich kaum mehr als großes Unverständnis als Antwort erhalten.
Wie ich auf diese seltsamen Ideen komme? Nun, bei einem anderen alltäglichen Gebrauchsgegenstand sind solche Gedankengänge inzwischen völlig üblich. Denn als Autofahrer ist man heute vor allem in intellektuellen, urbanen Gesellschaftsschichten ständig in Erklärungsnotstand. Wo früher noch die (vielleicht sogar bewundernde) Frage kam „Und wie geht er?“, nachdem man sich als Fahrer eines gut motorisierten deutschen Premiummodells geoutet hat, folgt heute oft die Frage „Brauchst du überhaupt so ein teures/starkes/großes Auto?“. Häufig gefolgt von der Feststellung „Ich hab meinen Kübel vor zwei Jahren verkauft, vermisse ihn überhaupt nicht und spare mir damit jedes Jahr einen Haufen Geld.“
So gut wie alles ist Luxus
Ein in Wirklichkeit höchst seltsames Argument. Klar kostet ein schönes Auto Geld, das man auch für andere Dinge ausgeben könnte, aber das gilt wie gesagt ebenso für Wohnraum, Schmuck und natürlich jede andere Form von Luxus. Lacoste-Poloshirt und Timberlands? Beim Kik im Ausverkauf kommt man doch viel billiger weg!
Ob man ein Auto zum Leben „braucht“? Kaum, aber zum Leben „braucht“ der Mensch eine Höhle, ein Fell zum Überziehen im Winter und Pfeil und Bogen für die Jagd. Der Rest ist Luxus. Warum seit einigen Jahren das Auto so im Kreuzfeuer der Kritik steht? Die Verkehrs- und Gesellschaftspolitik von SPÖ und Grünen leistet wohl ganze Arbeit. Keine Frage, Autofahren ist teuer und ein schönes und starkes Auto in Österreich purer Luxus, unserer Steuer sei Dank. (Vergleichen Sie mal nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch die laufende KFZ-Steuer einer 250PS-E-Klasse zwischen Deutschland und Österreich. Da wird man blass. Von 911er & Co will ich gar nicht reden…) Aber warum zwar ein Essen im Steirereck, ein Urlaub in der Karibik als tolle Sache gesehen wird, während man im Alltag die U6 dem eigenen Auto vorziehen soll, bleibt mir ein Rätsel.
Kein schlechtes Umweltgewissen
Und das Umweltargument? Ist in der Realität verschwindend gering. Deshalb auf das Privatauto zu verzichten ist ähnlich nachhaltig, wie darauf zu verzichten, Kieselsteine in den Atlantik zu schmeißen, damit der Meeresspiegel nicht ansteigt.
In diesem Sinne: Mein neuer, den ich spätestens 2017 kaufen will, ist schon konfiguriert. Ja er wird nicht billig, er wird gut motorisiert sein und mir viel Spaß machen. Und er ist zwar ein Luxus, aber einer, auf den ich auch und gerade in Zeiten einer grünen Verkehrsstadträtin nicht verzichten will und werde.
Rolex
( 14. Januar 2016 )
Als Auto-Fan, der es sich leisten kann, soll es einem immer frei stehen, so viel Geld in seinen fahrbaren Untersatz zu stecken wie man es für wert befindet. Ich gebe zu, dass bei mir ökonomische Gedanken beim Autokauf eine große Rolex, äh, Rolle spielen. Aber ich leiste mir bewusst einen Neuwagen – weil ich zumindest ein Auto möchte so wie ich es will. Den Nimbus-Aufpreis für einen BMW oder Benz wäre ich nicht bereit zu zahlen.
Schön dass es noch Möglichkeiten gibt, ohne Erklärungsnotstand über sein Auto reden zu können!
Petem
( 15. Januar 2016 )
Ich verstehe Sie durch und durch. Lediglich bei einer Sache ist mir mein Geld zu schade: Neuwägen
Selbst mit dem Super Plus Freundschafts-Rabatt ergibt sich doch meist ein furchtbar schmerzender Verlust, wenn man sich dann doch traut und den um ein paar 10.000er reduzierten Zeitwert des Fahrzeuges nach 1-2 Jahren betrachtet. Meine ökonomische Vernunft siegt in solchen Fällen dann doch über die Lust vieler Autofahrer, das individuelle (Schmäh olé) und vor allem neue Fahrzeug sein eigen (meist Doppel Schmäh olé) zu nennen. Ich persönlich könnte mir mit dem bislang Erspartem wohl schon ein Haus im Burgenland kaufen – oder, wären es immer Neuwägen gewesen, permanent mit Holzausstattung und Economy-Motoren spazieren fahren. Die Entscheidung sei jedem selbst überlassen. Das bisserl Gegenwert durch die 1, 2 verpassten Garantiejahre sprach bislang nicht dafür. Nichts desto trotz soll dieses Kommentar keinen Ratschlag darstellen – viel mehr ein großes Dankeschön an die mutigen Neuwagenkäufer, welche sich bereit erklären durch Ihren Kauf Gearheads wie mir zu erlauben, tolle Autos ohne Schulden zu fahren. Bussi.
PS:
Mozl
( 18. Januar 2016 )
Das Problem ist auch, dass die Firmen keine neuen Gebrauchtwägen ausliefern. 😉
In Österreich werden übrigens bereits mehr als die Hälfte der neuen Autos als Firmenwagen gekauft.
Auch die Überlegung, ein Auto zu fahren, das genau so aussieht und ausgestattet ist, wie man das haben möchte, verleitet Konsumenten zum Neuwagenkauf.
Ich tendiere in letzter Zeit allerings auch zu “jungen Gebrauchten”
olli
( 18. Januar 2016 )
Bei meiner “Jahreskilometerleistung” frage ich mich auch öfter “brauche ich wirklich ein Auto”?
Nein – aber ich *will* eines! Und ja, ich will einen Neuwagen! Wertverlust ist mir egal, ich fahre den Kübel eh mindestens 10 Jahre … aber so, wie ich ihn gerne hätte (Ausstattung, Farbe etc.).
Ob das vernünftig ist? Sicher nicht, isma aber auch wurscht! 😉 Speziell wenn ich dann so manches Angebot eines Vorführwagens oder 1 Jahre Gebrauchtwagen mit dem Rabatt beim Neuwagenkauf vergleiche – oft liegt der Unterschied nur in der Wartezeit…
Hans
( 19. Januar 2016 )
Servus Olli!
Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Sehe das ganz genau so.
MfGJ
Der Schwedenkönig
( 25. Februar 2016 )
Ich finde es schon vernünftig, sich zu fragen, ob man überhaupt ein Auto braucht.
Insbesondere wenn ich mir die überwiegende Mehrheit an faden “Vernunftautos” anschaue, die täglich die Strassen verstopfen.
Da liessen sich viele Vehikel einsparen, wenn sich ihre Besitzer der Kostenwahrheit stellen bzw. den Komfort des Öffifahrens für sich entdecken würden.
Ich selbst habe mich schon lange vom Auto unabhängig gemacht – leiste mir aber eines als Liebhaberei für die schönen Fahrten des Lebens.