Immer mehr Autohersteller streichen Schaltgetriebe aus dem Programm. Das kann man schon verstehen – muss es aber nicht.
Ende August stellte uns VW einen Golf GTI Limited Edition vor die Redaktionstür, mit Karo-Stoffsitzen und Schaltgetriebe – hurra! Doch schon bald kehrte Ernüchterung ein. Allerdings nicht, weil es das Vorfacelift-Modell war, sondern weil man es nicht mehr bestellen kann. Und den brandneuen GTI 8.2 gibt es nur mehr mit Doppelkupplungs-Getriebe. DSG kann natürlich alles besser, es sorgt für flottere Beschleunigung und weniger Verbrauch, macht sich auf der Rennstrecke ebenso bezahlt wie bei der Verwendung des Adaptiv-Tempomaten. Im Stop-and-Go-Betrieb sowieso. Doch warum darf es – gerne gegen Aufpreis – keinen Power-Golf mehr mit Schaltgetriebe geben?
Generell finden sich immer weniger Autos mit manuellem Getriebe – und es scheint, als traue man den Tanz auf drei Pedalen nicht einmal den Profis aus den Motor-Redaktionen zu. Ein stinknormaler 911 Carrera mit Siebengang? War noch nie bei uns. Den BMW M4 von Seite 92 gäbe es auch handgerührt – aber nicht im Salzburger Presse-Fuhrpark, obwohl wir auf diese im Segment einzigartige Option schon dezent hingewiesen haben. Und die 453 PS des frischen Ford Mustang mit herrlich-klassischem Saug-V8 hätten wir im letzten Heft auch gerne manuell verwaltet.
Schaltgetriebe bekommen wir, wenn, dann eigentlich nur mehr in Kleinwagen serviert. Wie etwa beim Kia Picanto für diese Ausgabe auf Seite 87. Der Korea-Zwerg hat zwar nur 79 PS und würde gerade in der Stadt nach der optional angebote-nen Automatik schreien – Spaß hat sie aber trotzdem wieder gemacht, die koordinierte Kooperation von Füßen und Händen, diese wohlige Melange aus Selbstbestimmung und Nostalgie. Man hat wieder das Gefühl, mehr Maschinist zu sein und weniger Passagier.
Interessant: Gerade die als fad verschrienen Japaner zeigen uns, wo es in Sachen Fahrspaß langgeht, und das sogar zu fairen Tarifen: Toyota GR86 und Mazda MX-5 sind mit Saugmotor, Stan-
dardantrieb und Schaltgetriebe auf wunderbare Weise von gestern. Und auch den potentesten Kleinwagen aller Zeiten, den Yaris GR, gab es in der Erstauflage ausschließlich mit drei Pedalen.
Gutes Stichwort, weil daheim beim Autor aktuell Thema: Mit welchem Auto soll Sohnemann die L17-Ausbildung machen? Es muss tatsächlich ein Wagen mit Schaltgetriebe angeschafft werden, möchte man nicht im Führerschein den einschränkenden Eintrag mit der Automatik-Fixierung lesen. Ganz abgesehen davon, dass für den wohlerzogenen Filius ohnehin nur ein manuelles Getriebe infrage kommt – und das am besten über eine Kardanwelle mit der Hinterachse verbunden. Wir driften ein wenig ab, im Wortsinn.
Ein Auto mit Schaltgetriebe gehört eigentlich in jeden guten Haushalt, sofern es das Platzangebot erlaubt. Per Wechselkennzeichen kann man so feierabends oder am Wochenende das zelebrieren, was man einst mit schleifender Kupplung und abgewürgtem Motor mehr oder weniger mühsam erlernt hat. An der Kohle sollte es nicht scheitern, schon um geringes Geld kann man sich ein Spaßmobil in die Garage stellen oder in die Halle beim Bauern im Nachbarort. Neben dem Fahrspaß könnte dabei auch tatsächliche Rendite winken – jede Wette, dass sie in ein paar Jahren rar sind
und somit gesucht: Autos, bei denen es nicht um betreutes Fahren geht.
Foto: Enrico Falchetto