Glavitzas Gschichtln – Bist deppert?

23. Oktober 2021
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Ich hatte die Geschichte schon vergessen, wiewohl im hohen Alter gerade das Langzeitgedächtnis aktiver sein ­sollte. Aber für das Stopfen von Erinnerungslücken habe ich meine Töchter. Die jüngste von dreien, Freda, sonst als Senior-Stewardess mit der AUA unterwegs, rief mich unlängst aufgeregt an, sie habe mich im TV gesehen – und sich vor allem über meinen dichten Haarwuchs gewundert. Well, time goes by.

Die Aufnahmen dürften vor Jahrzehnten gemacht worden sein, überlegte ich und erinnerte mich vage an einen kurzen Dreh etwa in den Achtziger-Jahren, mit Niki Lauda für Teddy Podgorskis Fernsehsendung „Panorama“. Es hatte auf dem Flugplatz in Trausdorf begonnen. Niki, damals bereits Eigner einer Fluglinie mit Fokker-Maschinen, und ich, ­Besitzer einer kleinen Cessna 150er. Vom Beech-Aircraft-­Importeur Denzel war eine luxuriöse „Bonanza“ mit einziehbarem Fahrwerk und allem Pi-Pa-Po im östlichsten Burgenland auf Besuch. Der Juniorchef des Hauses vertraute uns dieses edle Gerät für eine Runde über Rax, Schneealpen und Mariazell an. Niki hatte offensichtlich großes Vertrauen in meine fliegerischen Künste und begab sich auf den „heißen“ Copilotensitz. Ich erinnere mich noch vage, dass er mich erst nach meinem Wohlbefinden fragte, dann, was ich so mache und ob ich mich noch immer als Stuntman für James Bond-Filme „aufführen“ würde.

Im rustikalen Café am Flugplatz hatten wir vor dem Take-off unseren Freund Podgorski getroffen, und der befahl uns in barschem Ton, am kommenden Mittwoch auf einem verlassenen Industriegelände unweit des Schwechater Flughafens pünktlich um neun – das wiederholte er gezählte drei Mal mit drohendem Zeigefinger – zur Stelle zu sein. Um mir ja nicht den ewigen Zorn Teddys über meine leicht verwundbare ­Seele anzutun, war ich schon eine gute Stunde vor neun in Nikis Airline-Büro im damaligen General Aviation-Teil am ­Flughafen Schwechat. Er fuhr mich dann höchstpersönlich in einer standesgemäßen Mercedes 500er-Limousine zum Industriege­lände, etwa auf Höhe der Raffinerie.

Dort wartete ein klappriger und in die Jahre gekommener Kübel, ich glaube, ein wohlgebrauchter VW Jetta. Während Niki einem der Helfer des Kamerateams ein Autogramm schrieb, nahm mich Teddy Podgorski zur Seite, legte seinen schweren Arm auf meine Schulter und raunte mir ins Ohr: »Heast Gla­vone, du foast jetz mit’n Niki dort obe,« deutete ostwärts und sagte dann: »und moch irgendwos – du muasst oba ned den Kübel übaschlog’n! De Kamera foat mit eich mit.«

Gut, sowas braucht man einem Kapfenberger (Simmering-Kapfenberg, das nennt man bekanntlich Brutalität) nicht besonders ans Herz zu legen, und so fuhr ich mit meinem alten Spezi Niki am Nebensitz los. Plötzlich ruckte ich ohne Vorwarnung mit dem Lenkrad nach links, und als der „dynamische Radlastwechsel“, um es geschwollen auszudrücken, passte, zog ich die Handbremse und wirbelte zum Schrecken des Champions die Rostlaube um die eigene Achse. Niki war not amused: »Bist deppert?«.

Naturgemäß, würde Thomas Bernhard gesagt haben, denn ich hatte ihn ein bissl am falschen Fuß erwischt, schließlich war die Sache vorher nicht mit ihm abgesprochen – und als sich die Klapperkiste bedenklich zur Seite neigte, rechnete er sicherlich mit einem Überschlag. Er möge mir, vom Himmel die Zeilen lesend, verzeihen: Niki, wenn’s ­kritisch geworden wäre, hätte ich die Bremse losgelassen und wäre auf die Kupplung gestiegen…

Foto: orf.at (Screenshot)