Glavitzas Gschichtln – Denkmal am Schilthorn

11. März 2021
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Feature

Die Einladung im Sommer 2019 war kurz und bündig gewesen: Ob ich Lust hätte, zu einer kleinen, bescheidenen ­Feier zum 50-Jahr-Jubiläum „007 – Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ im erlesenen Kreis ehemaliger Mitarbeiter nach Mürren ins Berner Oberland zu kommen. Irgendwie erinnerten mich die fünfzig Jahre, dass ich nun bald am Hunderter anklopfen würde. Schöne Aussichten, dachte ich, und fuhr los.

Ein halbes Jahrhundert ist naturgemäß eine lange Zeit, und aus diesem Grund war nur noch ein Viertel der damaligen Mannschaft dabei. Die Hauptdarstellerin Diana Rigg hatte abgesagt. Ich versuchte sie telefonisch zu überreden, ja, sie erinnere sich noch an meine Auto-Eskapaden, sei aber schon längere Zeit an den Rollstuhl gefesselt und nicht mehr in der Lage, die lange Reise anzutreten. Inzwischen ist sie leider verstorben, ebenso Bösewicht Telly Savalas, und auch von den hübschen Mädels waren nur noch drei übrigge­blieben – und die halt auch nicht mehr die Jüngsten.

Hauptdarsteller George Lazenby, mit schwer gezeichnetem Gesicht, fiel dort durch nicht enden wollende Bar-Besuche auf. Als der Veranstalter dann zur großen Party auf der 3000 Meter-Bergstation am Schilthorn-Spitz eingeladen hatte, musste der Hauptdarsteller schon vorzeitig hinuntergefahren werden. Großzügiger Genuss von Gin hatte seine cere­bralen Zentren dermaßen aufgeweicht, dass er nicht mehr in der Lage war, zu stehen. Gerade einmal zwei aus der Film-Schlägertruppe waren noch am Leben und scherzten vor den Journalisten mit geballten Fäusten an meinem Kinn. Ich erinnerte mich an einen anderen „Schläger“ von damals namens John Cooper, der im wirklichen Leben ein echter Profiboxer war und es liebte, mit mir im Ford Escort mitzufahren. Auch ihn gibt es nicht mehr.

Während ich unten in Lauterbrunnen auf der grünen ­Wiese stand und meiner Freundin zeigte, wo wir damals die Eis-Rennbahn sozusagen aus dem Boden gestampft hatten, fiel mir die Episode mit einem britischen Kameramann ein. Er hieß John Jordan und machte die Aufnahmen von einem Hubschrauber aus, am Seil hängend. Während der Drehar­beiten von „Man lebt nur zweimal“ hatte ihm der Rotor eines Helikopters ein Bein abgetrennt. Seit damals trug er eine Prothese. Jeden Nachmittag, wenn wir das Eis aufrauten, fuhr er mit mir und begeilte sich an den wilden Drifts. Wir wurden dicke Freunde. Während eines Besuchs in den ­Pinewood-Studios in London zogen wir am Abend durch ­Soho. Bei den Drehs zu „Catch-22“ filmte er durch den ­Bombenschacht einer B-25, wie die Bomben in die Tiefe ­kollerten. Nach den Arbeiten schnallte er sich los, gab dem Piloten ein Zeichen zum Rückflug und zündete sich eine seiner geliebten „Lucky Strikes“ an – als eine Windböe den Flieger durchbeutelte und ihn aus dem Schacht schleuderte.

All das und vieles mehr war mir bei diesem Besuch in die Vergangenheit eingefallen. Die Schweizer haben mir am Gupf des Schilthorns ein Denkmal gesetzt, mit Abdruck meiner Hand und Faust. In fünfzig Jahren fahre ich wieder hin, dann bin ich 128 – als Steirer, wohlgenährt von Most und ­Selchspeck, sollte ich das auch noch schaffen…

Foto: Archiv Glavitza