Glavitzas Gschichtln – Hinter der Maske ein anderer

19. September 2020
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Mit Wien und den Wienern konnte das wilde Bergvolk jenseits des Semmerings nie viel anfangen. Schon ein ehemaliger steirischer Landeshauptmann fühlte sich erst erleichtert, als das Signal am Südbahnhof zur Heimfahrt auf Grün gestellt war. Österreichs Sturm und Drang-Symbol der sechziger Jahre, Karl Jochen Rindt sah das ebenso. Einerseits wusste er, dass ohne Anwesenheit in der österreichischen Metropole zu Beginn seiner Karriere wenig bis nichts gehen würde – andererseits pflegte er die Wiener (damals noch nicht die -innen) stets auf Armlänge von sich fernzuhalten. Nachdem Curt „Corrado“ Barry-Bardi (damals Wiens Playboy Nummer eins) ihn und seinen Formel Junior-Rennwagen brüsk und hochkant aus seiner Werkstätte geworfen hatte (nur weil ein Spezi im Rausch behauptet hatte „Da G’scherte is boid schnölla ois du“), steigerte sich Rindts Abneigung gegen die Stadt an der Donau um die dritte Potenz.

In Wien spielte er fortan den manischen Egoisten und wachte peinlich darüber, dass niemand von seiner zweiten und durchaus altruistischen Seite auch nur einen Zipfel entdecken konnte. Ich hatte hingegen großes Glück. Ich wollte damals unbedingt Rennfahrer werden, war bereit, sogar meine Seele zu verkaufen, aber ohne Geld hatte man nicht einmal an meiner Seele Interesse. Also verdingte ich mich mehr schlecht als recht als Journalist (u.a. beim „Kurier“), und wenn jemand einen Lebensmüden als Chauffeur suchte, zeigte ich als Erster auf. Als gebürtiger „Steirabua“ und nicht wirklich nach Sensationen haschend, war meine Karriere als Journalist eher mediokrer Natur. Bei meinem Landsmann hatte ich einen sogenannten Stein im Brett, weil ich ihm nur Gefälliges schrieb. Und dazu hatten wir etwas gemeinsam: Seine Mutter Steirerin, sein Vater Deutscher – bei mir umgekehrt: Mutter Deutsche, Vater Ursteirer. Rindt hänselte mich fortan mit „Kapfnberga, sei stü“ – und ich parierte.

Trafen wir einander entweder im Maxingstüberl in Wien Hietzing oder in einer Altweiber-Konditorei in der City, durfte ich bei Strafe nicht einmal ans Zahlen denken. Pech war allerdings, wenn Wiener sich zu uns gesellten – da spielte er den Knauserer, und gleich strafverschärfend: „Kapfnberga, host a Göd – i hob meins vergessen.“ Die Wiener wussten um meine schüttere Barschaft Bescheid und fühlten sich wieder bestätigt: Da Jochen losst nix aus! In meiner obersteirischen Schläue zögerte ich den Zahlprozess solange hinaus, bis sich die „Weana g’schlich’n ham“, bestellte nach dem hervorragenden Maxingstüberl-Gulasch eine Nachspeis – und ward so wieder zum Gast Karl Jochens geworden. Wenn er jetzt runterschaut, möge er mir den schnöden Verrat verzeihen.

(Das Bild oben zeigt Erich Glavitza, konzentriert dreinblickend beim „Scalextric“-Slotcar-Rennen in den 1960ern, links neben Jochen Rindt. Der scheint zu denken: „Da Kapfnberga is endlich stü.“)

Bild: Archiv Glavitza