Nun geben die Japaner wieder Strom, und zwar mit einer komplett neuen Ausrichtung, die man so von Nissan noch nicht kannte. Denn beim Ariya handelt es sich keinesfalls um eine bloße Fortschreibung des pragmatischen Leaf, sondern um ein durchdesigntes Hochbau-Coupé.
Der Fahreindruck
Auf der Straße gibt sich der neue Stromer gediegen: Recht schwere Eingabe-Kräfte sollen das Gefühl eines hochwertigen Autos vermitteln, die Abstimmung ist trotz Knackigkeit ausreichend komfortabel. Eine flotte Gangart ist dem Ariya nicht unrecht, der Zweitonner verliert auch in schnell gefahrenen Kurven niemals die Fassung.
Dazu kommen innen hochwertige Materialien und interessantes Design, das Cockpit empfängt einen mit moderner Atmosphäre. Unser Testwagen im Top-Trimm „Evolve Pack“ war zusätzlich noch mit blauem (Rau-)Leder ausgestattet, was diesen Nissan insgesamt ganz klar zum optisch auffallendsten Auto der Nippon-Marke macht.
Der Fokus liegt primär auf Design, die praktischen Werte hat man aber nicht vergessen – so kann man etwa die Mittelkonsole elektrisch verschieben, zusätzlich fährt ein kleines Fach mittig auf Knopfdruck aus (ebenfalls elektrisch angetrieben).
Allerdings ist der Innenraum in manchen Bereichen recht eng geschnitten. So stoßen bei großen Fahrern sowohl die Knie fast bei der Lenkradverkleidung und der Kopf an der Decke an. Hinten geht es vergleichsweise luftiger zu, die Kopffreiheit ist aber auch nicht großzügiger als vorne.
Laut Hersteller wurde das Feedback der Kunden berücksichtigt, die sich mehr Stauraum wünschen. Mit 468 Litern Kofferraum-Volumen liegt der Ariya gut, aber nur knapp über dem Leaf, mit optionalem Allradantrieb (für rund 3000 Euro Aufpreis, Spitzenleistung dann 306 PS) liegt der SUV sogar darunter.
Wie lautet nun das Fazit unseres großen Tests? Dass es sich beim Ariya um ein Ausrufezeichen handelt: Auch Nissan kann einen trendigen Elektro-SUV bauen, nicht nur andere (Stichwort Kia EV6, Skoda Enyaq, VW ID.5). Doch es bleibt ein Beigeschmack der Premium-Positionierung: Der Preis kann je nach Ausstattung bis knapp unter 70.000 Euro reichen. Die genaue Bewertung des Test Nissan Ariya lesen Sie unten.
Dieser Test erschien übrigens mit vielen weiteren in der Ausgabe Oktober 2022 von Alles Auto, hier online zu bestellen.
Fotos: Robert May
Motor & Getriebe
Der kräftige E-Motor sorgt vom Stand weg für satte Beschleunigung. Stärkere Rekuperation ist per Knopfdruck aktivierbar, Ein-Pedal-Fahren aber auch dann nicht möglich.
Fahrwerk & Traktion
Gelungener Kompromiss aus hohem Abrollkomfort und sportlichem Fahrverhalten. Das satte Grip-Niveau ist sicherlich auch durch die (optional) montierten 20-Zöller zu erklären. Schwergängige und direkte Lenkung, zackiges Einlenkverhalten. Ohne Tücken im Grenzbereich. Leichte Traktions-Schwächen bei Nässe, im Trockenen in Ordnung. Ausreichend kräftige Bremsen (hinten sind im Gegensatz zu so manchem Konkurrenten Scheiben verbaut), der Übergang von Rekuperations- auf Reibungsbremse verläuft geschmeidig.
Bedienung & Multimedia
Ergonomie-Eigenart: Bei korrekter Armdistanz zum Lenkrad stoßen die Knie von Großgewachsenen vorne fast an. Große Tasten und Drehregler, Digital-Instrumente und Multimedia-Schirm klar ablesbar (aber nicht besonders hoch auflösend). Lobenswert: Die Software läuft stabil, das System ist logisch aufgebaut. Recht simple Sprachsteuerung, induktives Handyladen Serie (Ablage dazu allerdings nicht optimal positioniert). Eingeschränkte Sicht nach hinten, der digitale Innenspiegel ist zudem nicht immer optimal ablesbar (etwa bei Regen). Gut: recht kleiner Wendekreis, weit aufschwingende Türen.
Innen- & Kofferraum
Kein berauschendes Platzangebot, im Klassenvergleich am ehesten hinten gut. Vor allem die Kopffreiheit ist eingeschränkt (Panorama-dach im getesteten Trimm nicht abbestellbar). Durchschnittlich großes, gut nutzbares Gepäckabteil mit geräumigem Kellerfach. 2:1-Fondlehnen in der Neigung verstell- sowie umlegbar, Ladefläche stets eben.
Dran & Drin
Im getesteten Top-Trimm „Evolve Pack“ bleiben kaum Wünsche offen: Sitzheizung und -kühlung, Lenkradheizung, Rundumkameras, E-Heckklappe, Bose-Sound. Demnach gibt es auch nur mehr wenige Extras. Wer etwa auf Headup-Display, Einpark-Automatik und auf 130 Kilometer Reichweite verzichten kann, spart bei der Basis-Version (mit 63 kWh-Batterie) fast 6.000 Euro. Beste Materialqualität und sauberste Verarbeitung, die es bis dato in einem Nissan gab.
Schutz & Sicherheit
Das vom Hersteller „Safety Shield“ genannte Assistenz-Paket ist serienmäßig an Bord und umfasst alle gängigen Sicherheits-Features.
Reichweite & Laden
Nissan gibt keine Daten für die Dauer beim 22 kW-Wechselstromladen an, mit 130 kW Gleichstrom ist ein Ladungs-Plus von 20 auf 80 Prozent in nur 30 Minuten drin – im Klassenvergleich liegt der Ariya damit im Mittelfeld. Überdurchschnittlich: die Test-Reichweite.
Preis & Kosten
Der Kia EV6 liegt preislich in etwa gleichauf, weitere Konkurrenten (Skoda Enyaq, VW ID.5) sind je nach Leistung ein wenig bis deutlich günstiger, bieten im Gegenzug aber auch weniger Ausstattung. Brav beim Stromverbrauch. Die drei Jahre Garantie können auf vier beziehungsweise fünf erweitert werden. Recht dichtes Werkstatt-Netz, Service als alljährlicher Pflichttermin.
Technik
Serienausstattung
Extras
L/B/H 4595/1850/1660 mm, Radstand 2775 mm, 5 Sitze, Wendekreis 10,8 m, Reifendimension 235/55 R 19 (Testwagen-Bereifung 255/45 R 20)
Kofferraumvolumen 468 l, Leergewicht (EU) 2121 kg, zul. Gesamtgewicht 2535 kg, max. Anh.-Last 750 kg, 0–100 km/h 7,6 sec, 60–100 km/h 3,6 sec, Spitze 160 km/h
Steuer (jährl.) keine, Werkstätten in Österreich 112, Service alle 30.000 km (mind. 1x/Jahr), WLTP-Normverbr. kombiniert 18,1 kWh, Testverbrauch 19,9 kWh, Reichweite Norm/Test 530/ 440 km, Ladedauer bei 22 kW (100%) k. A., bei 130 kW Gleichstrom (20–80%) 30 Min