Konzept-Vergleich: E-Auto Jaguar I-Pace gegen Brennstoffzellen-Fahrzeug Hyundai Nexo

21. Dezember 2018
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Tests

FAHRZEUGDATEN

Marke:Abarth
Klasse:Cabrio/Roadster
Antrieb:Vorderrad
Treibstoff:Benzin
Leistung: PS
Testverbrauch: l/100km
Modelljahr:
Grundpreis:0 Euro

Tesla wird ohnehin von diversen Problemen gebeutelt, doch angesichts des brandneuen Jaguar I-Pace muss man sich im sonnigen Palo Alto endgültig warm anziehen: Zwei Elektromotoren, 400 PS, 696 Nm Drehmoment, 90 Kilowattstunden (kWh) Batterie-Kapazität und ein mehr als gelungenes Äußeres stellen das in Graz gebaute SUV-Coupé I-Pace EV400 auf die Pole Position aller Tesla-Jäger.

Sein Gegner in diesem Vergleich ist aber kein Tesla Model X, sondern der Hyundai Nexo. Der mischt seinerseits die überschaubare Szene der Brennstoffzellen-Autos auf. Den eigenwillig geformten Vorreitern Toyota Mirai und Honda Clarity knallt Hyundai einen feschen und praktischen Kompakt-SUV vor den Latz. Mit 163 PS bietet er vernünftige Kraftreserven, mit einer Länge von 4,67 Metern liegt er exakt auf dem Größen-Niveau des Jaguar.

 

Motor & Getriebe

Sound? Fehlanzeige! Aber sonst schlägt ein Elektromotor den guten alten Verbrenner in allen Belangen: Er ist klein, leicht, wartungsarm, verfügt über Un­mengen an Drehmoment und über den weit besseren Wirkungsgrad – bis zu 95 Prozent der in ihn investierten Energie setzt er in Vortrieb um. Beim Dieselmotor sind es maximal 45 Prozent, beim Benziner bestenfalls 37 Prozent.

Schade nur, dass die Batterie ein schweres Ding mit be­­schränktem Speichertalent ist. Bedenkt man, dass ein Liter Diesel etwa zwölf kWh an Energie enthält, entsprechen selbst die satten 90 kWh des Jaguar I-Pace bloß einem Dieseltank von 7,5 Litern. Allerdings: Bei einem Selbstzünder ergäbe das nur rund 115 Kilometer Reichweite, beim E-Jaguar dagegen deutlich über 300.

Bei Hyundai denkt man die Sache anders an: Eine Brennstoffzelle wandelt an Bord des Nexo Wasserstoff auf chemischem Weg in Strom um. Das tut sie allerdings recht ge­­mäch­lich und mit einer Leistung von nur 129 PS. Für spontane Kraftentfaltung, die Elektro­auto-Käufer so sehr lieben, gibt es daher eine Pufferbatterie, die die Gesamtleistung auf 163 PS er­­höht. Die ist mit 1,6 kWh so klein wie bei einem klassischen Hybriden und muss nicht extern geladen werden. Der Nexo wird nämlich überhaupt nicht angesteckt, sondern an der Wasserstoff-Zapfsäule betankt.

Und das Getriebe? Hier wie dort quasi eine Eingang-Automatik. Simpler und komfortabler geht es nicht. Will man die Rekuperation für mehr oder weniger Motorbremsung verändern, kann man das im Nexo dreistufig über Lenkrad-Paddels tun, wobei selbst Stufe drei nicht extrem stark ist, das Bremspedal kommt also nach wie vor häufig zum Einsatz. Der I-Pace bietet zwei Stufen an, deren Wechsel muss man aber um­­ständlich in einem Untermenü vornehmen.

Bei den reinen Fahrleistungen kommt der Koreaner an den Anglo-Austrianer freilich nicht heran, für den klassischen 0-auf-100-Sprint benötigt er etwa doppelt so lang.

 

Fahrwerk & Traktion

Der Hyundai Nexo ist durchaus straff, aber nicht unkomfortabel abgestimmt. In zu schnell angegangenen Kurven tendiert er zum sicheren, nicht behäbigen Untersteuern, seine mitteldirekte Lenkung erfreut mit guter Präzision. Bei beherztem Einsatz des rechten Pedals geraten die Vorderreifen allerdings an ihre Grenzen. Kein Wunder, bei 395 Nm Drehmoment vom Stand weg.

Der Jaguar I-Pace wuchtet sogar 696 Nm auf die Gummis, aber auf alle vier. Daher kata­pultiert er sich praktisch ohne Trak­­tionsverlust in 4,8 Sekunden auf 100 km/h. Um die Kurve geht es ohne viel Untersteuern, die serienmäßige Luftfederung des „First Edition“ agiert auf der sportlich-straffen Seite, Unebenheiten aller Art werden trotzdem elegant weggefiltert.

Zum dynamischen Charakter der Katze passen auch die sehr direkte, definitiv präzise Lenkung und das agile Handling. Dass er um mehr als 300 Kilo schwerer ist als der Nexo, steht in den Werksangaben, merken wird man davon allerdings nichts. Auch nicht beim Bremsen, hier agieren beide Kandidaten auf der sicher-souveränen Seite.

Gelände-Betrieb ist für Stromer-Interessenten eher kein Thema. Der Vollständigkeit ­halber: Der Jaguar hätte hier klar die Nase vorn, dank Allrad­antrieb, nach oben justier­ba­rer Luftfederung (Bodenfreiheit maximal 19 Zentimeter) und eigenem Offroad-Fahrprogramm.

 

Cockpit & Bedienung

Im Innenraum des Nexo trifft ein hochmodernes, volldigitalisiertes Cockpit samt nebenstehendem Riesen-Touchscreen auf eine Mittelkonsole, die etwas oldschool mit Tasten vollgepflastert ist. Da fühlt man sich wie ein DJ am Mischpult. Mit ein wenig Übung kennt man sich aber bald aus und weiß außerdem die Tatsache zu schätzen, dass man nicht unbedingt auf den Monitor tatschen muss, sondern diesen auch mittels Dreh-Drück-Knopfes bedienen kann. Die Bedien-Logik der diversen Menüs ist bestechend und auch intuitiver erfassbar als beim I-Pace.

Der gibt sich wiederum un­­ein­­geschränkt modern – mit zahlreichen Cockpit-Konfigu­­-ra­tionsmöglichkeiten, einem zusätzlichen unteren Touchscreen für Klima und Sitzverstellung sowie recht spacigen Dreh-Drück-Zieh-Knöpfen für Klimatisierung, Sitzheizung und Konsorten Bei beiden kann man die Raumklima-Regelung übrigens stromsparend auf den Fahrer beschränken.

Online-Funktionen bietet der Hyundai – im Gegensatz zum auch hier hypermodernen Jaguar – nur übers Smartphone (Apple CarPlay oder Android Auto sind natürlich verfügbar), dafür zaubert er ein absolut sinnvolles Gimmick aus dem Hut: Setzt man den Blinker, wird direkt in die Armaturen ein Bild von der Situation links oder rechts hinter dem Auto eingespielt, die sich im toten Winkel befindet.

Die Sicht nach (schräg) hinten ist beim Nexo aber auch so weit besser als beim I-Pace, 360-Grad-Kameras sind aber hier wie dort serienmäßig. Und dass beide auf aufwändig ausfahrende Türgriffe setzen, soll wohl als cool rüberkommen. Dabei stehen einem kaum messbaren Aerodynamik-Vorteil mehr Gewicht und po­­tenzielle Fehlerhaftigkeit gegenüber.

Die Sitze sind hier wie dort groß, straff und langstreckentauglich, beim Hyundai müssen sie allerdings ohne Längenverstellung der Sitzflächen auskommen.

 

Innen- & Kofferraum

Beim Hyundai Nexo finden Brennstoffzelle und Elektromotor locker im Vorderwagen Platz, benötigen dort aber auch ge­­nauso viel Raum wie ein herkömmlicher Verbrennungsmotor. Der Jaguar I-Pace konzentriert Motoren und Batterie dagegen im Fahrzeugboden, deshalb können die Räder an die Fahrzeugenden wandern. Ergebnis: Ein Riesen-Radstand von drei Metern mit entsprechend luftigem Beinraum für die Passagiere. Der Hyundai lässt sich in diesem Punkt auch nicht lumpen, er muss nur wenige Zen­ti­meter vorgeben.

Beim Laderaum-Grundvolumen hat der Jaguar mit mächti­gen 638 Litern ebenfalls die Nase vorn. Ein Vorteil, den der Hyundai beim Gesamtvolumen (1466 Liter) allerdings egalisiert, dazu hat nur er neben einer 2:1-Um­­legmöglichkeit der Sitzlehnen auch deren ­Neigungs-Verstellung zu bieten. Im Jag gibt es unter dem Laderaum dafür ein grö­ßeres Kellerfach, und unter der vorderen Haube ist ein wenig Platz für weiteren Stauraum, etwa die Ladekabel.

Die Ladekante des Jaguar liegt niedriger, dafür schwingt die Heckklappe des Hyundai ­weiter auf, bei beiden übrigens elektrisch per Fußschwenk oder Annäherung ans Auto. An Ab-lagen herrscht kein Mangel, jene des Nexo sind allerdings um einen Hauch geräumiger.

 

Dran & Drin

Der Hyundai Nexo bietet mit „Level 6“ die hausintern höchste Ausstattungsstufe, Extras gibt es im konkreten Fall keine. Ist auch nicht wirklich nötig, denn unter anderem sind LED-Scheinwerfer, Navigationssystem, Leder/Stoffpolsterung, Lenkradheizung, Einpark-Vollautomatik mit Fernbedienung von außen und ein volldigita­li­siertes Cockpit an Bord. Dass kein Adaptiv- oder Luftfeder-Fahrwerk dabei ist – verzeihlich. Sinnvolle Nettigkeiten wie Me­­mory für die elektrisch verstellbaren Vordersitze oder einen WLAN-Hotspot könnte man in dieser Preisklasse allerdings schon erwarten.

Der Jaguar I-Pace hat all das in der nur im ersten Verkaufsjahr erhältlichen Vollaus­stattung „First Edition“ an Bord, wenn auch mit fettem Preisaufschlag. Dazu noch eine Vierzonen-Klimaautomatik (statt zwei Zonen). Abgesehen vom Auslaufmodell CD-Laufwerk bietet der Jaguar alles serienmäßig, was brauchbar, gut und teuer ist. Einziger Aufpreisposten: 22- statt 20-Zoll-Räder.

Beide Leisetreter warnen bis 20 km/h mittels seltsam säuselnder Lautsprecher-Systeme die Außenwelt, beim Rückwärtsfahren piepst der Nexo auch noch wie ein Lastwagen. Im Gegensatz zum britischen „AVAS“ ist das koreanische „VESS“ abschaltbar.

 

Schutz & Sicherheit

Dem Euro-NCAP-Crashtest mussten sich die Kontrahenten noch nicht stellen. An passiver Sicherheit bieten beide das normale Luftsack-Programm ohne hintere Seitenairbags und Fahrer-Knieairbag.

In Sachen aktiver Sicherheit ist die volle Dröhnung an As­­sistenzsystemen – von aktiver Spurhaltung über Querverkehrswarnung beim Ausparken bis hin zur Verkehrszeichen-Erkennung – serienmäßig, ein Headup-Display sowie dyna­mi­sches Kurvenlicht hat nur der Jaguar zu bieten.

Beim Hyundai lässt sich der nervig lang Laut gebende Spurverlassens-Piepser zwar unabhängig vom aktiven Spurhalte-Assistenten wegschalten, bei jedem Neustart ist er aber wieder zur Stelle.

Reichweite & Laden

Die Reichweite spricht für den Hyundai Nexo, im Test waren es 575 Kilometer, denen der Jaguar I-Pace bloß 320 Kilometer entgegenhält (Normwerte: 660 ­bzw. 470 Kilometer). Ebenso die Schnelligkeit des Tankvorgangs: Inklusive Sicherheits-Druckprüfung ist die Wasserstoff-Aufnahme in fünf Minuten erledigt. Beim Jaguar benötigt eine Vollladung an der Haushaltssteckdose absurde 25 Stunden, an einer 50 kW-Ladestation wartet man immer noch zwei Stunden.

Derzeit gibt es allerdings nur fünf Wasserstoff-Tankstellen in Österreich: in Wien-Floridsdorf, in Wiener Neudorf, in Asten bei Linz, in Innsbruck und in Graz-Liebenau. Während sich in Deutschland schon einiges tut (die OMV erweitert mit ihren diesbe­züglichen Partnern Air Liquide, Daimler, Linde, Shell und Total das Netz bis 2019 auf 100 Standorte, bis 2023 gar auf 400), gibt es für Österreich noch keine konkreten Erweite­rungs-Pläne.

 

Preis & Kosten

Von einem Schnäppchen kann hier wie dort keine Rede sein. Der zwangsläufig vollausgestattete Hyundai Nexo ist dabei noch um gut 20.000 Euro günstiger als der Jaguar I-Pace, den man sich knapp über 100.000 Euro kosten lassen muss. Im­­merhin kriegt man für den I-Pace noch ein paar Goodies mehr und kann ihn auch ums gleiche Geld wie den Koreaner erstehen – mit wesentlich verminderter, wenn auch nach wie vor guter Ausstattung.

Auf jeden Fall entfällt bei beiden die NoVA, sie sind vorsteuerabzugsfähig, und beim Einsatz als Dienstwagen löhnt man keinen Sachbezug. Kauft man als Privatkunde, kann man vom Preis noch 4300 Euro brutto an Elektroprämie abziehen, als Firmenkunde 3000 Euro netto.

Wasserstoff kostet rund neun Euro pro Kilogramm, für den Nexo sind 100 Kilometer Fahrt also mit rund zehn Euro (Testverbrauch: 1,1 kg/100 km) zu bezahlen. Lädt man den I-Pace zu Hause, zahlt man im Schnitt pro kWh 20 Cent, für 100 Kilometer Fahrt also knapp sechs Euro (Testverbrauch 28 kWh/ 100 km). Lädt man im öffentlichen Raum, landet man aufgrund des satten Aufschlags der Anbieter schnell beim gleichen Tarif wie für den Wasserstoff.

Zum Vergleich: Ein Dieselfahrzeug, das 6,5 Liter verbraucht, verlangt beim aktuellen Kraftstoffpreis (1,26 Euro pro Liter) nach gut acht Euro pro 100 Kilometer, AdBlue-Kosten nicht eingerechnet. Man spart beim Tanken/Laden also nicht wirklich Geld mit alternativen An­­trieben. Wasserstoff hätte bei großflächiger Verbreitung aber noch deutliches Vergünstigungs-Potenzial.

An Garantieleistungen bietet Hyundai fünf Jahre ohne Kilometerbeschränkung aufs Fahrzeug und acht Jahre auf die Hochvolt-Batterie (bis 200.000 Kilometer). Jaguar ist nicht ganz so großzügig, mit drei Jahren oder 100.000 Kilometer aufs Fahrzeug und acht Jahren oder 160.000 Kilometern auf die Batterie. Dafür ist beim I-Pace das Service drei Jahre lang gratis. Die Servicekosten halten sich dabei aber in Grenzen, weil ja viele Elemente – Motoröl, Zündkerzen, Keilriemen, Öl- und Luftfilter, Zahnriemen etc. – bei Elektroautos wegfallen.

Testurteil

Ein gerechtes Unentschieden. Für den Hyundai Nexo sprechen größere Reichweite, um Licht­jahre schnellere Betankungs-Möglichkeit und der weniger hohe Kaufpreis. Der Kore­aner ist zudem ein sehr praktisches und fein zu fahrendes Auto. Deutlich mehr Fahrspaß und Souveränität sowie eine gehörige Portion Offroad-Taug­lichkeit bringt dagegen der kraftstrotzende Jaguar I-Pace mit. Beeindruckend sind beide Konzepte, jenes der Brennstoffzelle vielleicht noch etwas mehr. Ihrem Durchbruch stehen derzeit aber nicht nur das geringe Modell-Angebot, sondern vor allem die wenigen Auftank-Möglichkeiten im Weg.

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