Um die Besitzer von Rolls-Royce-Automobilen, den Edelschlitten der legendären britischen Automarke (heute im Eigentum von BMW), ranken sich seit Jahrzehnten unzählige Anekdoten. Wer im Österreich der sechziger und siebziger Jahre glaubte, es ins Establishment geschafft zu haben, für den war ein Rolls-Royce demonstrativer Ausdruck seines Erfolgs. Der Maler Ernst Fuchs fuhr einen, der Burgschauspieler Josef Meinrad ebenso; Rechtsanwälte, Nachtlokalbesitzer, Schönheitschirurgen – für sie alle waren die noblen Fahrzeuge mit der „Flying Lady“ auf der Motorhaube begehrenswerte Herzeige-Objekte.
Sogar Niki Lauda erwarb einst einen Bentley S1, identisch mit dem Silver Cloud der Schwestermarke Rolls-Royce, der zwar schon etliche Jahre auf dem Buckel hatte, aber glänzte wie ein Neuwagen. Als Niki einen hässlichen Kratzer auf dem Lack entdeckte, den sich auch die besten Autospengler des Landes nicht anzurühren trauten, ohne den halben Wagen neu
zu lackieren, verkaufte er frustriert sein schönes Stück.
Zu Josef Meinrad, dem sympathischen, bescheidenen Star ohne Affären und Allüren, hat ein Rolls-Royce eigentlich gar nicht gepasst. Deshalb ätzte eine scharfzüngige Burgtheater-Kollegin, als sie von Meinrads ungewöhnlicher Errungenschaft erfuhr: »Seit der Pepi den Rolls hat, ist er noch bescheidener geworden.« Und Helmut Qualtinger, der Bösartige, legte noch eins drauf. »Wenn der Meinrad wirklich reich wär, hätt er einen Chauffeur.«
Als eine britische Reporterin 1968 den Jahrhundert-Schauspieler Oskar Werner während der Dreharbeiten zum Film „Zwischenspiel“ (Werner stellte einen Rolls-Royce fahrenden Dirigenten dar) fragte, ob er sich vorstellen könne, privat einen Rolls-Royce zu besitzen, antwortete Werner: »Ich glaube, in dem Moment, wo ich einen Rolls-Royce fahren würde, in dem Moment hätte ich das Gefühl, ich hab’ mein Talent verloren.« Dieser Wortpfeil, vermuteten damals Insider, richtete sich gegen den Rolls-Royce-Fahrer Josef Meinrad. Werner hat es nie verkraftet, dass nicht er, unumstrittener Genius einer ganzen Epoche, sondern Meinrad den Iffland-Ring erhalten hatte, damals wie heute die begehrteste Auszeichnung für den besten deutschsprachigen Schauspielkünstler.
Weniger emotional, dafür mit typisch englischem Humor reagierte ein britischer Schweinezüchter auf die Frage eines Journalisten, warum er die hintere Sitzbank seines teuren Gefährts ausgebaut habe und Schweine im Fond des edlen Wagens transportiere. »Schweine«, sagte der Mann, »haben mich reich gemacht, also dürfen Schweine auch in meinem Rolls mitfahren.«
Der Rolls-Royce eines renommierten Wiener Scheidungsanwalts, so munkelte man seinerzeit in Wien, war auch der Grund, warum die damalige österreichische Bundesregierung und deren Finanzminister Hannes Androsch bei Pkw den Vorsteuerabzug, also die Rückvergütung der im Kaufpreis enthaltenen Mehrwertsteuer durch das Finanzamt, für Unternehmer und Freiberufler kippte. Der bekannte Anwalt, PR-Genie und Top-Verdiener, hatte sich medienwirksam stets damit gebrüstet, beim Kauf seines 600.000 Schilling teuren Rolls-Royce Silver Shadow die Mehrwertsteuer in Höhe des Preises eines neues Mercedes vom Fiskus refundiert bekommen zu haben, was steuerrechtlich natürlich völlig korrekt war.
Tatsächlich aber änderte die österreichische Regierung bald darauf das diesbezügliche Gesetz, der Vorsteuerabzug für Pkw fiel weg. Im Lauf der Jahre wurde die Regelung übrigens aufgeweicht, bestimmte Vans und neuerdings Elektro-Fahrzeuge erlauben Unternehmern wieder den Vorsteuerabzug. Und über 600.000 Schilling (umgerechnet 43.600 Euro) für einen neuen Rolls-Royce können wir heute herzlich lachen – der billigste Rolls kostet 2022 rund das Achtfache.
Text: Wendelin Narrowetz, Foto: Werk