Norwegen verstehen

5. Juni 2016
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Diese Norweger sind ein komisches Volk. Fördern die doch glatt die Elektromobilität. Dabei könnte man mit den Öleinnahmen so viel sinnvollere Sachen finanzieren. Man könnte, so wie einige Emirate, laufend Protzbauten errichten lassen. Oder etwa im Wege von sunnitisch schiitischen Stellvertreterkriegen den Terror fördern. Saudi Arabien finanziert wenigstens (inoffiziell) die Hamas in ihrem Kampf gegen den gemeinsamen Todfeind Israel. Aber so wie Norwegen Elektroautos subventionieren? Pfui deibl!

Was passiert eigentlich wirklich mit dem Geld das Norwegen dafür bekommt, dass es uns den Rohstoff liefert den wir dann in raffinierter Form durch die Brennräume jagen?

Wer sich abseits des Stockmarismus mit diesem Land beschäftigt hat, wird wissen, dass die Öleinnahmen in den staatlichen Pensionsfonds fließen um auch nach dem Versiegen der Ölquellen kommende Generationen an dessen Erträgen teilnehmen zu lassen. Dieser Pensionsfonds ist mittlerweile der größte Staatsfonds der Welt. Sein Vermögen zum 30. September 2015 betrug 734 Milliarden Euro. Das sind rd. 142.000 Euro pro Einwohner. Zum Vergleich: Wir haben Schulden von von rd. 32.700 Euro pro Schädl. Aus diesem Fond werden jährlich nur rd. 4% der langfristig erwarteten Renditen entnommen. Dafür brauchten die Norweger nicht einmal ein Gesetz. Es wurde 1990 im Parlament beschlossen und jede Regierung danach, egal in welcher Zusammensetzung, hat sich daran gehalten. Kann sich irgendjemand vorstellen, dass so etwas in Österreich funktionieren würde?

Zusammengefasst: Norwegen investiert die Öleinnahmen in einen Zukunftsfonds für die eigene Bevölkerung. Angesichts des Fondsvermögens möge jeder den Steuerausfall durch die subventionierten Elektroautos bitte selbst beurteilen. In Wahrheit leidet Norwegen viel mehr unter dem Verfall des Ölpreises als durch den Steuerausfall. Aber lesen tut es sich halt schön dramatisch

Über die Offshore Erdölförderung brauchen wir uns übrigens weiter keine Gedanken machen. Dank Prof Stockmar wissen wir nämlich, dass das größte Problem die Batterieherstellung und die Kraftwerke sind. Das, was die Erdölindustrie aufführt, ist keine Silbe wert.

Was stellt Norwegen noch Schlimmes an? Ach ja, es hat als traditionelle Schifffahrtnation eine Handelsflotte. Und eine ziemlich große noch dazu. Diese Schiffe bringen uns dann all die schönen Sachen aus China oder sonst wo her, die wir in unserer „Geiz ist geil“ Gesellschaft unbedingt brauchen. Darunter werden wohl auch die auf anderen Kontinenten produzierten Autos sein, die wir dann freudig in Empfang nehmen. Eine globalisierte Gesellschaft bedeutet mehr Transporte. Und da es immer mehr Menschen gibt, wird das auch nicht besser werden. Unbestritten sei, dass Handelsschiffe viel mehr zur Luftverschmutzung beitragen als der Autoverkehr. Allerdings wird das, so wie beim Flugverkehr, leider viel zu wenig thematisiert. Das aber einem einzigen Land vorzuwerfen ist Stockmarismus pur. Übrigens: In Norwegen fährt sein rd. einem Jahr die erste Elektro-Autofähre im Liniendienst. Schon einmal etwas darüber gelesen?

Bleibt letztendlich noch der Walfang über. Der Walfang in Norwegen ist verwerflich jedoch nicht gewinnbringend und muss seit vielen Jahren subventioniert werden, weil erlegte Tiere nicht gleich verkauftes Fleisch sind. Nachzulesen bei WDC, Whale and Dolphin Conservation (früher WDCS). Die weltweit führende gemeinnützige Organisation, die sich ausschließlich dem Schutz von Walen, Delfinen und deren Lebensraum widmet. Die Aussage, dass die Einnahmen aus dem Walfang die Elektroautos subventionieren, ist daher – aus Respekt vor dem Verfasser – „nicht nachvollziehbar“.

Zum Schluss noch ein kleiner Hinweis: Norwegen plant nicht, ab 2025 alles außer Elektroautos generell zu verbieten, sondern nur den Verkauf von Diesel- und Benzinautos. Kein Norweger muss seinen zuvor angeschafften Verbrenner im Meer versenken. Zum Schluss fällt der noch auf einen Wal.

 

 

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