Audi quattro dynamisch auf Schotter

Piëch und Fiala: Frauen-Power bei Audi

3. Juli 2020
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Als Ferdinand Piëch seinerzeit die Idee hatte, den Allradantrieb für Pkw serienreif zu machen („quattro“), meinte sein Audi-Vertriebsvorstand verzweifelt: „Wem, um Himmels Willen, soll ich vierhundert von diesen Dingern verkaufen?“ Piëch freilich ließ sich von solch skeptischen Aufbegehrern nicht aus der Fassung bringen. Aber dann, die Techniker bei Audi weideten sich längst in grenzenloser Begeisterung über den smarten Allradler, wurde ein Prototyp des Quattro zum VW-Entwicklungsvorstand Ernst Fiala, ebenso wie Piëch Österreicher, nach Wolfsburg überstellt.

Der oberste Volkswagen-Techniker musste auch Audi-Kreationen absegnen, das gehörte zum Zeremoniell des Konzerns. Fiala fuhr mit dem Quattro über Weihnachten von Wolfsburg nach Wien und war ebenfalls tief beeindruckt. In Wien chauffierte dann Fialas Gattin Lilly das Auto durch die Innenstadt, ihr Mann saß auf dem Beifahrersitz. Als Frau Fiala die engen Windungen eines mehrstöckigen Parkhauses ansteuerte, verflog die Begeisterung augenblicklich. Lilly sah ihren Ernst irritiert an: „Das Auto zerrt ja in der Lenkung, es hüpft wie ein Bock!“

Für enge Parkmanöver war der ohne Mitteldifferenzial konzipierte Audi ungeeignet gewesen. Es war bis zur Fahrt der Frau Fiala nur niemandem ausgefallen. Die Techniker und Testfahrer waren offenbar nur daran gewöhnt, in schnellem Galopp über Autobahnen und Bundesstraßen zu reiten, Parkgaragen gehörten nicht zu ihrem Revier.

Audi musste dem Quattro, wollte es ihn auch für den Normalverbraucher attraktiv machen, ein Mitteldifferenzial einpflanzen. Verteilergetriebe, wie sie bis dahin gebaut wurden, brauchen jedoch Platz und kosten Gewicht, das gesamte Konzept des Audi Quattro hätte an Raffinesse eingebüßt. Dem damaligen Getriebekonstrukteur bei Audi namens Franz Tengler kam dann die Eingebung mit der berühmten Hohlwelle, die den Allrad-Audi angenehm leichtfüßig beließ – und auch das Lenken in Parkhäusern unproblematisch gestaltete.

Vielleicht aber wäre nicht nur der Quattro ohne die Aufmerksamkeit der Frau Fiala ein Missgriff, sondern auch Ferdinand Piëch ohne seine Ehefrau Ursula niemals zum großen Autogestalter Europas geworden. Als Piëch, damals Entwicklungsvorstand in Ingolstadt, nicht wie erhofft vom Aufsichtsrat zum Audi-Chef ernannt wurde, reichte er sofort den Abschied ein. Seine Ursula aber schickte das Kündigungsschreiben nicht weg. Piëch blieb und wurde kurz danach dann doch Audi- und in weiterer Folge sogar VW-Vorstandschef. Und Frau Piëch später Mitglied des Aufsichtsrates bei Volkswagen an der Seite ihres Mannes.

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Foto: Robert May