Roland Asch und der Mercedes 190 E 2.3-16 DTM von 1988

12. Oktober 2020
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I find des total supa, dasch Du morgen mei Audo fahrscht“. Wenn Roland Aschs Be­geis­terung beim Galadinner am Abschluss-Abend der Ennstal-Classic des Jahres 2011 gespielt ist, dann auf jeden Fall oskar-reif. Die Leidenschaft des sympathischen Schwaben ist an­steckend. „Als ich heute beim Stadt-Grand Prix in Gröbming meine Demo-Runden ge­fahren bin, bei diesen Zuschauer-Massen, da hab ich mich gefühlt wie damals in den Achtzigern.“

Ja ja, die Achtziger, da war die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft noch bunt und inte­ressant und greifbar. Die Markenvielfalt war groß, der Rennverlauf stets spannend, die Nähe zum Serienprodukt offensichtlich. „Front- und Heckdeckel durften aus Kunststoff sein, der Rest der Karosserie war serienmäßig“, erinnert sich Roland Asch. Und der soeben (im Jahr 2020) 70 Jahre jung Gewordene hat dazu gleich eine passende Anekdote auf Lager. Es war 1988, im ersten offiziellen Jahr des Mercedes-Tourenwagen-Comebacks, am Salzburgring, als ihm in der Nockstein­kehre im Training zum DTM-Lauf ein Konkurrent einen Deuter gab und damit seinen 190er zum Ausbre­chen brachte. Ein weiterer Gegner knallte ihm Sekunden­bruch­teile später in die Fahrertür – was den Wagen wieder stabilisierte. Technisch intakt kam der Asch-Wagen an die Box, fürs Ren­nen musste jedoch eine neue Tür her. Die besorgte man sich kurzerhand am Parkplatz von einem Privatauto. Der Besitzer des 190 D bekam ein paar Hundert Schil­ling – und nach dem Rennen eine intakte Pforte zurück.

 

Es sind Geschichten wie diese, die Motorsport-Fans mit Hang zur Nostalgie wehmütig zurück blicken lassen. Und diese Zeitreise unternehmen wir am Tag nach der Ennstal-Classic auf dem Flugplatz Niederöblarn. Mit genau jenem 190 E 2.3-16, mit dem sich Asch 1988 in der DTM-Gesamtwertung nur Klaus Ludwig und dessen aufgeladenem Ford Sierra Cosworth geschlagen geben musste.

Stichwort Cosworth: Die britische Rennschmiede war es ja auch, die dem Mercedes-Vier­zylinder seinen Sechzehnventil-Schädel aufgesetzt hatte. Schon im 185 PS starken Se­rienmodell führte kein Weg an hohen Drehzahlen vorbei, beim DTM-Auto ist die Sache ob spezieller Nockenwellen noch dramatischer: „Zum An­fahren nimmst Du am besten 5000 Touren“, so die einleitenden Worte des Museums-Mechanikers. „Und die Kupp­lung?“ „Sintermetall. Die hält das schon aus.“ Dass der 2,3-Liter-Sauger erst ab 6000 Touren geht, hat Roland Asch am Vorabend schon angedeutet, hier am Flugplatz sollte der Murl nicht über 7000 gejubelt werden, so die höfliche Bitte des Serviceteams. Für ein Mitglied der TDI-ver­wöhnten Autofahrer-Generation ein Drahtseil-Akt am Dreh­zahl-Himalaya.

Für einen jung gebliebenen Mann ohne Hut und Schwarz­weiß-Foto im Führerschein be­deutet es auch einiges an Überwindung, das Triebwerk vor dem Losfahren so hoch zu drehen und die Kupplung bei einer Tourenzahl zu schließen, bei der die meisten Motoren be­reits dem Begrenzer entgegen fiebern. Doch ohne diesen Akt der Brutalität legt der Baby-Benz so lethargisch los wie ein bepflügter Steyr-Traktor. Aber wehe, die Übung mit der beid­beinig-analogen Launch Control gelingt, dann katapultiert es dich raus auf die Betonpiste, als gelte es einer Gewehrkugel nachzujagen.

Im Serienauto mangelte es dem 16V-190er Zeit seines ungetunten Lebens an Gänse­haut-Sound, hier im Resonanzraum einer leer geräumten Limousine schaut die Sache freilich anders aus. Überhaupt erinnert innen nur die Türverkleidung im Sportkaro-Muster an das Serienauto, sie ist neben dem Oberteil des Armaturenbretts das einzige Erinne­rungsstück an den beliebten Baby-Benz, der Ende 1982 sein Debüt feierte und sich auch mit 72 Diesel-PS schämen musste. Mehr als vier Mal so viel Leistung sind es hier im Asch-Auto – und das bei knapp über einer Tonne Leergewicht.

 

Die lange Piste des Flughafens reicht für eine Kostprobe des Beschleunigungsvermö­gens. Und für ein Auskosten der ultradirekten, servolosen Lenkung: Selbst im Highspeed-Bereich folgt die Karosserie jedem Deut am Volant mit sofortigem Einlenken – und bleibt dabei, modifizierter Dämpfer sei Dank, stoisch wie ein Brett. So wie die Steuerung eine harte Hand erfordert, will der DTM-Renner mit einem festen Tritt aufs mittlere Pedal ver­zögert werden. Selbstredend, dass die Bremsen höchsten Ansprüchen genügen, hinter den 18-zölligen BBS-Rädern stecken vorne 332 Millimeter-Scheiben und hinten Pendants in 278 Millimeter – und die werden jeweils von Vierkolben-Sätteln in die Zange genom­men.

Beim abschließenden Rundgang ums Auto will man das Gefühl nicht loswerden, dass es den Bezug zum Serienauto im Tourenwagensport der Achtzigerjahre noch zu fassen gab. „1988, das war mein schönstes Jahr im Motorsport. In dieser Saison hab ich meinen 190er noch selbst am Hänger zu den Rennen gebracht.“ Als der heldenhafte DTM-Mer­cedes nach unserer Probefahrt auf den kleinen Museums-Transporter verfrachtet wird, werden Roland Asch wehmütige Worte plötzlich greifbar.

Fotos: Robert May