Sprachsteuerung: zurück zur Höflichkeit

1. August 2020
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Geräte per Sprachsteuerung zu befehligen hat in unserer Lebenswelt in fast allen Bereichen Einzug gehalten. Sei es „Alexa“ von Amazon in unseren Wohnzimmern, „Siri“ von Apple auf unseren Smartphones oder „Cortana“ von Microsoft am PC. Auch vor den Autos machen diese meist weiblichen Roboterstimmen nicht halt.

Beim neuesten elektrischen VW-Sprössling, dem ID.3, lässt sich mit dem Ausspruch „Hallo ID“ die digitale Assistentin aktivieren. Mit der kecken Ergänzung „Ich will die Sterne sehen“ wird unmittelbar, wie von Geisterhand bewegt, das Dachrollo eingefahren. Mit dem infantilen Ausruf „Mir ist kalt“ wird sofort die Temperatur im Innenraum um ein Grad erhöht. Wer „Ich habe Hunger!“ rausrotzt, erhält Infos über die nächstgelegenen Lokale.

Sollen hier etwa lange in Vergessenheit geratene Männerfantasien befriedigt werden? Was leben wir unseren Kindern vor, wenn allein die Äußerung eines persönlichen Missstandes sofort zu dessen Lösung beiträgt, ohne dass man sich selbst über die mögliche Lösung Gedanken machen muss? Soll und darf in der heutigen Zeit ein einfaches „Ich will“ eine positive Reaktion auslösen?

Was würde ihr Lebenspartner sagen, wenn Sie nach Hause kommen und die Worte „Ich habe Hunger“ ins Wohnzimmer rufen? Wohl nichts Freundliches – und hungrig würden Sie danach erst recht bleiben.

Sollten wir nicht auch Maschinen den notwendigen Respekt zollen und ein Mindestmaß an Umgangsformen entgegenbringen? Geht es nach den Zukunftsforschern, dann sollen diese Systeme noch viel wichtigere Aufgaben übernehmen, wie die Altenpflege, autonomes Fahren bis hin zum Führen des ganzen Haushalts. Wollen wir uns dafür digitale (Achtung, böses Wort!) Sklaven züchten oder einen respektvollen Umgang erhalten?

Oder brauchen wir Maschinen gar, um die aufgestaute Political Correctness abzureagieren? Was ist, wenn wir uns dann an diese Umgangsformen gewöhnen? Im Restaurant reicht dann ein gebelltes „Durst!“, und der Kellner stellt sofort das perfekt temperierte Bier auf den Tresen.

Eher sollten wir die Sprachsteuerung dazu nutzen, den Menschen wieder einen höflichen Umgangston beizubringen. Ohne Bitte gibt es keine Reaktion, ohne Danke wird die Aktion wieder rückgängig gemacht. Nicht immer sollten sich die Hersteller dieser Systeme dem taktlosen Verhalten der Kunden unterwerfen, manchmal muss auch der Kunde erzogen werden. Und wenn es nur für eine bessere Gesellschaft und nicht für den Profit ist.

Foto: Volkswagen