Dass man von Platz nie genug haben kann, zeigt allein die Tatsache, dass der Neue in der Länge um vier Zentimeter und in der Breite um knapp sieben zulegte. Gleichzeitig muss er aber nicht mehr die Rolle des Leitwolfs übernehmen, da demnächst ja der noch mächtigere X7 folgen wird. Hat die vierte Generation also etwas von ihrem Anspruch des luxuriösen Sportgleiters aufgeben müssen? Genau das wollten wir uns etwas näher ansehen. Unser Testkandidat ist die Parade-Bestückung für Österreich: Der Dreiliter-Diesel mit sechs Zylindern und 265 PS ist die vernünftigste Option im Angebot und trifft in Kombination mit der bekannten Achtgang-Automatik von ZF und variablem Allradantrieb auf eine reichhaltige Ausstattung. Von klimatisierten Sitzen über eine aufwändige Luftfederung bis hin zu einer Fülle an Assistenzsystemen ist wirklich alles an Bord, was technisch derzeit möglich ist.
Wer BMW kennt, weiß aber, dass sich die Münchner das alles natürlich fürstlich entlohnen lassen. Allein das First Class-Paket inklusive Vierzonen-Klima, Panoramadach, kühlbaren Massage-Sitzen und Hifi-Sound schlägt mit über 10.000 Euro zu Buche. Das obligatorische Ö-Paket kommt auch auf über 3000 Euro, sodass aus den scheinbar fairen 75.800 Euro Basispreis in unserem Fall selbstbewusste 118.000 Euro werden – und damit wäre noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht.
Dafür muss man sagen, dass sich die Techniker wirklich ins Zeug gelegt haben: Das fängt schon bei den volldigitalen Armaturen an, die vielfach konfigurierbar klar und deutlich alles anzeigen, was wichtig ist.
Die Ergonomie an sich ist ebenso First Class, was nicht nur an der einfachen Menüführung des Infotainment-Systems liegt. Auch die verbliebenen Knöpfe sind schlau positioniert, dazu gibt es eine Sitzposition, die keine Wünsche offen lässt. Die Kombination aus Dreh-und-Drück-Regler und Spracheingabe reicht übrigens völlig. Der Touchscreen ist nur mehr die Kür, und die optionale Gestensteuerung zwar ein netter Gag, aber dank der Lenkradtasten absolut kein Muss.
Fein auch die neuen Platzverhältnisse: Während der X5 im Vergleich zum Vorgänger im Innenraum überall nur um wenige Zentimeter zulegen konnte, ist der Kofferraum dank zehn Zentimeter mehr Breite zu einem gewaltigen Ladeabteil geworden: quadratisch, praktisch, dazu mit der zweigeteilten Heckklappe, die nach oben und nach unten öffnet – ausgerechnet im Kapitel Praktikabilität gibt der Bayer in seinem Segment nun den Ton an.
Doch wie steht es um die altbekannten Tugenden der Fahrdynamik? Der Motor ist laufruhig und durchzugsstark zuzugleich, das hat er schon in zahlreichen anderen Modellen bewiesen. Doch konnte der X5 auch bei der Querbeschleunigung zulegen, zumal es ihn erstmals mit Allradlenkung (1414 Euro extra) gibt?
Wir können vorwegnehmen: Hätte unser Proband nicht ausgewiesene Offroad-Reifen montiert gehabt, hätte er das Zeug dazu, sensationelle Zeiten in den Asphalt des Driving Camps Pachfurth zu brennen. So aber zeigte sich vor allem beim Ausweichtest, dass die Gummis nicht das umsetzen konnten, zu dem das Fahrwerk und vor allem die Lenkung im Stande wären.
Für ein 2,3 Tonnen-Schiff lässt sich der X5 mehr als präzise um die Pylonen wuchten. Im Nu hat man den großen SUV im Griff, weiß sofort, wie weit man gehen kann. Die gute Gewichtsverteilung sowie der hecklastige Allradantrieb tragen ihren Teil dazu bei, dass der Münchner trotz ungünstiger Bereifung in der Slalom-Disziplin absolute Top Werte erzielen konnte.
Das trifft übrigens auch auf die Bremsen zu: Abgesehen davon, dass Fading wohl das Einzige ist, was man bei BMW nicht einmal gegen Aufpreis bekommen dürfte, reduzierten sich die Anhaltewege in allen Disziplinen im Vergleich zum Vorgängermodell trotz der Gelände-Gummis um ganze vier Meter – eine knappe Autolänge also, die über Leben und Tod entscheiden kann.
Es ist schwer, etwas am neuen X5 zu kritisieren zu finden. Sogar die übertriebene Sportlichkeit hat man dem optionalen Luftfahrwerk ausgetrieben, der Lenkung die unnötige Härte. Bleibt also nur die Frage, ob man ein 2,3 Tonnen-Schiff für über 100.000 Euro in Zeiten wie diesen noch braucht. Die Antwort darauf dürfte der kommende X7 aber schon gegeben haben.
Fahrwerk & Traktion – Das optionale Luftfeder-Fahrwerk dämpft und federt stets souverän, schluckt jede Unebenheit, fühlt sich dennoch nie schwammig an. Weitgehend neutral abgestimmt, dank Aufpreis-Allradlenkung agil wie ein X3, zudem frei von Lastwechsel-Tendenzen.
Stock & Stein – Die montierten Offroad-Reifen sorgen für viel Grip, die Bodenfreiheit reicht für österreichisches Unterholz locker. Diverse Geländefahr-Hilfe an Bord, das Offroad-Paket hat sogar eine Differenzialsperre.
Cockpit & Bedienung – Dank großem Touchscreen, Sprachsteuerung und Dreh-und-Drück-Regler gute Ergonomie, die Gestensteuerung kann man sich eigentlich sparen. Alle verbliebenen Knöpfe gut erreichbar und logisch platziert. Angenehme und tadellose Sitzposition, Übersicht ganz OK, Rückfahrkamera ist aber ohnehin Serie.
Innen- & Kofferraum – Ordentliche Platzverhältnisse in beiden Reihen, vor allem enorme Innenbreite. Jede Menge Ablagen auch für große Gegenstände, die Becherhalter sind optional sogar kühl- und beheizbar. Praktisch: Neben USB-Slot auch schon USB-C-Ports vorne wie hinten. Kofferraum: wirklich groß, sehr breit, Ladefläche bleibt auch nach Umklappen der Fondlehnen eben.
Dran & Drin – BMW-typisch ab Werk eher mager bestückt. Das Ö-Paket gilt fast als Pflicht-Extra. Gegen Aufpreis gibt es die feudalsten Dinge, bis hin zu Massage-Sitzen und Glas-Schaltknauf. Verarbeitung und Material-Wahl ohne Tadel, nur das Schließ-Geräusch der Türen klingt etwas billig.
Schutz & Sicherheit – Die übliche Mitgift an E-Fahrhilfen und Airbags. Gegen Aufpreis große Auswahl an Assistenzsystemen. Faszinierend, wenn auch eher sinnbefreit: das Nachtsichtgerät.
Sauber & Grün – In Anbetracht der Größe durchaus kommoder Verbrauch. Das Start/Stopp-System arbeitet flink und nahezu unmerklich.
Preis & Kosten – Alles andere als günstig, mit standesgemäßer Ausstattung ist man schnell in sechsstelligen Regionen – so wie bei Audi und Mercedes auch. Mager: nur zwei Jahre Garantie-ähnliche Gewährleistung. Klassentypisch enormer Wertverlust in den ersten Jahren zu erwarten.

