In der Elektroauto-Debatte hat sich vor einiger Zeit der Begriff „R.I.P.“ etabliert. Er steht für die drei Kernfaktoren, die Strom-Offerte mitbringen müssen, damit sie bestehen können: Reichweite, Infrastruktur und Preis. Beim Blick auf den getesteten Kia e-Niro können zumindest die beiden Punkte, die der Koreaner selbst besorgen kann, durchaus positiv abgehakt werden: Realisitische 400 Kilometer Reichweite im Alltag langen nicht nur für die Wege zu Arbeit und Einkäufen, sondern auch für die eine oder andere Freizeit-Fahrt. Und während der Preis zwar deutlich über dem der konventionell angetriebenen Niros liegt, darf er zumindest im Vergleich zu Tesla & Co. als Okkasion gesehen werden.
Unter anderem auch deswegen, weil einem der e-Niro bei allen Öko-Bestrebungen keinerlei Verzicht aufbürdet. Ganz im Gegenteil: Das Fahrgefühl ist gut, die Verarbeitung tadellos, der gebotene Platz überaus reichlich und die Ausstattung Kia-typisch üppig. Und wer das Gefühl hat, eh nie 400 Kilometer am Stück fahren zu wollen, kann sogar noch 4400 Euro sparen und zur Version mit dem kleineren 39,2 kWh-Akku und 289 Kilometern theoretischer WLTP-Reichweite greifen.
Motor & Getriebe – Naturgemäß überaus antrittsstarker, dazu auch bei höheren Geschwindigkeiten immer noch sehr kräftig wirkender Antrieb.
Fahrwerk & Traktion – Die Vorderräder sind mit der spontanen Power des E-Motors schnell überfordert, das ESP kappt dann den Vortrieb. Dank tiefem Schwerpunkt satte Straßenlage, komfortables Fahrwerk, mäßig gefühlvolle, direkte Lenkung. Radar-basierte, automatische Rekuperations-Abstufung, Zusammenspiel von Rekuperation und Bremsen funktioniert gut, die Eisen werden nur für die letzten Meter zum Stillstand oder bei Vollbremsungen benötigt.
Cockpit & Bedienung – Flott agierendes und intuitiv bedienbares Infotainment-System. Ergonomie und Übersicht sind gut, Rückfahrkamera ist Serie. Sitzposition ohne Tadel, bequemes Gestühl.
Innen- & Kofferraum – Ordentliches Raumangebot auf allen Sitzplätzen. Gut nutzbarer, ausreichend großer Kofferraum mit kleinem Unterflur-Fach. Mittels 2:1 getrennt umlegbarer Fondlehnen eben erweiterbar. Viele Ablagen, üppig dimensioniert und gut nutzbar.
Dran & Drin – In der getesteten Top-Ausstattung bleiben keine Wünsche offen. Als Extras nur Metallic und Schiebedach. Materialien und Verarbeitung tadellos. Der Griff zum kleineren Akku spart 4400 Euro.
Schutz & Sicherheit – Viele aktuelle Assistenzsysteme, allesamt als Teil der Serien-Mitgift. Sieben Airbags.
Reichweite & Laden – 400 Kilometer Reichweite durchaus realistisch. Im Winter sollte man eher mit 300 kalkulieren – vor allem wenn auch die Autobahn benutzt werden soll. Dank 100 kW-Schnellladen ist ein leerer Akku nach knapp unter einer Stunde wieder zu 80 Prozent voll, mit 50 kW dauert es rund 75 Minuten (an der Haushaltssteckdose bis zu 31 Stunden).
Preis & Kosten – Der technisch quasi identische, aber etwas kleinere Hyundai Kona Elektro kostet einen Tick weniger. Die restlichen E-Autos am Markt sind entweder schwächer und kleiner oder größer und stärker. Konkurrenzlos: sieben Jahre Garantie. Fragliche Werthaltung.
Durch den Wegfall eines Getriebes wurde die Mittelkonsole überarbeitet und ein großes und praktisches Ablagefach eingefügt. Der restliche Arbeitsplatz ist gewohnte Niro-Kost, also ergonomisch einwandfrei und gut verarbeitet.
8.3
FAZIT
Rundum überzeugendes E-Auto mit hohem Praxisnutzen.
Motor & Getriebe
Fahrwerk & Traktion
Cockpit & Bedienung
Innen- & Kofferraum
Dran & Drin
Schutz & Sicherheit
Reichweite & Laden
Preis & Kosten
Permanentmagnet-Synchronmotor mit Flüssigkeits-Kühlung, Spitzenleistung 204 PS (150 kW), Nenndauerleistung 39 PS (29 kW), max. Drehmoment 395 Nm bei 0–3600/min, Li-Ionen Polymer-Akku 64,0 kWh, Vorderradantrieb, Scheibenbremsen v/h, L/B/H 4355/ 1805/1535 mm, Radstand 2700 mm, 5 Sitze, Wendekreis 10,6 m, Reifendimension 215/55 R 17 (Testwagen-Bereifung Continental Wintercontact), Reichweite 331 km, Kofferraumvolumen 451–1405 l, Leergewicht 1790 kg, zul. Gesamtgewicht 2230 kg, max. Anh.-Last – kg, 0–100 km/h 7,8 sec, Spitze 167 km/h, Kfz-Steuer (jährl.) keine, Werkstätten in Österreich 110, Service alle 15.000 km (mind. 1x/Jahr), Normverbrauch (Mix) 15,9 kWh, Testverbrauch 19,3 kWh
Front-, vordere Seiten- und durchgehende Kopfairbags, Fahrer-Knieairbag, Spurhalte-Assistent, Toterwinkel- und Querverkehrs-Warner, Radar-Tempomat mit Notbremsfunktion, LED-Scheinwerfer, Klimaautomatik, 8 Zoll Touchscreen mit Navigation, Radio, Apple Carplay, Android Auto und 7 LS, Bluetooth für Telefon und Audio, AUX/USB/iPod-Schnittstelle, induktive Handy-Ladenstation, Außenspiegel elektr. verstell-, beheiz- und klappbar, autom. abblend. Innenspiegel, vier E-Fensterheber, Einparkhilfe v+h, Rückfahrkamera, Licht- und Regensensor, Multifunktions-Lederlenkrad, Lederpolsterung, E-Fahrersitz mit Memory-Funktion, Sitzheizung v+h, Sitzkühlung v, Lenkrad-Heizung etc.
E-Schiebedach € 500,–, Metallic-Lack ab € 600,–
Mozl
( 11. April 2019 )
Für mich sind E-Autos mit solchen Riesen-Akkus nicht der ideale Weg. Das trifft auch auf den Audi e-Tron zu. Das ideale Einsatzgebiet für Elektroautos sind die Stadt und deren Umland, wo Haus- und Wohnungsbesitzer die Möglichkeit haben, mittels Wallbox zu laden. Nachdem sie das praktisch täglich tun können benötigen sie keine Elektroautos mit großen Reichweiten.
Rolex
( 12. April 2019 )
Mozl, ich stimme mit Dir überein. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass E-Autos nur in diesem Anwendungsbereich eine Alternative zu herkömmlich betriebenen PKW und damit für den Großteil der Österreicher (die außerhalb der Städte wohnen oder aber regelmäßig längere Distanzen zurücklegen) nicht in Frage kommen. Würden.
Bzw. höchstens als Zweitauto – wenn man siche diesen Luxus gönnen kann oder muss.
Mozl
( 12. April 2019 )
Ahoi, in Österreich leben mehr Menschen in Städten und deren Umland als am “Land”. Die jährlichen Fahrleistungen der Autos sinken stetig. Die Anzahl jener Menschen, die ein Auto mit großen Reichweiten benötigen ist daher verhältnismäßig gering. In Österreich gab es 2016 bereits 1,38 Millionen Zweitautos. Viele davon werden nur benötigt um die Kinder in die Schule zu bringen oder um den Einkauf zu erledigen. Wenn es gelänge, wenigstens einen Teil davon elektrisch zu betreiben, wäre bereits viel erreicht.
Rolex
( 13. April 2019 )
Privat – ja. Aber Du darfst nicht vergessen, dass großer Teil der PKW gewerblich zugelassen sind. Hier geht es neben Wirtschaftlichkeit hauptsächlich um km-Leistung und Reichweite.
Bezüglich privater Zweitwagen: ja – das wäre die ideale Zielgruppe für E-Autos. Aber wer bitte gibt 30k€ oder mehr für einen Zweitwagen aus?
Mozl
( 15. April 2019 )
Lieber Rolex, viele sog. Firmenautos werden heute anstelle einer Gehaltserhöhung überlassen. Dadurch erhöht sich nicht die Kilometerleistung des Mitarbeiters. Er fährt halt von Mödling statt mit dem Privat-PKW mit dem Firmen-PKW zur Arbeit nach Wien. Die Gruppe der Außendienstmitarbeiter, die kreuz und quer durch die Lande fahren müssen ist im Verhältnis zu den anderen PKW-Nutzern gering.
Rolex
( 16. April 2019 )
Weiß ich – kam bei meinem früheren Arbeitgeber auch in diesen Genuss. Mein jetziger Jobgeber macht das aus Prinzip nur für die Top-Positionen, bietet dafür aber kostenlose E-Ladestationen am Parkplatz für die Mitarbeiter. Die Mischung würde es machen. Wenn dann nicht der Sachbezug wäre, der auch vom (hohen) Kaufpreis abhängt. Und die nach wie vor eingeschränkte Fahrzeug-Auswahl im E-Segment. Da gäbe es noch ein paar Stellschrauben, mehr E-Vehikel unters Volk zu bringen…
Aber nicht für alle Leute relevant – siehe vorige Postings.
Mozl
( 16. April 2019 )
Hallo, für reine Elektroautos muss kein Sachbezug angerechnet werden. Ein Vorteil, den mE viel zu wenig Arbeitnehmer mit einem Firmen-PKW in Anspruch nehmen.