Trau di, Audi: Das wird der neue A6

7. Dezember 2016
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Aktuelles

Prologue ist momentan das Codewort, um das sich bei Audi alles zu drehen scheint. 2014 und 2015 tourte die ansprechende Designstudie dieses Namens durch die diversen Autoshows von Los Angeles bis Shanghai. Dass die künftigen Modelle A6 und A8 viel von ihrem Design übernehmen sollen, wurde eifrig beteuert und wenig geglaubt, des markentypischen Hanges zum Konservativen wegen.

Nun könnte sich das Blatt doch gewendet haben – im Sog des Diesel-Abgasskandals braucht die Marke dringend ein Leuchtturm-Projekt, mit die Ingolstädter ihren zuletzt weg geschmolzenen Vorsprung durch Technik reanimieren können. Das Verschie­ben der Modellwechsel nach hinten macht Hoffnung, dass nun etwas wirklich Beeindruckendes in der Pipeline ist. Also mehr, als die x-te Auflage eines TDI mit Allrad und dem virtuellen Cockpit, dass ja sogar schon der nächste Golf adoptieren wird.

An der Studie Prologue könnte sich der A6 auch in Sachen Innenarchitektur orientieren. (Bild: Werk)

An der Studie Prologue könnte sich der A6 auch in Sachen Innenarchitektur orientieren. (Bild: Werk)

Die Buschtrommeln vermelden, dass der nächstes Jahr erscheinende A6 diesen Paukenschlag als das wohl erste wirklich vollautonom fahrende Auto liefern wird. Als simple Anwendung mit einer One-Touch-Funktion ohne erst komplizierte Parameter festzulegen – das System soll auf Knopfdruck aktiviert sein und der Computer damit automatisch das Kommando übernehmen.

Der somit zum Passagier gewordene Fahrer kann die Funktion jederzeit ausschalten oder die Hoheit über das Auto mit einem Lenkeingriff wieder übernehmen – ähnlich, wie schon jetzt der Tempomat durch Betätigung der Bremse deaktiviert wird. Ist der Autopilot an, ist vom Menschen keinerlei Aktion mehr gefragt – das System fährt eigenständig und -verantwortlich. Was auch juristisch weitreichende Konsequenzen nach sich zieht: Damit ist bei einem Fehler oder Versagen des Systems automatisch der Hersteller in der Pflicht. Audi muss sich seiner Sache also sehr sicher sein – nach dem Diesel-Gate auch noch ein Pilot-Gate wäre für den ganzen Konzern existenzbedrohend.

Mehr Charakter, schärfere Kanten, weniger Krawattenträger-Image: So wird wohl der neue Audi A6 aussehen,  enn er nächstes Jahr in die Schauräume kommt. (Bild: Pobletepress)

Mehr Charakter, schärfere Kanten, weniger Krawattenträger-Image: So wird wohl der neue Audi A6 aussehen, enn er nächstes Jahr in die Schauräume kommt. (Bild: Pobletepress)

Der technische Führungsanspruch soll sich auch im Innenraum wiederspiegeln. Ein weitreichend mit Bildschirmen gestaltes Cockpit wie im Audi E-Tron ist naheliegend – vermutlich in OLED-Technik ausgeführt, mit denen auch gekrümmte und strukturierte Display-Oberflächen möglich sind. Das ganze kombiniert mit erweiterter Sprach- und – erstmals bei Audi – auch Gestensteuerung.

Beim Außendesign muss Audi einen Spagat zwischen der glaubwürdigen Darstellung des High-Tech-Anspruchs und markttauglicher Vernunft finden – immerhin soll der A6 auch als dienstwagenfähige Abteilungsleiter-Version bestehen. Anleihen bei der Prologue-Studie sind für beide Anforderungen durchaus tauglich: Ein breiterer, aber weniger hoher Singleframe-Grill, schärfer geschnittene Scheinwerfer und etwas weniger Bügelfalte an den Flanken. Der Avant wird seiner Tradition als Sportkombi treu bleiben, seine Heckpartie noch flacher ausgeführt sein, aber trotzdem auf Distanz zu einem Shooting -Brake-Design wie bei Mercedes bleiben – diese Disziplin soll eine künftige A7-Variante bespielen.

Mit einem Mix aus frischem Look und Tradition will Audi sogar gegen das hippe Image von Tesla antreten und die Elektro-Pioniere in ihrer Königsdisziplin schlagen: der technischen Innovation. (Bild: Pobletepress)

Mit einem Mix aus frischem Look und Tradition will Audi sogar gegen das hippe Image von Tesla antreten und die Elektro-Pioniere in ihrer Königsdisziplin schlagen: der technischen Innovation. (Bild: Pobletepress)

Was Motoren und Antrieb angeht wird abgesehen von den üblichen Updates der aktuellen Volumens-Aggregate und des Einzugs von Turboladern mit elektrischem Vorlauf wohl auch der schon öfters angekündigte Mild-Hybrid seine Premiere feiern – flankiert von einem Power-Hybrid für S6/RS6, der mit deutlich über 600 PS kombi­nierter Systemleistung protzen soll. Von bis zu 750 Pferdestärken träumen Audi-Fans gar in einschlägigen Internet-Foren – das wird wohl eher ein bitteres Aufwachen.

Realer scheinen da schon die 400 PS des Diesel-Topmodells mit V8, starten wird die Palette wohl bei rund 150 TDI-PS, ein gleich starker Benziner mit 1400 Kubik könnte den Einstieg markieren. Und auf Basis des A6 soll bald auch ein Elektroauto nach­gereicht werden, das echte 400 Kilometer Reichweite schafft, sich äußerlich aber deutlich von seinem Mittelklasse-Verwandten abheben wird.

Der A6 Avant folgt 2018 und wird noch sportlicher in seiner Linie, das Heck noch flacher. Über einen Shooting Brake traut sich Audi aber – zumindest beim A6 – nicht. Auf jeden Fall wieder geplant: die hochgelegte Allroad-Variante. (Bild: Reichel Car Design)

Der A6 Avant folgt 2018 und wird noch sportlicher in seiner Linie, das Heck noch flacher. Über einen Shooting Brake traut sich Audi aber – zumindest beim A6 – nicht. Auf jeden Fall wieder geplant: die hochgelegte Allroad-Variante. (Bild: Reichel Car Design)

Ob Audi mit dem A6 wirklich offensiv genug auftritt, um die 180 Grad-Wende vom soliden Langweiler zum hippen Technologieträger zu schaffen und sich damit nicht nur gegen die Premium-Konkurrenz, sondern auch gegen Tesla aufzustellen, hängt vom Mut und Willen der Entscheidungsträger ab. Niemand soll sagen, es wäre un­möglich – ein gewisser Ferdinand Piech hat das Anfang der 80er-Jahre schon einmal durchgezogen. Allerdings hatte der damals nichts zu verlieren – wird dürfen also gespannt sein, wieviel Mut Audi 35 satte Jahre danach noch aufbringt.