Die Verbrenner-Deadline für 2035 war dazu gedacht, den Absatz von Elektroautos anzukurbeln. Inzwischen wird sie aber zum Bumerang, der die Industrie trifft.

Die Zwangsmaßnahmen zugunsten der E-Mobilität zeigen Wirkung. Allerdings nicht die, die damit beabsichtigt war. Was jeder gute Vertriebs-Mitarbeiter weiß, ist EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihren Brüsseler Spitzen offenbar bis heute fremd: Dass Druck in etwa das schlechteste Verkaufsargument von allen ist. Und am ehesten eines erzeugt: Gegendruck. Je eifriger das offizielle Credo vom Aus für Benziner und Diesel getrommelt wird, desto stärker formiert sich der Widerstand. Er muss dafür keine Demonstrationen organisieren und mit Transparenten durch die ­Straßen marschieren. Das Ganze funktioniert in einer immer noch weitgehend freien Marktwirtschaft viel basisdemokratischer: über das Kauf­verhalten der Menschen.

Wie und wofür der Kunde sich zunehmend entscheidet, sollte bei den Herstellern längst sämtliche Alarmglocken schrillen lassen. In der EU stagniert der Neuwagenmarkt, während der für Gebrauchte boomt. Das Elektro-Segment ist im europäischen Schnitt noch stärker rückläufig als in Österreich. Die Second-Hand-Bestseller sind mit deutlich über 50 Prozent Diesel – also genau das, was bei vielen Marken mittlerweile aus dem Neuwagen-Programm gestrichen wurde. Als unmittelbare Auswirkung steigt das Alter des Pkw-Bestands laufend an.

Davor, dass all das geschehen würde, ist – unter anderem auch an dieser Stelle – umfassend gewarnt worden. Letztlich gab es genug Beispiele. Etwa im angeblich so elektroaffinen Skandinavien. In ländlichen Regionen Schwedens oder Norwegens wirkt ein durchschnittlicher Parkplatz, als würde gerade ein Treffen des Volvo-Klassik-Clubs stattfinden. Das Durchschnittsalter beträgt etwa 30 plus – der Autos, nicht der Fahrer, von denen sind viele jünger. Der Grund liegt in den dort seit vielen Jahren verhängten immensen Straf-Steuern für Neuwagen. Sie werden damit trotz der hohen Einkommen für immer mehr Menschen unattraktiv. Also greift man zu dem, was da ist, nicht rostet und auch mit dem vierten Tausch­motor brav den Dienst versieht, für den sich das ­steuerbegünstigte Elektroauto leider nicht eignet. Der Neuwagen-Markt ist in diesen Ländern gemessen an der Kaufkraft – auch das zur Korrektur des E-Jubels – unterdurchschnittlich klein.

Aber nein, die Politik irrt nicht, also wird der Druck noch erhöht. Neue oder höhere Steuern auf Verbrenner sollen nach EU-Willen künftig den Umschwung bringen. Zu Hilfe kommt auch die durchaus willkommene Unschärfe in der medialen Berichterstattung – sie führt dazu, dass immer mehr Menschen denken, Verbrenner-Verbot würde bedeuten, dass sie in zehn Jahren gar keinen Benziner oder Diesel mehr fahren dürfen und ihre aktuellen Autos dann wertlos sind.

Was natürlich falsch ist – die Gebrauchten werden im Gegenteil gefragter sein denn je. Und das Verbot betrifft, wenn es nicht gekippt wird, worauf derzeit eher die Zeichen stehen, lediglich den Neuwagen-Verkauf. Falls sich der bisherige Trend fortsetzt, wird der dann aber ohnehin nur noch eine kleine Minderheit interessieren. Der Rest dürfte die Langzeitnutzung zur Norm erheben – übrigens eine durchaus umweltfreundliche Variante, weil damit die Energie- und CO2-intensive Herstellung von Neuwagen vermieden wird. Das wie­derum kann und darf nicht im Sinne der In­­dustrie sein. Vielleicht wird es Zeit, dass sie sich eine ­Alternative zur Verbots-Kultur überlegt.

Foto: Robert May

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