Verbrennungsmotoren-Entwicklung

An das Verbrenner-Aus ab 2035 glaubt inzwischen kaum noch jemand. Stattdessen wird weltweit in die Entwicklung neuer Motoren-Generationen investiert. Wie das diesbezügliche Match Asien gegen Europa verlaufen wird, ist freilich offen.

Ein Symptom der Elektro-Blase war es einige Zeit lang, den Benzin- und Diesel-Motor als ohnehin nicht mehr entwicklungsfähig zu bezeichnen. Was faktisch falsch und dazu nicht einmal neu war: Ein Blick in die Archive belegt, dass Unwissende mit dieser Meinung auch schon in den 60er-Jahren hausieren gegangen sind – da fuhren die meisten Autos noch mit Vergasern und Zweiventil-Technik.

Ähnlich nostalgisch wird in einigen Jahrzehnten eventuell der heutige technische Standard anmuten. Die nächsten Entwicklungsstufen des thermischen Antriebs werden etwa neue Materialverbund-Arten und Le­gier­ungen beinhalten – das auch in Hinsicht auf künftige Treibstoff-Arten. Je nach Markt und Ausrichtung müssen die Motoren der nahen Zukunft außer Sprit fossiler Herkunft auch Ethanol, Ammoniak, biogene Kraftstoffe sowie E-Fuels verbrennen können – und mit möglichst geringen Anpassungen auch Wasserstoff. Welche Lösungen hierfür genau zur Anwendung kommen, geben die Entwickler naturgemäß aktuell nicht preis. Dass all das meist im Zusammenspiel mit einer Teilelektrifizierung pas­sieren muss, wird aber weitgehend bestätigt – gemeint sind Hybride verschiedener Bauart von Mild über klassisch bis zu Plug-In.

Ändern wird sich künftig mit Sicherheit aber das Größenverhältnis zwischen Benzin- und Elektro-Power an Bord. Der 1,2-Liter-Dreizylinder-Mildhybrid der Stellantis-Gruppe geht bereits ein wenig in diese Richtung – mit 28 Stromer-PS bei je nach Ausbaustufe 100 oder 136 Verbrenner-PS ist der elektrische Output größer als bei den in wesentlich höheren Leistungsklassen rangierenden Kompakt- und Mittelklasse-Modellen von BMW und Mercedes. Und auch das Verschleifen der beiden Systeme zu einem kompakten Gesamteindruck funktioniert selbst in Kombination mit dem kleinvolumigen Benziner immer besser.

Der Mitbewerb aus Asien hat besonders die Zeit des hiesigen Stillstands während Corona bestens genutzt, um seinen Rückstand auf dem Gebiet der thermischen Antriebe aufzuholen. Die großen Player aus China ­stehen heute ganz oben auf der Liste der Top-Entwickler für Verbrennungsmotoren. Geely hat bereits gemeinsam mit Renault das Joint Venture Aurobay laufen, das auf dem Weg ist, zum weltweit größten Motoren-Ausrüster von Benzinern und Hy­briden aufzusteigen.

Die SAIC-Tochter MG verkündete erst kürzlich das Re-Branding von MG Electric zu MG Hybrid, womit die Stoßrichtung hier ebenfalls klar ist. Die Hy­brid-Modelle der Chery-Marken Omoda und Jaecoo laufen zum Teil in einem Joint Venture mit der spanischen Nutzfahrzeug-Marke Ebro in Barcelona vom Band – in einem ehemaligen Nissan-Werk.

BYD will in Kürze einen Hybriden mit über 2000 Kilometern Reichweite bringen und legt es offenbar sogar auf die Marktführerschaft an: Derzeit werden im Akkord-Tempo Fabriken errichtet, deren Gesamt-Output an Fahrzeugen hoch genug sein dürfte, um Toyota die Nummer eins im weltweiten Hersteller-Ranking streitig zu machen.

Eine Position, von der sich die Japaner allerdings nicht so leicht verdrängen lassen werden – und auch hier steht der Verbrennungs-Hybrid-Motor bereits als primäre Anwendung für die nahe Zukunft fest. Die kürzlich dafür verkündete „Multipathway“-Allianz von Toyota, Mazda und Subaru setzt auf kompaktere Aggregate. Ein Engineering, das den einzelnen Herstellern Spielraum für ihre technische Identität lässt – und das Forcieren von nicht fossilen Kraftstoffen aller Art.

Nissan hat zwar in Europa viele spannende Modelle ausgemustert, ließ aber kürzlich mit dem Patent eines Carbon-Motorblocks aufhorchen. Vorerst dürften ihn die anderswo unverändert angebotenen Sportmodelle wie GTR oder Z erhalten – wegen der hervorragenden thermischen Eigenschaften ist ein späteres Durchreichen in die „zivileren“ Baureihen aber nicht ausgeschlossen.

Die Verschiebung des Entwicklungsschwerpunkts Richtung Asien verursacht bei Experten bereits Bedenken. Motoren-Guru Prof. Friedrich Indra meint dazu: „Der Verbrennungsmotor wird für lange Zeit die dominierende Antriebsquelle für die meisten Fortbewegungsmittel bleiben. Er kann dabei mit vielen flüs­sigen, gasförmigen oder auch klima­neutralen Kraftstoffen betrieben werden. Leider scheint ein Großteil der Weiterentwicklung derzeit nicht in Europa, sondern in Asien zu passieren.“

Was also macht Europa? Es bewegt sich wie immer mit der Behäbigkeit eines Ozeandampfers. VW leitet nun angesichts des Überdrucks aus Asien 60 Milliarden Euro aus dem bisher für die Elektro-Sparte vorgesehenen Topf zur Entwicklung neuer Benzin- und Diesel-Aggregate um. Eine späte, aber dringend notwendige Entscheidung, um konkurrenzfähig zu bleiben und die Fehlentscheidungen aus der Diess-Ära zu korrigieren.

BMW hat aus seinem zumindest Auch-Festhalten an Benziner und Diesel nie einen Hehl gemacht. Bei Mercedes ist davon hingegen noch verhältnismäßig wenig zu hören. Zumindest in Daimlers Edel-Schmiede AMG in Affalterbach geht der Trend aber offenbar wieder von den bei den Kunden ungeliebten Vierzylindern weg in Richtung mehr Töpfe und Hubraum – neue Power-Hybride mit sechs und acht ­Zylindern sind angeblich bereits seriennah in der Pipeline. Und auch ganz oben streckt man sich in diese Richtung: Bugatti hat unlängst einen neuen 16-Zylinder bestätigt – und auch der kommt mit E-Schubhilfe.

Foto: Robert May

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