Ernst Fiala war Technikvorstand von VW, als 1974 der Golf vorgestellt wurde. Der spätere Bestseller fand anfangs kaum Käufer. Im Gespräch mit Günther Effenberger verrät Fiala, warum.
Alles Auto: Die Journalisten schreiben gern: Der Fiala ist der Vater des Golf. Und Sie, der bescheidene Professor, sagen dann immer, dass das so nicht ganz stimme.
Fiala: Natürlich nicht. Denn gezeugt, wenn man diesen Vergleich hernehmen will, habe ich den Golf nicht. Ich war eher Mutmacher, Arzt und Geburtshelfer. Als ich 1972 mit der Leitung des Projekts „Käfer-Nachfolger“ betraut wurde, zweieinhalb Jahre vor dem Marktstart, war die Entwicklung schon fortgeschritten. Aber es liefen mehrere Entwicklungen parallel. Die Frage war: Was ist machbar, was verspricht den größten Erfolg? Und da war ich am Zug.
Alles Auto: Und Sie haben dann alles umgekrempelt. War’s so schlimm bestellt um das ungeborene Kind?
Fiala: Na ja…Eigentlich sollte der Audi-Mann Ludwig Kraus den Job übernehmen. Aber der fühlte sich nicht gesund und wollte keine große Aufgabe mehr anfangen. Kraus, er kannte mich aus unserer gemeinsamen Zeit bei Mercedes, hat dann dem VW-Konzernchef Rudolf Leiding mich empfohlen. Ich hab Leiding getroffen, und wir hatten prompt unterschiedliche Meinungen. Da habe ich gesagt: Nehmen S’ doch den Kraus! Und Leiding hat gesagt: Der Kraus hat Sie empfohlen. Jetzt hatte der Leiding zwei Kandidaten, von denen es nur einer machen wollte – und das war ich. Die Aufgabe, einen Käfer-Nachfolger zu finden, war offenbar abschreckend.
Alles Auto: Warum das?
Fiala: Der Käfer war veraltet, das als Nachfolger geplante Modell mit Mittelmotor, eine Porsche-Entwicklung, war schön zu fahren, eine feine Heckschleuder. Aber nicht auszudenken, wenn uns die Journalisten in Amerika deshalb in der Luft zerrissen hätten. Übersteuern war dort gerade in medialen Verruf geraten. Die Entscheidung fiel dann auf den Typ mit Frontantrieb, also den Golf. VW machte damals riesige Verluste, hatte dementsprechend schmale Budgets, und alle wussten: Wenn der Neue nicht einschlägt, ist es das Ende.
Alles Auto: Und Sie waren mit dem Golf, wie er Ihnen da als Embryo präsentiert wurde, nicht zufrieden?
Fiala: Ich habe noch viel verändert.
Alles Auto: Sie untertreiben zart. Frontantrieb und Quermotor sind geblieben, das war’s. Und dann kam Fiala.
Fiala: Die Karosserie kam von Giugiaro, hat aber etwas hausbacken ausgeschaut. Wir haben sie vorne abgesenkt, Spoiler drunter, hinten Abrisskante, einen Bürzel, das war nicht nur fürs Auge gut, auch für die Windschlüpfigkeit. Für mich war auch die Optik wichtig, Gott sei Dank hat Leiding das auch so gesehen. Wir sind damals jedenfalls ein hohes Risiko eingegangen. Die Alu-Kühler, die wir statt der gelöteten Kupfer-Kühler einbauten, waren billiger, aber es gab überhaupt keine Erfahrungswerte und ein Haltbarkeitsrisiko. Ich wollte diese Änderungen unbedingt haben, aber sie haben viel Geld gekostet. Auch deshalb, weil sie oft schon fertige Werkzeuge betrafen. Aus Zeitgründen war alles schon kritisch, aber Leiding, sonst ein rigoroser Sparkünstler, stand immer hinter mir.
Alles Auto: Und dann hat der Golf voll eingeschlagen.
Fiala: Aber nur bei den Journalisten, die haben uns sofort über den grünen Klee gelobt. Sie übrigens auch (siehe Artikel-Ausschnitt unten). Aber Erfolg bei den Kunden? Wo denken Sie hin! Das Gegenteil war der Fall. Just als der Golf herauskam, hat Opel die Marktführerschaft übernommen. Alle Opel-Mitarbeiter bekamen ein Emblem auf die Brust geklammert, darauf stand: Opel die neue Nummer eins! Das war furchtbar.
Alles Auto: Die Presseabteilung von VW sprach damals schon von einem gigantischen Starterfolg.
Fiala: Die Presseleute sagen immer, was Sie sagen müssen. Das wissen Sie doch.
Alles Auto: Warum wollten die Kunden den Golf nicht?
Fiala: Jahrelang haben VW-Werbung und VW-Verkäufer den Käfer angepriesen: Luft kann nicht frieren, und beim Heckmotor fährt das Auto dem Geräusch davon. Und dann der Golf! Wassergekühlter Frontmotor! Sie können sich vorstellen, was da los war.
Alles Auto: Und wann kam tatsächlich der große Verkaufserfolg?
Fiala: Natürlich hat eine so riesige Organisation wie VW mit ihren vielen Händlern den Golf langsam in den Markt hineingedrückt. Aber der wirkliche Erfolg für den Golf, auch für den normalen, kam 1976 mit dem GTI.
Alles Auto: Schon wieder eine Fiala-Erfindung?
Fiala: Ja, das war so eine Idee von mir. Vorbild war der BMW 2002. Viel Motor, leicht, wenig Auto. Und ich sagte, wir haben auch so ein leichtes Auto mit einem Leergewicht von 810 Kilo, einen Motor mit Benzineinspritzung und 110 PS. Ein paar optische Schmankerln, und fertig war das Gericht. Ich hatte ein gutes Gefühl.
Alles Auto: Aber die VW-Bosse rümpften doch damals die Nase.
Fiala: Mickrige 5000 Stück wollten sie bauen, eine kleine Sonderserie.
Alles Auto: Und dann wurden bis 1987 in Deutschland und Österreich 300.000 GTI verkauft. Und der Golf GTI hat den Absatz des normalen Golf beflügelt, ihn erst zum Welterfolg geführt. Alles Fiala?
Fiala: Ich würde sagen: ein kleines bissl Fiala. Und ein großes bissl Glück.
Fotos: Robert May (4); Faksimile: Kurier