Heute als Autobauer eine klare Kernkompetenz zu haben und diese auch wirklich merklich hervorzukehren, ist schwierig geworden. Allzu oft schon fielen diese dem Bestreben unter engen Budgets eierlegende Wollmilchsäue zu bauen zum Opfer – wurden mehr und mehr verwässert oder ganz verworfen. Nicht so bei BMW. Und schon gar nicht beim 3er.
Klar: Auch der neue, nunmehr siebente Mittelklassler aus München macht brav so manch aktuellen Trend der Automobil-Branche mit. Im G20 – so der interne Modellcode – findet sich also massig High-Tech: Headup-Display, Digital-Tacho, Laser-Licht, unzählige Assistenzsysteme mit Tendenz zum semi-autonomen Fahren und allem voran natürlich ein besonders cleveres und vernetztes Infotainment-System.
Letzteres kennt man schon aus dem neuen X5. Es wurde gemeinsam mit Microsoft entwickelt und bietet neben in der Cloud gespeicherten, also ins nächste Auto mitnehmbaren Userprofilen auch jede Menge Apps sowie eine besonders schlaue Sprachsteuerung. Wobei: Dem aktuellen Primus in dieser Richtung – dem mit der A-Klasse vorgestellten MBUX-System von Mercedes nämlich – kann die BMW-Lösung nicht ganz das Wasser reichen. Zumindest bei unseren Testfahrten mit auf Englisch konfigurierten 3ern verstanden die BMW-Algorithmen weniger als die Stuttgarter Pendants bei unseren Versuchen dort. Allerdings sollen die Systeme ja hüben wie drüben mit der Zeit noch dazulernen. Warten wir also mal ab, wie die Mensch-Auto-Kommunikation so läuft, wenn wir die ersten Autos in Österreich testen können.
Deutlich weniger zögerlich fällt unser Urteil zur Fahrdynamik aus: Der neue 3er setzt ohne Zweifel neue Sportlichkeits-Maßstäbe in der Mittelklasse. Dank gefühlvoller und direkter Lenkung, reduziertem Gewicht, breiterer Spur und feinem Fahrwerk mit schon ab Werk hubabhängigen Dämpfern wird das Popometer des Fahrers stets perfekt mit Infos versorgt, ohne dass aber die Bandscheiben um Gnade wimmern.
Unter der windschlüpfrigen Karosserie (der cw-Wert sank im Vergleich zum Vorgänger von 0,26 auf 0,23) stehen zum Marktstart Anfang März fünf Motoren mit 150 bis 265 PS zur Auswahl. Zwei davon konnten wir bereits ausprobieren: den 320d xDrive und den 330i, jeweils mit gewohnt erstklassig agierender Achtgang-Automatik.
Der Selbstzünder – übrigens der erste mit zwei Turboladern ausstaffierte „20d“ der Firmengeschichte – weiß mit gutem Durchzug und gerade bei Euro 6d-temp-Dieseln selten gewordener, spontaner Gasannahme auch im unteren Drehzahlbereich zu überzeugen. Gleichzeitig ist er so gut gedämmt, dass man ihn beim gemütlichen Überland-Cruisen so gut wie nicht hört. Selbes gilt auch für den 258 PS starken 330i, der
darüber hinaus vor allem in kurvigen Regionen die Mundwinkel oft und stark Richtung Ohren zu ziehen vermag. Etwas später, im Juli nämlich, folgen noch der Plug-In-Hybrid 330e mit theoretischen 60 Kilometern E-Reichweite und 252 PS Systemleistung sowie der vorläufige Klimax des neuen 3ers: der M340i, den wir zwar noch nicht über öffentliche Straßen, dafür aber die wundervolle Rennstrecke von Portimao jagen konnten. Sein Kern-Asset ist neben der brutaleren Optik und noch sportlicheren Chassis-Abstimmung vor allem der akustisch fulminante Single-Turbo-Sechsender unter der Haube, der mit unglaublicher Spontanität und herrlich berechenbarer Kraftentfaltung zu begeistern weiß. Der Gedanke, dass der natürlich auch wieder geplante M3 noch ein ordentliches Schauferl drauflegen wird, macht einem da fast schon Angst.
Doch natürlich kann der 3er nicht nur Sport, Bergstraßen und Rennstrecke. Das durchaus üppige Wachstum im Vergleich zum Vorgänger (16 Millimeter in der Breite, 67 Millimeter in der Länge, davon plus 41 Millimeter beim Radstand) wirkt sich überaus positiv auf das Raumgefühl aus. Saß der bisherige 3er noch wie ein Slim-fit-Anzug, fühlt sich der neue eher nach locker geschnittenem „Regular-fit“ an. Auch auf der Rückbank wurde es luftiger. Sowohl Kopf- als auch Beinfreiheit haben spürbar zugenommen.
Der Kofferraum legte ebenfalls zu: Sein Volumen stieg um 36 Liter. Darüber hinaus wurde er dank breiterer Öffnung und 40:20:40 umlegbarer Fondlehnen besser nutzbar – auch wenn eine Stufe im Ladeboden hier etwas das Gesamtbild trübt. Aber hey: Immerhin will BMW ja die sportlichste Mittelklasse-Limousine bauen, und nicht die mit dem besten Kofferraum. Mission geglückt.
Daten & Fakten
Basispreis in € | 46.450,– |
Zyl./Ventile pro Zyl. | 4/4 |
Hubraum in ccm | 1998 |
PS/kW bei U/min | 258/190 bei 5000-6500 |
Nm bei U/min | 400 bei 1550–4400 |
Getriebe | 8-Gang-Aut. |
L/B/H, Radst. in mm | 4709/1827/1442, 2851 |
Kofferraum/Tank in l | 480 / 40 (optional 59) |
Leergewicht in kg | 1545 |
0–100 km/h in sec | 5,8 |
Spitze in km/h | 250 |
Normverbrauch in l (Mix) | 7,2/5,0/6,1 |
CO2-Ausstoß in g/km | 132 |
Basispreis in € | 41.700,– (43.608,–) |
Zyl./Ventile pro Zyl. | 4/4 |
Hubraum in ccm | 1995 |
PS/kW bei U/min | 190/140 bei 4000 |
Nm bei U/min | 400 bei 1750–2500 |
Getriebe | 6-Gang, man (8-Gang-Aut.) |
L/B/H, Radst. in mm | 4709/1827/1442, 2851 |
Kofferraum/Tank in l | 480 / 40 (optional 59) |
Leergewicht in kg | 1525 (1530) |
0–100 km/h in sec | 7,1 (6,8) |
Spitze in km/h | 240 |
Normverbrauch in l (Mix) | 5,4/3,8/4,4 (4,9/3,8/4,2) |
CO2-Ausstoß in g/km | 115 (110) |
(Abweichende Werte in Klammer bei 320d für die Version mit Automatik-Getriebe)
Basispreis in € | 46.900,– |
Zyl./Ventile pro Zyl. | 4/4 |
Hubraum in ccm | 1968 |
PS/kW bei U/min | 190/140 bei 4000 |
Nm bei U/min | 400 bei 1750–2500 |
Getriebe | 8-Gang-Aut. |
L/B/H, Radst. in mm | 4709/1827/1442, 2851 |
Kofferraum/Tank in l | 480 / 40 (optional 59) |
Leergewicht in kg | 1615 |
0–100 km/h in sec | 6,9 |
Spitze in km/h | 233 |
Normverbrauch in l (Mix) | 5,2/4,1/4,5 |
CO2-Ausstoß in g/km | 118 |
Hans
( 16. März 2019 )
Nun hat es BMW also geschafft. Der neue Dreier ist in allen Dimensionen (außer der Höhe, flach ist ja schließlich in) größer als der 2500 – 3.0 Si, seines Zeichens seinerzeit immerhin das Topmodell von BMW.
Ach ja, 480 Liter Kofferraum hatte auch schon das Vorgängermodell F30.
MfG J
Rolex
( 18. März 2019 )
Das mit dem Größenwachstum bringt auch mit sich, dass rein von den Maßen her der Abstand zwischen den Modellen immer mehr schrumpft.
In der Mittelklasse (A4/3er/C) sind 4,7 bis 4,8m mittlerweile schon die Norm,
die Oberklasse (A6/5er/E) ist im Bereich 4,9 bis 5m angekommen,
und die Luxusklasse zwischen 5 und 5,2m.
Letztere wird wohl nicht mehr viel wachsen (können? wollen!) – und um Abgrenzung zwischen den Modellen zu erreichen, müsste neben der Ausstattung und der Motorisierungs-Bandbreite meiner meinen nach auch der noch bestehende Respektabstand von ca. 20cm gewahrt bleiben.
lg
Rolex
PS: dass Größenwachstum nicht 1:1 an den Innen- bzw. den Kofferraum weitergegeben wird, ist auch von anderen Design-Stückerln bekannt (vgl. Opel Insignia vs. Vectra oder sogar Omega).
Dafür wird auch das Tankvolumen immer kleiner. ;-/
Hans
( 19. März 2019 )
Ein 40 Liter Tank in einem Mittelklasseauto ist tatsächlich ein Geniestreich.
Vielleicht ist die Karre dann ja um 0,00000001 Sekunden schneller auf der Nordschleife.
Möglich ist aber auch, dass man damit die Klientel auf die Elektroautos vorbereiten will. 😉
MfG J