Neue schon gefahren: Maserati Levante

7. Februar 2017
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Aktuelles

Maserati darf Porsche ein wenig dankbar sein. Zuffenhausens Bruch mit der Sport­wagen-Tradition zugunsten des Anschmiegens an höhere Verkaufszahlen liegt be­reits 14 Jahre zurück, die Blasphemie eines Diesels unter der SUV-Haube immerhin sieben. Zweimal war die öffentliche Aufregung groß und unter den anderen Sport­wagen- und Premium-Herstellern kollegiales Kopfschütteln angesagt. Inzwischen hat der Markerfolg die Nörgler verstummen und die Nachahmungstäter eifrig werden lassen: Jaguar ist mit dem F-Pace nachgezogen, Bentley hat die Liga mit dem Ben­tayga von oben befüllt, Rolls-Royce feilt eifrig an seinem Cullinan, selbst Aston Martin gibt noch namenlose SUV-Pläne zu. Die Chancen, den italienischen Beitrag zu diesem Thema zu liefern, standen für Maserati von Anfang an am besten, auch der ideologischen Unmachbarkeit bei Ferrari und des Aussterbens von Lancia wegen. Die Kepplerei der Marken-Gralswächter war dank Wiederholung der ganzen Chose ebenfalls schon überschaubarer – es blieb bei ein paar wehleidigen Hinweisen auf die hehre Sportwagen-Tradition. Doch in Zeiten, in denen sogar der Hausverstand eine erfolgreiche Geschlechtsumwandlung vorweisen kann, muss auch der Sprung eines Sportwagenherstellers zum SUV klaglos funktionieren. Außerdem hat gerade Maserati so etwas wie eine Tradition im Genre-Wechsel: Der Quattroporte war 1963 die erste ernstzunehmende Sportlimousine, und da der SUV die neue Limo ist, passt die Besetzung aus Modena schon deswegen.

Im großen Fiat/Chrysler-Universum herrscht kaum ein Mangel an Allrad-Plattformen. Die Cherokee-Basis hätte sich für das Projekt angeboten, Alfas modulare Wunder-Plattform „Giorgio“ wäre ebenfalls allradfähig und wird auch die künftigen SUV-Modelle der Mailänder tragen. Aber ein Maserati muss ein Maserati sein, vom Schweller bis zur Dachkante, befand Chef Harald Wester – und setzte die Ghibli-Basis für den ersten SUV seiner Marke durch. Also auch mehr hauseigene Synergien, und – so die Hoffnung – ein authentischeres Endergebnis.

 

Was den Namen angeht: na ja. Langsam gehen Maserati wohl die Winde aus. Immerhin wird die Tradition der klangvollen Benennung nach Luftbewegungen hochgehalten. Aber mit Levante verbindet der Bildungsbürger normalerweise eine etwas antiquierte Bezeichnung für den Nahen Osten, in den letzten 70 Jahren nicht unbedingt ein Synonym für Freizeitfreude und Lebensglück. Dass der Name auch einen spanischen Wind bezeichnet, wissen bestenfalls Segler, eher aber Kite-Surfer, die er um die Gegend von Gibraltar herum bestens beflügelt. Normalerweise folgt er übrigens auf den Mistral, wogegen bei Maserati zwischen den beiden schlanke 46 Jahre liegen.

Die Übertragung der Marken-Physiognomie auf das SUV-Thema ist der Modeneser Marke dagegen gelungen. Die Darstellung des Sportlichen ebenfalls – da tut sich selbst Vorreiter Porsche deutlich schwerer, dessen Cayenne immer noch etwas Blunziges an sich hat. Die lange Motorhaube und die wellenartige Linie sind ureigenes und unverwechselbares Maserati-Kulturgut, die auch einem rasanten Hochsitz gut stehen. Das serienmäßige Luftfeder-Fahrwerk pumpt den Luxus-SUV auf gerölltaugliche Höhe oder lässt ihn sich sportlich an den Asphalt ducken. Und der V6-Diesel zieht alle Register, was knackiges Ansprechverhalten und sportlichen Durchzug betrifft. Natürlich liefert er genau die paar Euzerl Performance mehr, die es braucht, um den etwa gleich starken Zuffenhausener Edelstahl abzuhängen, da geht es um’s Prinzip. Beim Soundtrack ist der Diesel-Dreizack etwas stumpf, bei allem merkbaren Bemühen, dem Dreiliter-Aggregat ein wenig Klangkörper abzuringen. Das einzige echte Minus, vor allem, wenn man erst einmal das heißere Röhren des Benzin-Bruders gehört hat.

Maserati-Erleben heißt Fühlen und Spüren, muss Fahren und Wohnen zusammenführen. Aber feines Leder und Holz oder Carbon-Dekors haben Mercedes oder BMW auch – wo liegt also der Unterschied? Es ist ein bisschen Eintauchen in den Marken-Spirit gefordert. Wer sich für einen Maserati entscheidet, dem passiert das nicht zufällig oder weil der Händler das bessere Angebot gemacht und noch Winterreifen plus Fußmatten draufgelegt hat. Zwischen einem Mercedes und einem BMW kann man sich rational entscheiden, für einen Maserati nur emotional. Man setzt damit immer ein Statement. Wie mit einem Zegna-Anzug, obwohl es wohl Vergleichbares von Hugo Boss gäbe – bloß, dass der für alle, die so ticken, trotzdem keine Alternative ist. Beispiel: die Uhr. Ja, eh – alle Luxusschlitten haben heute eine – die Breitling im Bentayga kostet sogar mehr als der ganze Maserati. Es geht aber nicht um’s Preisprotzen. Auch in den dunkelsten Tagen des Stilbewusstseins, als alle armselige Digital-Wecker verbaut haben, gönnte ausschließlich Maserati sich und seinen Kunden eine analoge Cartier-Uhr. Und auch heute thront auf dem Armaturenbrett eines Levante dasselbe schöne Ellipsoid wie schon in alten Quattroportes oder Bi-Turbos. Außerdem das Leder und Formen, die einfach smarter und lässiger wirken als bei den Material- und Ergonomie-optimierten Deutschen – und schon deswegen die smartere Wahl sind. Abgesehen vom omnipräsenten Dreizack, der dem ganzen zusätzlichen Pfeffer gibt. Unter anderem deswegen braucht den Levante niemand anmaulen – weil er alles, wofür Maserati steht, authentisch transportiert.

Und wie er das tut! Die imposanten mehr als drei Meter Radstand bringen auffallende Ruhe ins Gerät. Enges Kurven-Gewedel ist damit vielleicht nicht seine beste Disziplin, aber dafür ist er auch nicht gebaut worden. Sehr wohl aber für entspanntes, schnelles Reisen aus souveräner Perspektive. Das beachtliche Fünfmeter-Trumm liegt exzellent in der Hand, fordert, aber überanstrengt niemals. Und endlich wieder eine hydraulische Lenkung mit entsprechender Rückmeldung, inzwischen sehr Old School, weil der Siegeszug der elektrischen eigentlich schon abgeschlossen ist. Der Levante gibt seinem Fahrer einen ungehetzten, aber trotzdem schnellen Rhythmus vor, in dem man gerne einschwenkt – ganz einfach, weil er passt, keine Dissonanzen hat und Freude macht. Die Buchhalter und Excel-Listen-Junkies in den Konzernzen­tralen werden das nie verstehen – aber es geht nicht um die hunderstel-genaueste Passung, den flinkesten Fensterheber, die optimalste Nutzen-Ratio und den Sieg im Assistenzsystem-Wettrüsten. Es geht darum, ein stimmiges Auto zu bauen, dessen Charakter in jedem Detail spürbar ist. Und auf dem Gebiet sind die Italiener bis heute unbesiegt. Deswegen werden ihre Autos geliebt, die anderen bloß ge- und wieder verkauft. Wer dafür prinzipiell anfällig ist, wird dem Levante emotional schwer wider­stehen können. Und falls die linke Gehirnhälfte dennoch befriedet werden muss: In der Preisfrage punktet der Maserati ebenfalls – der Basistarif ist mehr oder weniger derselbe wie für einen Cayenne Diesel, in dem dann allerdings noch die Luftfederung und eine Menge andere Goodies fehlen.

V6, 24V, Bi-Turbo, 2987 ccm, 275 PS (202 kW) bei 4000/min, max. Drehmoment 600 Nm bei 2000–2600/min, Achtgang-Automatik, Allradantrieb, Scheibenbremsen v/h (bel.), L/B/H 5003/1968/1678 mm, Radstand 3004 mm, 5 Sitze, Reifendimension 255/60 R 18, Tankinhalt 80 l, Kofferraumvolumen 580 l (4-Sitzer 431 l), Wendekreis 11,7 m, Leergewicht 2205 kg, 0–100 km/h 6,9 sec, Spitze 230 km/h, Normverbrauch Mix 7,2 l , CO2 189 g/km

Preis: € 85.442,–