Während das EU-weite Verbrenner-Verbot ab 2035 und die in letzter Sekunde geöffnete Hintertür durch die Ausnahmeregelung für klimaneutrale synthetische Kraftstoffe (sogenannte E-Fuels) in aller Munde war, haben die Mineralölkonzerne fast unbemerkt von der Öffentlichkeit an Österreichs Tankstellen E10 Super-Benzin eingeführt und damit das bisher erhältliche E5 ersetzt. Wir klären, welche technische Bedeutung das hat und welche Konsequenzen es für Autobesitzer mit sich bringt.
Die Bezeichnung E5 oder E10 steht für den zu herkömmlichem, also aus Rohöl hergestelltem, Benzin beigemengten Anteil an Ethanol, der aus pflanzlichen Rohstoffen gewonnen wurde, sogenanntem Bio-Ethanol. E10 bedeutet somit, dass der getankte Kraftstoff zu zehn Volumenprozent aus Bio-Ethanol und zu 90 Volumenprozent aus Sprit fossilen Ursprungs besteht – in Fachkreisen wird hierbei auch von „Blending“ gesprochen. Zur Erzeugung des Ethanols werden hauptsächlich Pflanzenreste und nicht verzehrbare Pflanzen-Bestandteile verwendet, um auszuschließen, dass eine Konkurrenz zwischen der Herstellung von Lebensmitteln und Kraftstoff entsteht.
Der Vorteil des so gewonnenen Kraftstoffs liegt auf der Hand: E10 hilft auf effiziente Weise, den CO2-Ausstoß in der gesamten bestehenden Benziner-Fahrzeugflotte unmittelbar zu reduzieren. Denn der bei der Verbrennung freigesetzte Kohlenstoff im Bio-Ethanol wurde zuvor von Pflanzen aus der Luft gebunden. Anders als bei der Verbrennung von fossilem Kraftstoff entsteht so kein zusätzliches CO2 in der Atmosphäre, sondern ein geschlossener klimaneutraler Kreislauf. Die Österreichische Energieagentur hat ein Einsparpotenzial von 130.000 Tonnen CO2 pro Jahr errechnet.
Technisch gesehen verhält sich so gewonnener Kraftstoff sehr ähnlich einem konventionellen, bietet bei der Verbrennung im Motor sogar gewisse Vorteile, hat aber auf der anderen Seite einen geringeren Energieinhalt als herkömmlicher Sprit. In den meisten Untersuchungen konnte durch diese beiden gegenläufigen Eigenschaften kein Mehrverbrauch festgestellt werden, wenn statt E5 nun E10 getankt wurde.
In Deutschland und weiteren 14 EU-Staaten ist E10 schon seit mehreren Jahren in Verwendung. Allerdings ist besonders bei Autos mit einer Erstzulassung vor 2011 zu beachten, dass nicht alle Bauteile auf die Verwendung von E10 ausgelegt sind und so zum Beispiel korrodieren können.
Ob Ihr Fahrzeug den neuen Sprit verträgt, lässt sich leicht am Aufkleber im Tankdeckel eruieren – der ist allerdings erst seit 2018 verpflichtend. Alternativ findet sich auf der Internetseite www.e10tanken.at ein Online-Check, Sie können aber natürlich auch direkt beim Hersteller ihres Autos nachfragen.
Laut ÖAMTC ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Pkw nicht E10-tauglich ist, sehr gering, 98,3 Prozent sollen nach Meinung des Autofahrer-Clubs den neuen Sprit vertragen – Ausnahmen bilden vor allem Oldtimer. Für die bleibt als einzige Alternative ein Umstieg auf Premium-Benzin, also Super Plus, hier wird weiterhin nur mit fünf Prozent Ethanol vermengt (erkennbar an der E5-Aufschrift auf der Zapfpistole).
Beim Dieselkraftstoff sieht die aktuelle österreichische Kraftstoffnorm eine Beimengung von sieben Volumenprozent biologischen Anteils vor, leicht als B7-Kennzeichnung an der Zapfpistole zu erkennen. Hier gehen die Entwicklungen allerdings schon einen Schritt weiter. Sogenanntes HVO (hydriertes Pflanzenöl) aus Abfällen wie zum Beispiel altem Fett und Lebensmittelresten ist ein erster Schritt zu einem nahezu vollkommen geschlossenen CO2-Kreislauf.
Da auch HVO-Diesel der Kraftstoffnorm entspricht, gibt es keine Bedenken hinsichtlich Verträglichkeit, wenn dieser in moderne Diesel-Autos getankt wird. Die produzierten Mengen sind aktuell allerdings noch gering. Es existiert lediglich eine große Produktionsanlage in Finnland, europaweit sind jedoch mittlerweile Projekte angelaufen, um die Produktionsmengen kontinuierlich zu erhöhen.
Bleiben als Zukunftsvision noch die synthetischen Kraftstoffe, genannt E-Fuels, die gänzlich ohne biogene Stoffe auskommen. Diese werden aus Kohlenstoffdioxid (CO2), das aus Industrieabgasen oder der Umgebungsluft gewonnen wurde, und Wasserstoff zu Benzin oder Diesel synthetisiert. Voraussetzung für eine Klimaneutralität ist hierbei natürlich der ausschließliche Einsatz regenerativer Energiequellen, also etwa Strom aus Wind oder Sonne.
Text: Johann Spreitzer, Foto: Robert May
Dieser Artikel erschien zuerst in der Printausgabe ALLES AUTO 06/2023