Pro & Contra E-Fuels

16. August 2023
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Aktuelles

Kann man Pro & Contra E-Fuels sein? In der Diskussion um synthetischer Treibstoffe, also aus Wasserstoff und CO2 künstlich hergestelltem Benzin und Diesel, wird vor allem bei den Basis-Fakten, die eigentlich jeder leicht überprüfen oder ausrechnen kann, viel übersehen. Die zahleichen mehr oder weniger seriösen Studien dazu setzen ebenfalls oft abseits der Grundlagen an – und liefern daher auch selten korrekte Ergebnisse.

Eines der Hauptargumente gegen die Verwendung von E-Fuels für thermische Antriebe ist, dass sie gegenüber der direkten Nutzung von Strom in batterieelektrischen Autos deutlich weniger effizient sind. Für sich stimmt das absolut – die für die Herstellung von E-Fuels benötigte Energie plus der Wirkungsgrad der Verbrennung können mit der Betriebs-Bilanz eines
E-Motors nicht konkurrieren. Allerdings klammert diese Reduzierung auf die reine Effizienz sowohl die Bedarfs- als auch die Verfügbarkeits-Frage aus – und behandelt daher nur einen Ausschnitt, nicht aber die komplette Problemstellung.

Laufende Anforderungen

Die ergibt sich aus den laufenden Anforderungen: Die Ge-samtkilo­meterleistung aller in Österreich zugelassenen Pkw beträgt etwa 77 Milliarden Kilometer im Jahr, was bei einem realistischen Durchschnittsverbrauch eines Elektro-Pkw von 20 kWh je hundert Kilometer einem Bedarf von 15,4 Terawattstunden Strom entspricht. Dem sind noch die Abdeckung des Transitverkehrs, die Transport-Verluste im Leitungsnetz sowie Lade-, Entlade und Speicherverluste an Bord der Fahrzeuge selbst aufzu­schlagen. 

Alles zusammen ergibt rund 20 TWh tatsächlichen Strombedarf für den Pkw-Verkehr in Österreich, wenn dieser komplett elektrisch unterwegs sein soll. Die aktuell 1374 österreichischen Windräder liefern etwa 9 TWh pro Jahr, es wären also rund 3050 weitere notwendig, um die Menge von 20 TWh zu erzeugen. Beim derzeitigen, bereits auf Hochdruck laufenden Ausbau mit etwa plus 70 Stück per anno würde dieser Bestand 2067 erreicht werden.

Diese Energie-Lieferanten müssten allerdings sämtlich in Ostösterreich stehen, wo die Windfrequenz die Untergrenze der Effizienz überschreitet, bei der sich eine Errichtung überhaupt noch auszahlt. Im restlichen Bundesgebiet – so wie im Großteil Mitteleuropas – rechnet sich wegen der zu geringen Windmenge ein Ausbau wirtschaftlich so gut wie nicht. Kaum ergiebiger ist das Ausweichen auf Photovoltaik-Anlagen: Die für den Pkw-Strom notwendige Fläche würde 135 bis 150 Quadratkilometer betragen, rund ein Drittel der Fläche Wiens.

Das Argument, dass die Energiemenge, die bisher für die Produktion der Treibstoffe auf Mineralölbasis aufgewendet wird, mit dem Ende deren Herstellung sozusagen „frei“ wird und dadurch Ausgleich schafft, ist leider falsch. Zum einen, weil es sich dabei nicht um Ökostrom handelt, der allein allerdings den Betrieb von E-Autos überhaupt erst sinnvoll macht. Zum anderen, weil er nicht oder nur begrenzt lokal anfallen würde. Anders gesagt: Geschlossene Raffinerien an der Schwarzmeer-Küste, in Nigeria oder Saudi-Arabien haben wegen der räumlichen Distanz keinen Einfluss auf die in Österreich verfügbare Strommenge.

Die Frage der Energiewende

Tatsächlich steht der Energiebedarf des Mobilitätssektors stellvertretend für die faktische Problematik der gesamten Energiewende: Die in Österreich insgesamt jährlich verbrauchten rund 286 TWh aus fossilen Energieträgern sind als Ökostrom-Equivalent nicht herstellbar – sie entsprächen der Leistung von rund weiteren 43.700 Windrädern, einer Photovoltaik-Anlage mit der Fläche Vorarlbergs oder 30 Atomreaktoren. Selbst die Berücksichtigung der höheren Effizienz der Direktanwendung von elektrischem Strom ändert am Faktum der Unmachbarkeit nichts.

Die einzig sinnvolle Vorgehensweise ist also, die limitierte Menge an lokal herstellbarem Strom aus erneuerbaren Quellen so effizient wie möglich einzusetzen und für alle anderen Zwecke Energieträger zu nutzen, die dort produziert werden, wo die Bedingungen dafür optimal sind. 

Aufgrund der hohen Menge an Wind- und Sonnenstunden ist eines der dafür am besten geeigneten Gebiete die südchilenische Küste entlang der Atacama-Wüste, wo auch bereits erste Anlagen dafür errichtet wurden. Mit Windkraft kann dort die vier- bis fünffache Leistungsausbeute von österreichischen Anlagen erzielt werden, bei PV-Paneelen liegt sie etwa doppelt so hoch. 

Um die so hocheffizient hergestellte Energie transportierbar zu machen, muss sie jedoch umgewandelt werden. Wasserstoff und E-Fuels sind faktisch nichts anderes als Möglichkeiten, Energie zu speichern und weltweit nutzbar zu machen, was aufgrund des schieren Bedarfs dafür die Wandlungsverluste klar aufwiegt.

Studien, deren Berechnungen die Unwirtschaftlichkeit von E-Fuels belegen, gehen meist von einer Produktion in Europa aus, die aber weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll ist. Tatsächlich belegen Berechnungen, dass bei einer ausgelagerten Massenproduktion der Nettopreis je Liter kaum höher als 1,2 Euro sein dürfte. 

Ein gerne übersehener Klima-Faktor

Dazu kommt ein Klima-Faktor, der vielfach übersehen wird: Das für die Herstellung von E-Fuels benötigte CO2 wird aus der Luft extrahiert, bilanziell fällt durch ihre Verwendung also kein zusätzliches Kohlendioxid an. Weitere positive Auswirkungen ist der Tanker-Betrieb mit den mitgeführten Treibstoffen statt wie heute mit Schweröl sowie die Nutzung der europaweit vorhandenen Infrastruktur für Verteilung und Vertrieb.

Also nur Positives und kein Makel an E-Fuels ? Nicht ganz – zur künstlichen Herstellung der rund sechs Milliarden Liter jährlichen Treibstoffs für alle österreichischen Pkw müssten etwa 96 tWh Energie aufgewendet werden. Selbst unter idealen Bedingungen für die Stromerzeugung wie in Südamerika wären dafür rund 4000 Wind-räder notwendig. Theoretisch möglich, auf den gesamteuropäischen Bedarf gerechnet jedoch nicht realisierbar. 

Wenn Ressourcen begrenzt sind, lautet sie sinnvollste Lösung immer: Ein ergänzender, aber möglichst flächendeckender Einsatz ermöglicht ein deutlich besseres Ergebnis als stark limitierte Solo-Anwendungen. Bei Akkus bedeutet das etwa die Herstellung möglichst vieler kleiner Batterien für effiziente Hybrid-Antriebe anstatt für wenige E-Autos. 

Bei E-Fuels würde eine Beimengung zu herkömmlichen Treibstoffen für alle Pkw einen wesentlich größeren Effekt erzielen als ihre alleinige Nutzung für die nach 2035 weitergebauten thermischen Antriebe.

Foto: Porsche