Durchschnittlich steht auf unseren Straßen alle 28 Meter ein Verkehrsschild. Bei Ortstempo bedeutet das alle zwei Sekunden eines, da geht sich kaum die Reaktionszeit aus, geschweige denn eine womöglich notwendige Aktion durchzuführen. Abgesehen vom Verinnerlichen diverser Zusatztafeln wie etwa „Nur an Sonn- und Feiertagen zwischen 1. Mai und 30. September von 8:00 bis 11:30 Uhr und 13:15 bis 17:45 ausgenommen Radfahrer, Zustelldienste, Taxis, Straßendienst und Fahrzeuge mit Sondererlaubnis“.
Dann sind da noch das hohe Verkehrsaufkommen selbst und völlig unterschiedliche, schwer kompatible Arten von Verkehrsteilnehmern, die sich die gleiche Infrastruktur teilen. Früher sind nur Lausbuben, Betrunkene und der Dorftrottel mit dem Rad gegen die Einbahn gefahren – heute ist es nicht nur erlaubt, sondern sogar ausdrücklich erwünscht. Nicht, weil sich die Zahl der Deppen damit auf natürliche Weise wieder reduziert, sondern weil es angeblich dem allgemeinen Bedürfnis der radfahrenden Minderheit entspricht, nach dem sich die autofahrende Mehrheit zu richten hat. Das ist so etwas ähnliches wie Demokratie.
Abgesehen von dem Wahnsinn draußen geht es an Bord eines Pkw selbst auch nicht entspannter zu: Dauernd piepst oder blinkt etwas, zupft am Lenkrad oder fordert zu einer Bestätigung wovon-auch-immer auf. Das Auto funktioniert nicht mehr als Rückzugsinsel vom Alltag, es ist längst Teil davon und manchmal auch nicht weniger nervig.
Ist das automatisierte Fahren die Lösung für beides, für die kaum mehr zu bewältigenden Vorschriften und die digitale Belästigung an Bord? Wir schaffen also ein viel komplizierteres Regelwerk und noch mehr Hightech-Aufwand, um es besser zu machen. Das hat etwas vom Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Gibt es irgendein Beispiel, wo das je funktioniert hat?
Zumindest kann es beim autonomen Fahren keine Qualitätsstufen geben – die heute teils hysterischen Kollisionswarner, oft überforderten Spurhaltesysteme und fast immer chaotischen Verkehrszeichen-Erkennungen müssen dann überall gleich und klaglos funktionieren. Das wird auch für die Hersteller spannend: Nun vasektomieren sich manche Konzerne schon ihre technische Authentizität mit Einheits-Elektromotoren weg – und dann fahren auch noch alle gleichgeschaltet von selbst herum. Welchen Grund soll es geben, sich einen Porsche zu kaufen, wenn die Technik sich kaum von der in einem Mazda unterscheidet und man sich da wie dort eh nur rumkutschieren lässt? Das Design? Das Marketing wird sicher Gründe finden, warum jenes die 100.000 Euro Preisunterschied wert ist.
Wenigstens in zwei Punkten werden die Fortschritts-Gläubigen vorerst enttäuscht: In Städten wird es bis auf weiteres nichts mit dem komplett betreuten Fahren – für das Bewältigen komplexer City-Situationen reicht die Entwicklung der künstlichen Intelligenz noch nicht. Und es wird zumindest aus heutiger Sicht auch keine Führerscheinfreiheit geben, nur weil das Auto autonom unterwegs sein kann – die Fähigkeit des Eingreifens durch den Gefahrenen muss immer gewährleistet sein. Die Welt bleibt also ein unsicherer Ort, zumindest Teile davon. Irgendwie ist das beruhigend.
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