Alfa 159 1,9 JTDM 16V Distinctive

29. Dezember 2005
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Tests

FAHRZEUGDATEN

Marke:Alfa Romeo
Klasse:Limousine
Antrieb:Vorderrad
Treibstoff:Diesel
Leistung:150 PS
Testverbrauch:6,5 l/100km
Modelljahr:2005
Grundpreis:34.040 Euro

Der Alfa 159 tritt das Erbe des erfolgreichen Mittelklasslers 156 an. Und erneut muss der Beau im Segment beweisen, dass Schönheit auch von innen kommt

La bellezza non basta – Schönheit allein reicht nicht. Das war ein Werbeslogan zum Alfa 156, dennoch wurde dieser vor allem wegen seines Designs gekauft. Jetzt steht der mindestens ebenso schöne Nachfolger bereit, und auch der will mehr sein als nur der Beau im Segment.
Also werfen wir einen Blick auf die inneren Werte. Lässt man das Maßband sprechen, hat der neue Alfa wenig Überzeugendes zu bieten: Sowohl Koffer- als auch Passagierraum liegen unterm Klassenschnitt. Beengt muss man sich keineswegs fühlen, die Konkurrenz bietet aber eben mehr Zentimeter & Liter. Der 159 ist also der perfekt sitzende Maßanzug, und nicht der bequeme Jogger.
Weiter geht´s zum cuore sportivo, also zum Sportlerherz, zum Motor. Mit weniger als 120 PS fährt kein 159 aus den Werkshallen, unser Testwagen verfügte über die motorische Mitte der Diesel-Palette, sprich: die 150 PS starke Vierventil-Version des bekannten 1,9-Liter-Vierzylinders.
Hat der gut gedämmte Commonrailer seine Anfahrschwäche überwunden, geht er bullig und durchaus drehfreudig zur Sache, die gebotenen Fahrleistungen sind jedenfalls mehr als ausreichend, der Verbrauch dazu ziemlich sparsam.
Das Fahrwerk ist mit dem Modellwechsel ehrlicher geworden. Soll heißen: Es wird durch Unterdämpfung kein Komfort vorgegaukelt, der 159 ist straff, poltert aber nie und schaukelt sich vor allem nicht auf wie sein Vorgänger. Dazu gibt´s Top-Traktion, ein agiles Handling und eine exzellente Straßenlage – in schnellen Kurven liegt der 159 lange neutral, untersteuert dann nur leicht und bleibt dabei immun gegen Lastwechsel-Reaktionen.
Zur sportlichen Abrundung treten außerdem an: giftige, standfeste Bremsen, eine nicht zu leichtgängige, kurzwegige Schaltung und eine fast schon nervös-direkte Lenkung.
Dass Schönheit von innen kommt, beweist der Blick ins Cockpit: herrlich anzusehende Rundinstrumente, hochwertige Kunststoffe und geriffeltes Alu-Dekor schaffen eine sportlich-elegante Atmosphäre, 156er-Umsteiger müssen sich aber sicher erst an das neue Lenkrad-Design und an die massive, optisch an Volvos obere Baureihen angelehnte Mittelkonsole gewöhnen.
Woran sich Alfa-Fahrer jahrelang gewöhnen konnten, sind kleinere Bedien-Schwächen. Die fin-den sich auch im 159 – für Fremdmarken-Umsteiger sollten sie aber kein Grund sein, nicht mit dem Italo-Feschak zu liebäugeln. Überhaupt ist dieser Alfa für das Match gegen sportlich-noble Konkurrenten vom Schlage eines BMW 3er oder Audi A4 so gut gerüstet wie noch nie – und in dieser Liga zählen Styling & Fahrdynamik ohnehin mehr als Passagier- und Kofferraum.
Zum Vorbild hat sich der 159 die prestige-trächtigen Deutschen leider auch beim Preis genommen – man kann´s aber auch positiv sehen, nämlich als gesunde Portion Mailänder Selbstbewusstseins.

TECHNIK
R4, 16V, Turbo, 1910 ccm, 110 kW (150 PS) bei 4000/min, max. Drehmoment 320 Nm bei 2000/min, Sechsgang-Getriebe, Vorderradantrieb, vorne: Doppelquerlenker, Stabilisator, Federbeine, hinten: Mehrlenkerachse, Schraubenfedern, Teledämpfer, Stabilisator, Scheibenbremsen v/h (v bel.), ABS, L/B/H 4661/1830/1422 mm, Radstand 2703 mm, 5 Sitze, Wendekreis 11,1 m, Servo, Reifendimension 225/50 R 17, Tankinhalt 70 l, Reichweite (bis Tankreserve) 925 km, Kofferraumvolumen 405 l, Leergewicht 1610 kg, zul. Gesamtgewicht 2055 kg, max. Anh.-Last 1500 kg, 0-100 km/h 9,4 sec, 60-100 km/h (im 4./5. Gang) 8,0/12,5 sec, Spitze 210 km/h, Steuer (jährl.) EUR 567,60, Normverbrauch (Stadt/außerorts/ Mix) 8,1/4,8/6,0 l, Testverbrauch 6,5 l Diesel
Preis: EUR 34.040,-

Serienausstattung: adaptive Front-, vordere Seiten- und durchgehende Kopfairbags, Fahrer-Knieairbag, ABS, Bremsassistent, Stabilitätskontrolle, fünf Dreipunktgurte und Kopfstützen (vorne aktiv), Isofix-Halterungen, Zweizonen-Klimaautomatik, CD-Radio mit 6 LS und Lenkrad-FB, Bordcomputer, beheizbare E-Außenspiegel, vier E-Fensterheber, FB-Zentralsperre, Tempomat, Regen- und Lichtsensor, Lederlenkrad in Höhe und Reichweite verstellbar, Fahrersitz in Höhe verstellbar, Nebelscheinwerfer, Aluräder etc.
Extras: Knieairbag beifahrerseitig EUR 169,-, separate Klima-Regelung für den Fond EUR 622,-, Bi-Xenon-Licht EUR 713,-, el. klappbare Außenspiegel EUR 181,-, Einparkhilfe vorne und hinten EUR 739,- (nur hinten EUR 402,-), Metallic-Lack EUR 700,-, Vordersitze el. verstellbar inkl. Memory fahrerseitig EUR 920,-, Fondlehne 2:1 geteilt vorklappbar EUR 428,-, E-Glas-Hub/Schiebedach EUR 1024,-, Lederpolsterung ab EUR 1581,-, Sitzheizung vorne EUR 350,-, Aluräder 18 Zoll EUR 765,-, Navigationssystem (mit Kartendarstellung) ab EUR 1892,-, MP3-tauglicher CD-Player EUR 207,-, CD-Wechsler EUR 402,-, Bose-Sound EUR 661,-, Telefonvorbereitung EUR 143,- etc.

FAHREN & FÜHLEN
Der gut gedämmte 1900er-Diesel läuft durchschnittlich vibrationsarm, agiert nach kleiner Anfahrschwäche bullig und durchaus drehfreudig, die gebotenen Fahrleistungen sind mehr als ausreichend. Schaltung: kurzwegig, halbwegs exakt, eher schwergängig. Lenkung: fast nervös beim ersten Deut, auf jeden Fall direkt und relativ präzise, so gut wie keine Antriebseinflüsse. Das straffe Fahrwerk filtert grobe Stöße nur akustisch optimal, dafür liegt der 159 super-satt auf der Straße, ist in schnellen Kurven lange neutral und null lastwechsel-anfällig. Außerdem: sehr gute Traktion, wenig Windgeräusche. Bremsen: bissig, kräftig und fading-resistent. Die Vordersitze: bequem, viel Schenkelauflage, ausreichend Seitenhalt, fummelige Lehnen-Verstellung.

PLATZ & NUTZ
Vorne ausreichend Platz, im Fond wird´s aber für Kopf & Knie eng, auch ist der Zustieg in Reihe zwei ob kleiner Tür-Ausschnitte nicht gerade bequem. Wenig geräumiges, zudem etwas zerklüftetes Kofferabteil mit kleiner Öffnung und hoher Ladekante. Erweiterungs-Möglichkeit über Ski-Durchreiche oder aufpreispflichtige 2:1-Umlege-Lehnen (die Kopfstützen können dran bleiben, es bleibt aber eine Stufe zum Laderaum). Innenraum-Check: wenige und zu kleine Ablagen, kleinere Bedien-Ärgernisse (z.B.: überfrachtete Lenkstockhebel, komplizierter Tempomat, fummelige Audio-Fernbedienung). Volle One-Touch-Funktion nur für die vorderen Fensterheber. Pluspunkte: großer Verstell-Bereich für Sitze und Lenkrad, große Außenspiegel, große Reichweite.

Innere Schönheit: hübsche Instrumente, hochwertige Materialien, klapperfreie Verarbeitung

DRAN & DRIN
Die 2000 Euro teurere Dinstinctive”-Version reichert die gute Serienausstattung des “Progression” (u.a. Klimaautomatik, CD-Radio mit 8 LS, beheizbare E-Außenspiegel) um so nette Features wie 17-Zoll-Räder, Licht- und Regensensor, Tempomat oder Audio-Fernbedienung an (Details siehe Liste Seite 49). Es bleibt genug Individualisierungs-Spielraum durch (relativ preisgünstige) Sonderausstattungen, diverse Räder und zahlreiche Innenraum-Designs (u.a. neun Lederfarben). Verarbeitung nicht ganz sauber, aber solide (Ausnahme: Sitzheizung beim Testwagen defekt), hochwertiger Material-Eindruck (v.a. bei schwarzem Innenraum), sportlich-elegantes Styling innen wie außen.

SICHER & GRÜN
Frontairbags (beifahrerseitig abschaltbar und mit Sitzbelegungserkennung), Seitenairbags vorne, fahrerseitiger Knieairbag (für Beifahrer auf Wunsch), durchgehende Kopfairbag-Vorhänge, Bremsassistent, elektronische Stabilitätskontrolle (zweistufig abschaltbar), Isofix-Halterungen, fünf Dreipunktgurte. Die vorderen Kopfstützen fahren bei einem Crash aktiv aus, die hinteren lassen sich nur für eine Körpergröße bis 1,65-Meter optimal einstellen. Keine Patzer beim Umwelt-Check, serienmäßiger Partikelfilter, Verbrauch ziemlich sparsam.

PREIS & WERT
Kein Billigangebot, immerhin fein ausgestattet, zu Nobel-Konkurrenten wie Audi A4 und BMW 3er ist´s preislich nicht mehr weit, Volvo S40 und Honda Accord bilanzieren deutlich günstiger, “herkömmliche” Mittelklassler à la Mondeo & Vectra sowieso. Die Werthaltung des Vorgängers 156 war sehr gut, die Zuverlässigkeit nicht. Zwei Jahre Neuwagen-Garantie inklusive Mobilität, zwölf Jahre Antidurchrost-Versprechen. Service und Ölwechsel verschleiß-abhängig, durchschnittlich dichtes Werkstatt-Netz.

ALLES-AUTO-TESTURTEIL :
Spitze bei Agilität & Design, dafür gibt´s Abzüge in Sachen Raumangebot – und billig ist das Vergnügen 159 auch nicht.


Fotos: Len Vincent

Diesen Test finden Sie in ALLES AUTO 11/2005