Bis auf die neue Farbe Morning Frost” kommt Aston Martins runderneuerter Viertürer ganz und gar nicht kühl herüber
Ulrich Bez blickt aus dem Fenster. Vor dem Haus steht sein Dienstwagen, vom matten Raureif einer englischen Winternacht überzogen. “Diese Farbe will ich haben”, schießt es dem Aston Martin-Chef durch den Kopf. Wie immer wird sein Wunsch den treuen Mitarbeitern in Gaydon zum Befehl, und so glitzert der Rapide S ab sofort auch in frostigem Weiß.
Doch die Farbe ist nur eine der Neuerungen an Aston Martins Viertürer. Der einteilige große Grill sticht sofort ins Auge, den etwas üppigeren Heckspoiler sowie neue Felgen mit flacheren Reifen erkennen wohl nur Eingeweihte. Der Sechsliter-Zwölfzylinder erstarkte von 477 auf 558 PS und rechtfertigt damit, dass dem Rapide ab sofort das Kürzel “S” hintangestellt wird.
Bez verbietet sich übrigens strikt, den großen Aston eine Limousine zu nennen. “Der Rapide ist ein viertüriger Sportwagen”. Damit wischt er nicht nur Vergleiche – etwa mit Porsche Panamera oder Maserati Quattroporte – vom Tisch. Auch die Platzverhältnisse geben ihm recht. Reicht die Kopffreiheit im Fond für Erwachsene noch aus, sind lange Beine dorthin nur mehr mit Mühe zu fädeln. Zudem sollten hinten Sitzende möglichst schlank sein – den meisten Platz nimmt die massive Mittelkonsole ein. Unter der liegt das Getriebe, dank der Transaxle-Bauweise bringt der Rapide S mehr als die Hälfte seiner zwei Tonnen auf die Hinterachse.
Manches Detail war den Technikern in Gaydon beträchtlichen Aufwand wert. So sitzt der Motor beim “S” etwa zwei Zentimeter tiefer. Davon profitieren Fahrverhalten und Fußgängerschutz gleichermaßen. Für Letzteren mussten zudem eigens zwei Soll-Knickstellen in den Kühlergrill integriert werden. Diesen wie anderswo üblich einfach aus Kunststoff zu fertigen, kam für den geradlinigen Schwaben Bez nicht in Frage. “Was nach Metall aussieht, ist bei uns auch aus Metall”.
Feinstes Leder, so weit das Auge blickt. Dazu gibt es unzählige Farben und verschiedenes Dekor, auf Wunsch natürlich auch edles Holz
Am Interieur des Rapide gab es wenig zu verbessern. Edleres Leder als bisher war nicht aufzutreiben, mehr davon hat keinen Platz. Wer Kunststoff sucht, wird nur an Lenkstockhebeln und ein paar Knöpfen fündig. Konsole und Türleisten sind je nach Wunsch aus schwarzem Klavierlack, gebürstetem Alu oder diversen Hölzern. Das Mobiliar bewegt sich selbstredend elektrisch, lässt sich beheizen und gegen ein paar Euro mehr auch kühlen.
Dennoch werden sportliche Fahrer mit der Sitzposition im Rapide nicht ganz glücklich. Vor allem der rechte Ellbogen spießt sich beim Lenken immer wieder an der massiven Mittelkonsole. Schade, denn das Fahrwerk ermuntert sehr wohl zu forcierter Gangart. Für einen Zweitonner lenkt der große Aston erstaunlich agil ein, erlaubt hohe Kurventempi und bleibt stets gut beherrschbar. Ob die adaptiven Dämpfer dabei auf “Normal”, “Sport” oder “Track” gestellt werden, beeinflusst in erster Linie die Ambitionen des Fahrers – der tatsächliche Unterschied ist gering.
Britisches Understatement: Nur ein kleiner Schwung im Heckspoiler verrät das S-Modell, den Schriftzug kann man abbestellen. Kein anderer Zwölfzylinder atmet durch so dezente Rohre aus wie der Aston
Die gesteigerte Motorleistung ist nur beim direkten Umstieg aus dem alten Rapide zu bemerken. Drei Zehntel bringt sie dem “S” im Sprint auf 100, drei km/h in der Spitze. Der Zwölfzylinder schiebt jedenfalls eindrucksvoll an, speziell bei mittleren Drehzahlen mobilisierten die Techniker in Gaydon noch einiges an Drehmoment. So lässt es sich mit dem Rapide S genüsslich und souverän cruisen.
Ab 3500 Touren zeigt der V12 dann sein zweites Gesicht. Jäh beginnt er zu röhren, dreht gierig hoch und wird nur allzu früh vom Begrenzer wieder gezügelt. Mehr als 6800 Touren will Aston Martin dem in seiner Grundkonstruktion doch schon betagten Aggregat wohl nicht zumuten. Auch die sechsstufige Wandlerautomatik hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Dank moderner Software findet sie aber stets den richtigen Gang und hat laut Bez noch ein langes Leben vor sich. Die automatisierte Schaltbox der kleineren Modelle passt ja auch nicht zum Charakter des Rapide, und ein Doppelkupplungs-Getriebe ist bei Aston Martin zumindest derzeit nicht in Sicht.
Was im Alltag nervt, ist die teils haarsträubend umständliche Bedienung des Rapide. Nichts funktioniert so, wie wir es aus anderen Autos gewöhnt sind. Wer etwa zum ersten Mal die Tankklappe öffnen oder den Tageskilometerzähler auf Null stellen möchte, braucht dazu die Betriebsanleitung.
Fans der englischen Marke können solche Kleinigkeiten aber nicht abschrecken. Für sie zählen zeitlose Schönheit, Eleganz und das gewisse Flair einer der letzten echten Auto-Manufakturen. Immerhin 100 Jahre haben diese Werte Aston Martin schon überleben lassen.
Die Welt ist ungerecht: Skodas Rapid kreiden wir die Stufe im Ladeboden an. Beim gleichlautenden Aston sehen wir großzügig darüber hinweg. Ein Tribut an die Heimat England: der stets bereite Regenschirm
[ i]TECHNIK:[ /i]
V12, 48V, 5935 ccm, 558 PS (410 kW) bei 6750/min, max. Drehmoment 620 Nm bei 5500/min, Sechsgang-Automatik, Hinterradantrieb, Scheibenbremsen v/h (bel.), L/B/H 5020/1929/1350 mm, Radstand 2989 mm, 4 Sitze, Reifendimension 245/35 R 20 (v), 295/30 R 20 (h), Tankinhalt 91 l, Kofferraumvolumen 223 l, Leergewicht 1990 kg, 0-100 km/h 4,9 sec, Spitze 306 km/h, Normverbrauch (Mix) 14,4 l ROZ 95, CO2 332 g/km
Basis-Preis: EUR 253.500,-
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