Dacia Sandero 1,4 MPI Lauréate

23. November 2008
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Tests

FAHRZEUGDATEN

Marke:Dacia
Klasse:Kleinwagen
Antrieb:Vorderrad
Treibstoff:Benzin
Leistung:75 PS
Testverbrauch:7,2 l/100km
Modelljahr:2008
Grundpreis:9.690 Euro

Nach dem überraschenden Erfolg des Logan wendet sich der fünftürige Dacia Sandero nun vehementer an mitteleuropäische Kundschaft

Zuallererst räumen wir mit einer Mär auf. Mit der vom Golf um 8000 Euro”. Erstens ist der Sandero kein Golf-Pendant, sondern ein Kleinwagen. Zugegeben ein geräumiger. Er rollt auf der Plattform des Renault Clio und bietet innen etwa so viel Platz wie ein VW Polo oder Skoda Fabia.
Zweitens kostet ein “menschenwürdig” ausgestatteter Sandero mehr als 8000 Euro. Allein wer Servolenkung, Zentralverriegelung oder Radiovorbereitung möchte, muss zum “Ambiance” um 8990 Euro greifen. Da ist aber noch keine Rede von elektrischer Steuerung für Fensterheber und Außenspiegel oder einer Türschloss-Fernbedienung.
Erst das Topmodell “Lauréate” hat diese Funktions-Basics an Bord, dazu unter anderem Seitenairbags, ein höhenverstellbares Lenkrad und vier verkabelte Lautsprecher. Das zugehörige Radio will ebenso extra bezahlt werden wie eine Klimaanlage, beides allerdings zu moderaten Tarifen. Unser Testwagen kostet letztlich 11.440 Euro. Das ist immer noch deutlich günstiger als die gesamte Konkurrenz.
Was bekommt man nun um dieses Geld? Jedenfalls kein unattraktives Auto. Seine flotten Rundungen lassen den klobigen Logan, auf dessen Technik der Fünftürer weitgehend basiert, vergessen. Für einen Sandero muss sich niemand genieren.
Auch innen haben die Rumänen nachgezogen. Polster- wie Kunststoffe liegen zumindest auf dem Niveau fernöstlicher Konkurrenz. Und endlich kein beißender Plastikgeruch mehr!
Dass aber gespart werden muss, offenbart sich etwa bei Heizungs- und Lüftungsreglern. Die bewegen wie anno dazumal metallene Seilzüge, an deren anderem Ende mechanische Ventile und Klappen werken. Das ist beileibe kein Nachteil. Stahlseile sind meist zuverlässiger als hochgestochene Elektronik. Und von jedem gewieften Bastler mittels Handwerkzeug zu reparieren.
Die Scheinwerfer verfolgen dieselbe Philosophie. Alle Lampen sind vom Motorraum aus zugänglich und einfach zu wechseln. Der Drehknopf für die Höhenverstellung der Leuchten liegt im Cockpit. Und betätigt – erraten! – einen Seilzug.
Ein wenig Sehnsucht nach moderner Technik kommt beim Fahren auf. Trotz Servo-Unterstützung lenkt sich der Sandero so schwer und indirekt, dass wir uns die servolose Basisversion gar nicht erst vorstellen wollen. Der obligate Elfmeter-Slalom im Driving Camp Pachfurth gerät zur Fitnessübung.
Bei höherem Tempo wird die Lenkung dann zusehends angenehmer und erreicht sogar ordentliche Präzision. Unter normalen Verhältnissen liegt der Dacia sicher und gutmütig auf der Straße.
Aufpassen heißt es im Grenzbereich: Bei abrupten Lenkmanövern kann das Heck hurtig außen vordrängen. Dann ist rasches Gegenlenken angesagt – ESP ist auch für Aufgeld nicht zu haben.
Beim Bremsen kann die Elektronik ebenfalls schmerzlich abgehen. ABS allein ist kein Garant gegen einen Dreher. Das musste auch der Testchef beim ersten Brems-Versuch auf beidseitig unterschiedlich griffiger Fahrbahn feststellen.
Kommen wir zum Antrieb: In unserem Testwagen steckt der 75 PS starke Basis-Benziner. Der reißt zwar niemanden vom Hocker, dennoch ist er wahrscheinlich die beste Wahl.
Der Sandero lädt ohnehin nicht zum Rasen ein, dafür sorgt schon das bei hohem Tempo ebensolche Geräuschniveau. Einfach im Verkehr mitschwimmen – dazu reichen 75 PS allemal. Zurückhaltung macht sich auch an der Zapfsäule bezahlt. Erst der bei unserer Testrunde obligate Autobahnanteil mit 130 km/h trieb den Verbrauch (knapp) über sieben Liter.
Wer solch gemächliche Gangart akzeptiert, wird mit dem Sandero gut zurechtkommen. Der Fahrkomfort ist für einen Kleinwagen sogar hoch, schlechte Wege steckt der robuste Rumäne weg wie nichts.
Und bei der Bedienung der wenigen Schalter und Hebel kann man kaum etwas falsch machen. Im Alltag stören nicht mehr Kleinigkeiten als bei manch fünfmal so teurem Premium-Wagen. Etwa das nervtötende Blinker-Geräusch. Oder die Scheibenwaschanlage, die nicht gleich auch die Wischer in Gang setzt – die wiederum in Scheiben-Mitte einen breiten Keil ungeputzt lassen.
Der endlosen Debatte, ob statt eines neuen Dacia nicht ein höherwertiger Gebrauchter anzuschaffen wäre, wollen wir eine Facette hinzufügen: Wer sparen möchte, könnte ja in ein paar Jahren einen Secondhand-Sandero kaufen. Die werden aber rar sein, wie die Erfahrung mit dem Logan zeigt. Was wiederum eine gar nicht so schlechte Werthaltung mit sich bringen sollte.

Schlicht, einfach und großteils praktisch. Auch die Materialien im Sandero-Cockpit schrecken nicht ab

MOTOR & GETRIEBE
Der Zweiventiler läuft unten herum rau, mit steigender Drehzahl wird der Sound laut und kernig. Durchzug und Fahrleistungen bescheiden, daran kann auch die kurze Getriebe-Übersetzung nichts ändern. Leichtgängige, nicht allzu präzise Schaltung.

FAHRWERK & TRAKTION
Ordentlicher Fahrkomfort, auch auf schlechten Straßen. Im Grenzbereich untersteuernd, speziell voll beladen aber lastwechsel-anfällig (kein ESP!). Lenkung einigermaßen exakt, doch schwergängig und indirekt. Bremsen trotz weichem Pedalgefühl ausreichend standfest.

COCKPIT & BEDIENUNG
Alle Bedien-Elemente sind klar gegliedert, die beiden Rundinstrumente aber nicht immer gut abzulesen. Heizungs/Klima-Regelung sitzt zu tief. Komfortable Sitze, doch kurze Lehnen und Sitzflächen.

INNEN- & KOFFERRAUM
Vier Erwachsene reisen bequem, zu dritt wird es im Fond eng. Großer Kofferraum, Verzurrösen serienmäßig, Gepäcknetz als Zubehör. Um beim Umlegen der Fondlehnen (2:1) die Kopfstützen dran zu lassen, dürfen die Vordersitze nicht zu weit zurückgerückt sein. Eine Stufe im Boden bleibt jedenfalls. Ausreichend Ablagen.

DRAN & DRIN
Als Topversion “Lauréate” vernünftig bestückt. Die Aufpreisliste ist kurz, aber günstig, einige interessante Posten stecken im Zubehör-Katalog. Einfache, doch attraktive Materialien. Verarbeitung in Ordnung, nur an einigen scharfen Kunststoff-Kanten außerhalb des unmittelbaren Sichtbereichs tritt der Rotstift in Erscheinung.

SICHER & GRÃœN
Kopfairbags und ESP fehlen, sonst sind alle Luftsäcke und ABS samt Bremsassistent an Bord. Ein NCAP-Crashtest steht noch aus, sollte laut Renault aber besser ausfallen als beim Logan. Vernünftiger, bei zurückhaltender Fahrweise sogar günstiger Verbrauch.

PREIS & KOSTEN
Mit Abstand der billigste geräumige Fünftürer. Selbst Koreaner wie Kia Rio oder Chevrolet Aveo sind um 1000 bis 2000 Euro teurer. Ein schwächerer Skoda Fabia oder Seat Ibiza ebenso, der billigste VW Polo sogar um 4000 Euro. Drei Jahre Garantie, nur sechs gegen Durchrosten. Zumindest absolut gesehen geringer Wertverlust zu erwarten.

FAZIT:
Der Sandero ist ein absolut alltagstauglicher Fünftürer zum Diskontpreis. Abstriche machen heißt es bei Fahrleistungen, Komfort-Elektronik und Sicherheit.

Vor allem die Kehrseite des Sandero ist flott und gefällig gezeichnet

MOTOR-BAUART:
Vierzylinder Reihenmotor vorne quer liegend, Zylinderblock aus Grauguss, -kopf aus Leichtmetall. Fünffach gelagerte Kurbelwelle, eine oben liegende Nockenwelle mit Zahnriemenantrieb, zwei Ventile pro Zylinder. Elektronische Mehrfach-Benzineinspritzung, elektronische Zündung. 3-Wege-Katalysator, Abgasnorm Euro 4 erfüllt.

MOTOR-DATEN:
Hubraum 1390 ccm, Bohrung x Hub 79,5 x 70,0 mm, Verdichtungsverhältnis 9,5:1, Max. Leistung 55 kW (75 PS) bei 5500/min, Spez. Leistung 39,6 kW/l (54,0 PS/l), Max. Drehmoment 112 Nm bei 3000/min, Ölinhalt 3,3 l, Kühlwasserinhalt 5,45 l

KRAFTÃœBERTRAGUNG:
Vorderradantrieb, Fünfgang-Getriebe.
Ãœbersetzungen: I. 3,727, II. 2,047, III. 1,393, IV. 1,029, V. 0,794, R. 3,55
Achsantrieb 4,214

FAHRWERK:
Vorne: Querlenker, McPherson-Federbeine, Stabilisator. Hinten: Verbundlenkerachse, Schraubenfedern, Teleskop-Stoßdämpfer. Radstand 2588 mm, Spurweite vorne/hinten 1480/1470 mm. Zahnstangen-Lenkung mit Servounterstützung. Hydraulische Zweikreisbremse mit Bremskraftverstärker, vorne Scheiben mit Einkolben-Faustsattel-Zangen, hinten Trommeln mit integrierter Feststellbremse. Reifen & Räder: 185/65 R 15 88T Continental EcoContact 3 auf Stahlfelge 6,5 J x 15.

KAROSSERIE:
5 Türen/5 Sitze, Luftwiderstandsbeiwert cw 0,36, Stirnfläche A 2,19 m2, Luftwiderstandsindex A x cw 0,79, Länge/Breite/Höhe 4020/1746/1534 mm, Wendekreis 10,5 m, Tankinhalt 50 l, Eigengewicht 1036 kg, max. zul. Gesamtgewicht 1536 kg, max. zul. Anhänge-Last 1100 kg, Kofferraumvolumen (VDA-Norm) 320-1200 l

VERBRAUCH (ROZ 95):
Norm (Stadt/außerorts/ Mix) 9,6/5,4/7,0 l, Testverbrauch 7,2 l/100 km, CO2-Ausstoß (Norm/Test) 165/168 g/km, Reichweite (bis Tankres.) 630 km

FAHRLEISTUNGEN:
Werksangaben: 0-100 km/h 13,0 sec, Spitze 161 km/h
ALLES AUTO-Messwerte: 0-80 km/h 10,2 sec, 0-100 km/h 15,2 sec, 60-100 km/h (im 4. Gang) 14,6 sec, 80-120 km/h (im 4. Gang) 16,4 sec

WARTUNG:
Service/Ölwechsel alle 30.000 Kilometer oder jährlich

GARANTIE:
3 Jahre Fahrzeug-Garantie (maximal 100.000 Kilometer), verlängerbar auf 5 Jahre, 2 Jahre Lack-Garantie, 6 Jahre Garantie gegen Durchrosten, 3 Jahre Mobilitätsgarantie

PREIS UND AUSSTATTUNG:
Basispreis: EUR 9.690,-,-
Serienausstattung: Front- und vordere Seitenairbags, ABS, Bremsassistent, fünf Dreipunktgurte (vorne höhenverstellbar und mit Straffern), fünf Kopfstützen, Isofix, Servolenkung, Radiovorbereitung mit 4 LS, Bordcomputer, el. verstell- und beheizbare Außenspiegel, E-Fensterheber v, Lenkrad und Fahrersitz höhenverstellbar, elektronische Wegfahrsperre, Nebelscheinwerfer, FB-Zentralsperre etc.
Extras: Cool & MP3 Sound-Paket (Klimaanlage, MP3-CD-Radio) EUR 1167,-, Klimaanlage EUR 972,-, CD-Radio/mit MP3 EUR 480,-/544,-, E-Fensterheber h EUR 194,-, Metallic-Lack EUR 389,-, Alufelgen EUR 492,-
Zubehör: Navigationssystem inkl. Bluetooth-Freisprecheinr. EUR 363,-, Bluetooth-Freisprecheinr. ab EUR 155,-, Mittelarmlehne v ab EUR 76,- etc.


Fotos: Robert May

Diesen Test finden Sie in ALLES AUTO 9/2008