Jaguar XF 4,2 V8 Premium Luxury

28. Mai 2008
Keine Kommentare
4.055 Views
Tests

FAHRZEUGDATEN

Marke:Jaguar
Klasse:Limousine
Antrieb:Hinterrad
Treibstoff:Benzin
Leistung:298 PS
Testverbrauch:11,3 l/100km
Modelljahr:2008
Grundpreis:69.450 Euro

Volle Dynamik voraus: Jaguar läutet mit dem durch und durch modernen XF eine neue Ära ein – und bricht mit teils lieb gewonnenen Traditionen

Ein neuer Japaner? Vielleicht ein Lexus? Oder gar Infinity? Wo immer wir mit dem Jaguar XF auftauchen, zieht er neugierige Blicke auf sich. Und die lugen oft aus den Scheiben eines Audi, BMW oder Mercedes. Ein freundlicher älterer Herr, seit Jahren glücklicher Besitzer eines S-Type, schüttelt hingegen den Kopf: “Das soll ein Jaguar sein? Den werde ich mir bestimmt nicht kaufen.”
Kein Zweifel, der XF polarisiert. Jaguar selbst spricht von Aufbruch in eine neue Ära. Und das trifft nicht nur auf den Nachfolger des schleppend verkauften S-Type zu. Die gesamte englische Traditionsmarke zieht es zu neuen Ufern. Steht doch die unrentable Tochter des wirtschaftlich gebeutelten Ford-Konzerns vor dem Verkauf an die indische Tata-Gruppe.
Aber zurück zum XF: Die Coupé-Form mit der hohen Gürtellinie und der flachen Heckscheibe erinnert vage an den Mercedes CLS. Die schlitzäugigen Scheinwerfer könnten tatsächlich zu einem Japaner gehören. Und die breiten Heckleuchten verhehlen nicht, dass Jaguars Designchef Ian Callum früher Aston Martins entwarf.
Erst wenn man einsteigt, offenbart der XF seine Herkunft. Auf dem Türschweller grüßt stolz (und gegen Aufpreis sogar blau leuchtend) ein Jaguar-Schriftzug. Der Innenraum duftet nach feinem Leder, dessen doppelter Nähte sich keine Designer-Jacke schämen müsste. Zarte Holztäfelung, viel sportlich kühles Aluminium, kaum Kunststoff. Dazu klare Linien und übersichtlich gruppierte Bedienelemente. Das XF-Cockpit strahlt jene Atmosphäre aus, die man vielleicht bei einem Lexus vermisst.
Ein Druck auf den Startknopf erweckt den Motor zum Leben. Gleichzeitig wächst majestätisch aus der Mittelkonsole ein silberner Drehknopf. Jaguars “Drive Selector” interpretiert das Thema Automatik-Wählhebel völlig neu.
Mit zwei Fingern switcht man zwischen “P”, “D” und “R”, optisch bestätigt durch eine Anzeige im Armaturenträger. Abgestellt werden kann der Motor in jeder Fahrstellung, die Automatik kehrt von selbst in die Parkposition zurück. Ein manuelles Schaltgetriebe wird für den XF gar nicht angeboten.
Die meisten Verkäufe erwartet Jaguar à la longue für den V6-Diesel. Zu Beginn halten die Benziner-Bestellungen aber wacker mit, zudem war zum Zeitpunkt unseres Tests in Österreich noch kein Selbstzünder verfügbar.
So steckt im Testwagen also der 4,2 Liter-V8 mit 298 PS. Ein seidiger und unauffälliger Saug-Benziner, der seine Kraft aus Drehzahl holt. Die Sechsgang-Automatik spielt dabei genial mit, Eingriffe über die serienmäßigen Lenkrad-Paddels sind kaum nötig.
Aus Erfahrung wissen wir allerdings, dass der bullige V6-Diesel in der Praxis fast ebenso überzeugt – einen Test des XF 2,7d lesen Sie übrigens im nächsten Heft. Für echte Raubtier-Fans hat Jaguar letztlich noch den 436 PS starken Kompressor-V8 im Käfig.
Der Unterbau des neuen Jag basiert auf dem Sportwagen XK, allerdings verlängert und weicher abgestimmt. Auf normalen Straßen erfüllt der XF damit alle Ansprüche an eine souveräne Reiselimousine. Würden die aufpreispflichtigen 19-Zöller nicht jeder Unebenheit nachlaufen.
An die Grenzen des Fahrwerks stießen wir erst bei unseren Tests im Driving Camp Pachfurth. Rasche Richtungswechsel erfordern Kraft und fleißiges Kurbeln, in engen Slaloms kann die Lenkung zeitweise leicht verhärten. Keine Kritik gibt´s an den Bremsen. Trotz 245er-Sommerreifen meisterte der XF auch die bewässerten Gleitbeläge beachtlich gut.
Bei der Bedienung wartet der neue Jaguar mit einigen recht kontinentalen Tugenden auf. Etwa dreimaligem Komfort-Blinken. Auch der Tempomat ist stets einsatzbereit und muss nicht mehr extra eingeschaltet werden. Bei Niederschlag aktiviert der Regensensor das Abblendlicht, Tagfahrlicht kann auf Wunsch die Werkstätte programmieren. Empfindsame Gemüter müssen die zugige Klimaautomatik händisch im Zaum halten (dabei hätte Noch-Konzernschwester Volvo eine dreistufige Vorwahl der Gebläse-Intensität im Programm). Ein wenig übers Ziel geschossen haben die Engländer mit dem unsensiblen Berührungssensor zum Öffnen des Handschuhfachs. Und wie viel Jaguar von der Fünfsitzigkeit des XF hält, zeigt die nur als Zubehör erhältliche mittlere Fondkopfstütze.
Alles in allem weiß der moderne XF jedenfalls zu überzeugen. Oberklasse-Um- wie
-Neueinsteiger vielleicht sogar mehr als die traditionelle Jaguar-Klientel.

Modernes, funktionelles und aufgeräumtes XF-Cockpit. Nur die edlen Materialien lassen britische Atmosphäre aufkeimen

MOTOR & GETRIEBE
Der V8-Saugbenziner läuft seidig und ist gut gedämmt. Für Leistung braucht er Drehzahl, dabei entwickelt er typisches V8-Ballern. Die Automatik schaltet flott und weich, Lenkrad-Schaltwippen erlauben manuelle Gangwechsel. Insgesamt souveräne Fahrleistungen.

FAHRWERK & TRAKTION
Fahrkomfort auf (hohem) Klassen-Niveau, die weiche Federung lässt einige Seiten-Neigung in flotten Kurven zu. Sportlich schwergängige, bei scharfer Fahrt nicht hundertprozentig zielgenaue Lenkung. Im Grenzbereich leicht übersteuernd, das zweistufig deaktivierbare ESP ist bei Bedarf rasch zur Stelle. Erstklassige Bremsen.

COCKPIT & BEDIENUNG
Körpergerechte Sitze mit ausreichend Seitenhalt, E-Verstellung und Memory (auch fürs Lenkrad). Makellose Cockpit-Ergonomie, übersichtliche Instrumente. Aufpreis-Navi mit Touch-Screen und intelligenten Features. Praktisch: Scheibenwasch-Auslässe direkt an den Wischern. Nicht so fein: zugige Klimaautomatik, mäßige Karosserie-Übersicht.

INNEN- & KOFFERRAUM
Viel Platz im Innenraum, etwas eingeschränkt von der mächtigen Mittelkonsole. Großer, sehr tiefer Kofferraum mit kleiner Öffnung. 2:1 Umlege-Lehnen serienmäßig. Viele brauchbare Ablagen, nicht zuletzt durch den Wegfall des Automatik-Wählhebels.

DRAN & DRIN
Den V8 gibt es nur als reichlich bestückten “Premium Luxury” inklusive Lederpolsterung, elektrischer Sitzverstellung und feinem HiFi-System. Trotzdem bleiben noch ein paar Extras (siehe Liste rechts). Edle Materialien in höchster Verarbeitungsqualität. Unverbindliches Außen-, stilsicheres Innendesign.

SICHER & GRÜN
Der serienmäßigen Sicherheits-Mitgift geht die mittlere Fond-Kopfstütze ab, hintere Seitenairbags sind gar nicht zu haben. Bisher noch kein NCAP-Crashtest. Angemessener Verbrauch an Superbenzin (und sehr ehrliche Werksangaben).

PREIS & KOSTEN
Ausstattungsbereinigt liegen BMW 540i, Volvo S80 V8 und Lexus GS 450h etwa auf gleich hohem Preisniveau. Die deutlich stärkeren Audi A6 4,2 FSI Quattro und Mercedes E 500 kosten noch erheblich mehr. Kurze Service-Intervalle. Werthaltung des V8-Benziners zumindest fraglich.

FAZIT:
Jaguar bricht beim XF mit der Tradition. Kompromisslos. Doch das Produkt überzeugt. Ob das auch die Stamm-Klientel goutiert, werden die Verkaufszahlen zeigen.

MOTOR-BAUART:
Achtzylinder V-Motor mit 90 Grad Zylinder-Winkel, vorne längs liegend, Motorblock und Zylinderköpfe aus Alu, elektronisch gesteuerte Drosselklappen. Fünffach gelagerte Kurbelwelle, zwei oben liegende Nockenwellen mit Kettenantrieb, vier Ventile pro Zylinder, variable Steuerzeiten. Elektronische Benzin-Einspritzung. Abgasreinigung mittels zweier Dreiwege-Katalysatoren.

MOTOR-DATEN:
Hubraum 4196 ccm, Bohrung x Hub 86,0 x 90,3 mm, Verdichtungsverhältnis 11,0:1, Max. Leistung 219 kW 298 PS) bei 6000/min, Spez. Leistung 52,2 kW/l (71,0 PS/l), Max. Drehmoment 411 Nm bei 4100/min, Ölinhalt 6,0 l, Kühlwasserinhalt 10,1 l

KRAFTÜBERTRAGUNG:
Hinterradantrieb, Sechsgang-Automatik mit manueller Schaltfunktion via zweier Lenkrad-Wippen.
Übersetzungen: I. 4,17, II. 2,30, III. 1,52, IV. 1,14, V. 0,87, VI. 0,69, R. 3,40
Achsantrieb 3,31

FAHRWERK:
Vorne: doppelte Aluminium-Dreieckslenker, Schraubenfedern, Teleskop-Stoßdämpfer, Stabilisator. Hinten: Aluminium-Mehrlenkerachse, Schraubenfedern, Teleskop-Stoßdämpfer, Stabilisator. Radstand 2909 mm, Spurweite vorne/hinten 1559/1605 mm. Zahnstangen-Lenkung mit Servounterstützung und geschwindigkeitsabhängig variabler Übersetzung. Hydraulische Zweikreisbremse mit Bremskraftverstärker, innenbelüftete Scheiben mit Einkolben-Faustsattel-Zangen vorne und hinten. Elektronische Feststellbremse auf die Hinterräder wirkend. Reifen & Räder: 245/40 R 19 98Y Dunlop Sport 01 auf Leichtmetall-Felge 8,5 J x 19 (Serie: 245/45 R 18 auf Leichtmetall-Felge 8,5 x 18).

KAROSSERIE:
4 Türen/5 Sitze, Luftwiderstandsbeiwert cw 0,29, Stirnfläche k.A., Luftwiderstandsindex k.A., Länge/Breite/Höhe 4961/1877/1460 mm, Wendekreis 11,5 m, Tankinhalt 69,5 l, Eigengewicht 1770 kg, max. zul. Gesamtgewicht 2270 kg, max. zul. Anhänge-Last 1850 kg, Kofferraumvolumen (VDA-Norm) 540 l

VERBRAUCH (ROZ 95):
Norm (Stadt/außerorts/ Mix) 17,3/7,6/11,3 l, Testverbrauch 11,3 l/100 km, CO2-Ausstoß (Norm/Test) 264/263 g/km, Reichweite (bis Tankres.) 570 km

FAHRLEISTUNGEN:
Werksangaben: 0-100 km/h 6,5 sec, Spitze 250 km/h
ALLES AUTO-Messwerte: 0-80 km/h 5,4 sec, 0-100 km/h 7,3 sec, 80-120 km/h (ohne Kick-down) 5,9 sec

WARTUNG:
Service/Ölwechsel alle 16.000 Kilometer

GARANTIE:
3 Jahre Fahrzeug-Garantie ohne Kilometerbegrenzung, 3 Jahre Lack-Garantie, 6 Jahre Garantie gegen Durchrosten, 3 Jahre Mobilitätsgarantie

PREIS UND AUSSTATTUNG:
Basispreis: EUR 69.450,-
Serienausstattung: Front-, vordere Seiten- und durchgehende Kopfairbags, fünf Dreipunktgurte (Gurtstraffer v), vier Kopfstützen, ESP, Isofix, 320 W-Audio mit 9 LS und CD-Wechsler, Bluetooth-Schnittstelle, Klimaautomatik, Alarmanlage, Außenspiegel aut. abblendend sowie el. verstell-, beheiz- und klappbar, Innenspiegel aut. abblendend, vier E-Fensterheber, Bordcomputer, Einparkhilfe h, elektron. Parkbremse, Licht- und Regensensor, Tempomat mit Begrenzer, el. verstellbares Multifunktions-Lederlenkrad, Lederpolsterung, beheizb. E-Vordersitze mit Memory, Keyless-Go etc.
Extras: DVD-Navigation EUR 2410,-, 440 W-Audiosystem EUR 1796,-, Analog- und Digital-TV EUR 1041,-, Radar-Tempomat EUR 1732,-, Toter-Winkel-Warner EUR 632,-, Lenkrad-Heizung EUR 444,-, Eichenholz-Dekor EUR 258,-, el. beheizb. Frontscheibe EUR 818,-, Einparkhilfe v + h inkl. Rückfahrkamera EUR 959,-, klimatisierte Vordersitze EUR 818,-, Sonder-Leder EUR 1253,-, el. Heckrollo EUR 515,-, Metallic-Lack EUR 1030,-, E-Schiebedach EUR 1531,-, 19″/20″-Räder EUR 842,-/2004,-, Bi-Xenon-Licht EUR 819,-, beleuchteter Türschweller EUR 464,-, Mittlere Fond-Kopfstütze EUR 357,- (als Zubehör) etc.


Fotos: Robert May

Diesen Test finden Sie in ALLES AUTO 4/2008