Der neue Renault-Kompaktvan Scénic lässt seinen Vorgänger richtig alt aussehen: Neben verbessertem Praxis-Wert bietet er auch noch eine Menge mehr Fahrspaß
In die Fußstapfen des alten Renault Scénic treten – das ist gar nicht so einfach für einen Newcomer. War doch der Vorgänger mit mehr als zwei Millionen verkauften Exemplaren das erfolgreichste Renault-Modell Europas. Doch wie es nach einem ersten Test aussieht, geriet das Schuhwerk des Scénic II gar noch um ein paar Nummern größer als jenes seines Kompaktvan-Vaters.Wie das? Erstens wuchs die Karosserie ganz beträchtlich: Bei zehn Zentimetern Längen- und ebenso viel Breiten-Zuwachs bedarf es keiner allzu ausgefuchsten Raumplanung, um innen größer zu werden als der Vorgänger. Gegenüber VW Touran & Opel Zafira liegt man allerdings immer noch zurück. Und hat überhaupt kein Problem damit. Denn diese beiden werden raummäßig ab dem nächsten Frühjahr attackiert – vom gut 25 Zentimeter längeren Grand Scénic. Damit erspart sich Renault auch die gefinkelten Klappsitz-Konstruktionen der Konkurrenz: Sieben Sitze bietet nämlich nur der Grand.Zweitens setzte man der ohnehin brauchbaren Variabilität des Scénic I noch eins drauf: Die Beifahrer-Sitzlehne ist nun (abgesehen vom Basismodell) vorklappbar, die äußeren Fondsitze können nach innen gerückt werden, wenn man den Mittelsitz zu Hause lässt, und zwischen den Vordersitzen thront auf Wunsch eine riesige, beleuchtete und verschiebbare Ablagebox.Drittens mutierte der Scénic vom Kleinbus zum Auto: Statt der gewöhnungsbedürftigen Sitzposition mit superflach stehendem Lenkrad und rechtwinkelig angezogenen Beinen fühlt man sich in dem neuen Scénic viel mehr integriert – eben ganz so, wie man es von normalen Autos gewohnt ist. Dennoch muss man trotz der um sechs Zentimeter geschrumpften Fahrzeughöhe nicht auf die liebgewonnene erhabene Sitzposition verzichten.Viertens präsentieren sich Optik und Fahrgefühl gleichermaßen dynamisiert: Die gekonnt kantigen Linien erinnern ein wenig an den großen Renault-Van Espace, das Mégane-Heck wurde entschärft (nur noch angedeuteter Entenbürzel, weniger stark gebogene Heckscheibe). Dies und die flachere, kräftig gewölbte Dachlinie lassen den neuen Scénic im Vergleich zu seinem Vorgänger fast wie einen Sportwagen aussehen. Ein Gefühl, dass sich zum Glück beim Fahren fortsetzt. Das um Welten straffere Fahrwerk (unkomfortabel ist es trotzdem nicht), die exakte (wenn auch noch immer etwas indirekte) Lenkung und die knackige (nunmehr in den Armaturenträger integrierte) Schaltung lassen tatsächlich die gleiche Fahrfreude wie im flachen Bruder Mégane aufkommen.Und fünftens gibt es auch noch eine Menge Technik-News: Von der automatischen Parkbremse, die auch beim Anfahren am Berg behilflich ist, über das schlüssellose Zugangs- und Startsystem, bis zur elektronischen Reifendruck-Überwachung plus Reifennotlauf-System PAX. Auch am von uns getesteten 1,9-Liter-Dieselmotor hat man gefeilt: Sein Drehmoment wurde auf 300 Newtonmeter erhöht, Brumm-Geräusche dank effektiverer Dämmung um rund drei Dezibel verringert.Sound-mäßig setzt sich der neue Scénic also weniger deutlich in Szene als sein Vorgänger. Das ist aber auch schon der einzige Punkt, worin er ihn nicht übertrifft. TECHNIK 4-Zylinder-Reihe, 4-Ventil-Technik, Turbo, 1870 ccm, 88 kW (120 PS) bei 4000/min, max. Drehmoment 300 Nm bei 2000/ min, Sechsgang-Getriebe, Vorderradantrieb, vorne: Querlenker, Stabilisator, Federbeine, hinten: Verbundlenkerachse, Schraubenfedern, Teledämpfer, Scheibenbremsen v/h (v bel.), ABS, L/B/H 4259/1805/1620 mm, Radstand 2685 mm, 5 Sitze, Wendekreis 10,7 m, Servo, Reifendimension 205/60 R 16, Tankinhalt 60 l, Reichweite (bis Tankreserve) ca. 780 km, Kofferraumvolumen 430-1840 l, Leergewicht 1430 kg, zul. Gesamtgewicht 2010 kg, 0-100 km/h 12,1 sec, 60-100 km/h (im 4./5. Gang) 7,8/11,7 sec, Spitze 188 km/h, Steuer (jährl.) EUR 422,40, Normverbrauch (Stadt/ außerorts/Mix) 7,4/5,0/5,8 l, Testverbrauch 6,9 l DieselPreis: EUR 26.240,- FAHREN & FÜHLEN Der Commonrail-Vierventiler ist nicht allzu drehfreudig, bietet dafür aber in allen Lebenslagen genügend Drehmoment. Seine Selbstzünder-Herkunft merkt man praktisch nur an den leichten Pedal-Vibrationen. Abroll- und Windgeräusche halten sich ebenso in Grenzen. Die Federung geriet weit straffer als beim Vorgänger, geht aber noch immer als komfortabel durch. Im Grenzbereich verhält sich das Fahrwerk neutral bis leicht untersteuernd, etwaige Ausrutscher werden aber ohnehin vom (nicht abschaltbaren) ESP unterbunden. Das Lenkrad steht nun angenehm steil, die Steuerung (via elektrischer Servo) ist leichtgängig und präzise, wenn auch nicht übermäßig direkt. Die wirksamen Bremsen sprechen aggressiv an, die kurzwegige Schaltung (Hebel nun ins Cockpit integriert) arbeitet angenehm exakt. Das Gestühl: groß, komfortabel, passabler Seitenhalt. PLATZ & NUTZ Deutliches Größenwachstum – Länge, Breite & Radstand jeweils plus zehn Zentimeter, einzig die Höhe schrumpfte um sechs Zentimeter – bringt ein feines Plus an Beinfreiheit, Ellbogen und Köpfe haben es ähnlich kommod wie beim Vorgänger. Der Kofferraum bietet im Klassenvergleich Durchschnitts-Format, seine Ladekante ist niedrig, die Heckklappe könnte aber weiter aufschwingen. Zur van-typischen Variabilität (Fondsitze verschieb-, vorklapp- und ausbaubar) kommen beim Scénic die vorklappbare Beifahrersitz-Lehne und die nach Entfernen des Mittelsitzes nach innen verrückbaren Fondsitze. Plus: riesiges Handschuhfach, jede Menge brauchbare Fächer und Ablagen, praktische elektromechanische Parkbremse. Minus: Über- und Rundumsicht nicht optimal – unsichtbare Front, kleine Heckscheibe, breite C-Säulen.
Freundlich & pfiffig, aber kein Wunder an Übersichtlichkeit: Scénic-Cockpit
DRAN & DRIN Als Privilège Luxus (siehe Technik-Kasten auf Seite 53) überbordend ausgestattet. Wer´s weniger luxuriös aushält, kann auch zum Expression Komfort” greifen – bereits mit Klima, Kassetten-Radio, umklappbarer Beifahrer-Sitzlehne, Regen- und Lichtsensor etc. – und 2350 Euro sparen. ESP, Klimaautomatik und Türöffnen plus Starten via Chipkarte (= “Hands free entry & drive”) spielt es allerdings nur bei der Topversion serienmäßig. Die Extra-Liste ist nicht allzu lang, erfüllt aber auch ausgefallenere Wünsche – etwa nach Navigationssystem, Tempomat, Bi-Xenon-Scheinwerfern, Reifendruck-Überwachungssystem oder diversen Soundanlagen. Sympathisch-freundliches Innen-Design, strapazfähige Materialien, bis auf leise KnarrGeräusche solide Verarbeitung. SICHER & GRÜN Souveräne Sicherheitsausstattung: zwei adaptive Front-Airbags, Seitenairbags vorne, durchgehende Kopfairbag-Vorhänge, ABS, Bremsassistent, fünf Dreipunktgurte mit ebenso vielen Kopfstützen (reichen vorne bis 1,95 m, hinten bis 1,75 m Körpergröße), Gurtstraffer auf allen Außenplätzen. Isofix-Kindersitzhalterungen gibt es im Fond und auf dem Beifahrersitz, das Reifen-Notlaufsystem PAX findet sich im Aufpreis-Programm. Umwelt-Check bis auf fehlende Wasserbasis-Lacke tadellos, braver Verbrauch. PREIS & WERT Preislich liegt der Scénic im unauffälligen Bereich, wer sieben Sitzplätze wünscht, muss allerdings (ab Frühjahr ´04) zum längeren und teureren Grand Scénic greifen. Mit Dieselmotor solide Werthaltung. Zwei Jahre Fahrzeug-Garantie (inkl. Mobilität), gegen Aufpreis auf fünf verlängerbar, zwölf Jahre gegen Durchrostung. Service alle 30.000 Kilometer, dichtes Werkstatt-Netz. ALLES-AUTO-TESTURTEIL :Mit der Reife und Abgeklärtheit des Originals (Renault gilt ja als Erfinder des Kompaktvans) macht sich der Scénic II auf – wohl erfolgreichen – Kundenfang. Diesen Test finden Sie in ALLES AUTO 7-8/2003 “