Thierry Breton, Binnenmarkt-Kommissar der EU, verwies vor einigen Monaten dezidiert auf den anstehenden Rohstoff-Mangel für die Herstellung von Batterien für Elektroautos. So drohe im kommenden Jahr „Peak-Kobalt“ und wenig später „Peak-Lithium“, also der Punkt, an dem die abbaubaren Ressourcen den Bedarf nicht mehr decken können. Die jährliche Förderung von Kobalt reicht für den Bau von rund 2,6 Millionen Stromer-Pkw, heuer werden es 2,3 Millionen sein. Halten die EU- und EFTA-Staaten sowie Großbritannien an ihrem Elektroantriebs-Bekenntnis fest, besteht in weniger als sieben Jahren allerdings ein Bedarf am vierfachen der verfügbaren Menge des raren Metalls. Der Hoffnung, dass in dieser Zeitspanne technische Alternativen zur Verfügung stehen, erteilten Experten für Lithium eine Absage – für die nächsten fünfzehn Jahre wird es wohl primär bei Lithium-Ionen-Akkus als effizienteste Lösung bleiben.
Auch Recycling wird den Mangel kaum beheben. Zum einen, weil es noch in den Kinderschuhen steckt, zum anderen, weil die Pkw-Akkus nach ihrer Lebensspanne im Auto ja möglichst anderswo verwendet werden sollen, etwa als Speicher für Strom aus Photovoltaik-Anlagen. Dazu ist ein nennenswerter Output in ein künftiges Recycling-System frühestens in zehn Jahren zu erwarten – zu spät, um dem dann bereits herrschenden Bedarf entgegenzuwirken.
Dem Thema Kobalt widmet sich auch der österreichische Geologe Dr. Heinrich Winkler und hat dazu bereits fachübergreifende Arbeiten veröffentlicht. Seine Conclusio: „Kobalt ist das schmutzige Geheimnis des Elektroautos.“ Die von ihm angestellte Berechnung deckt sich auch mit den nun von EU-Kommissar Breton genannten Zahlen: Vom bereits an seine Grenzen gelangten terrestrischen Kobalt-Abbau von zuletzt 124.000 Tonnen geht rund ein Viertel an die Batterieherstellung für E-Autos.
Der durchschnittliche Gehalt von zwölf Kilo je Akku ergibt die errechnete Maximal-Anzahl von rund 2,6 Millionen Akku-Fahrzeugen. Eine Reduzierung des Kobalt-Anteils ist technisch möglich, wie es etwa BMW vormacht. Allerdings reicht sie nicht für eine maßgebliche Verschiebung der Ressourcen-Rechnung zugunsten einer batterieelektrischen Vollproduktion des jährlichen Neuwagen-Bedarfs von zwölf Millionen Stück allein für Europa.
Sehr wohl eine Alternative sind die Lithium-Eisenphosphat-Akkus des chinesischen Herstellers BYD – sie kommen ohne Kobalt aus und gelten deshalb als besonders brandsicher. Dank patentierter „Blade“-Technik (flache, eng gestapelte Akku-Zellen) haben sie kaum mehr Nachteile bei der Energiedichte, sind allerdings schwerer. Lithium wiederum ist ein Bestandteil vulkanischer Ergussgesteine, große Abbaustätten liegen etwa in Bolivien. Schon jetzt verursacht seine Förderung gewaltige Umweltschäden und zwingt tausende Menschen, wegen Wassermangel ihre Heimat zu verlassen.
Theoretisch gibt es in Europa einige Vorkommen, sogar in Österreich. Ob die kostenintensive Lithium-Gewinnung im Granitabbau an der Kärntner Saualpe jemals Realität wird, ist allerdings fragwürdig. Die Schürfrechte dafür wurden zudem vor Jahren einem australischen Unternehmen verkuft. Auch die größte deutsche Lagerstätte im Oberrheintalgraben könnte bei ebenfalls offener Rentabilitätsfrage nur rund ein Zehntel des Bedarfs unserer Nachbarn für EV-Akkus decken. Schon jetzt verteuern die steigenden Akku-Kosten die Strom-Autos eher, die marktwirtschaftlich übliche Preisreduzierung durch Massenproduktion bleibt aus. Dazu kommt der Zeitfaktor: Während eine Batteriefabrik innerhalb von 24 Monaten aus dem Boden gestampft werden kann, dauert die Einrichtung eines förderfähigen Lithium-Abbaus laut einer von Toyota durchgeführten Untersuchung zwischen vier und sieben Jahre.
Die Bedarfsrechnung der jährlich zwölf Millionen Elektro-Neuwagen allein für Europa hängt in jedem Fall an der Erschließung neuer Lagerstätten. Die größten Ressourcen an Kobalt befinden sich im Pazifik, enthalten in den sogenannten Manganknollen und Kobaltkrusten in und auf dem Meeresboden in 3000 bis 6000 Metern Tiefe. Bislang war der Abbau wirtschaftlich unattraktiv, aufgrund des Trends zu erneuerbaren Energien und zur E-Mobilität rückt er jetzt ins Interesse.
Laut dem Seerechtsübereinkommen von 1994 sind die Lagerstätten Erbe der gesamten Menschheit, eine geregelte Vergabe von Abbaurechten ist aber möglich. Allerdings sind die Meeresböden das größte Ökosystem der Erde und die Folgen einer Beeinträchtigung durch maritimen Bergbau unabsehbar – immerhin sorgen sie für einen großen Teil der natürlichen CO2-Bindung. EU-Staaten haben sich bis 2030 ein Limit gesetzt, keinen Abbau ohne wissenschaftliche Klärung der Folgen zu betreiben. Andere Regierungen werden dieser Zurückhaltung eher nicht folgen.
Foto: VW
Mozl
( 5. Juli 2023 )
Endlich wieder einemal ein Aufsatz für die Stammtische.
Vorab zwei Fragen:
1)
In Absatz 1 wird erwähnt, dass die jährliche Förderung von Kobalt für den Bau vor rd. 2,6 Millionen Stromer-PKW reicht.
In Absatz 3 wird erwähnt, dass für Elektroautos lediglich rund ein Viertel des geförderten Kobalts benötigt wird.
Wie passt das zusammen?
2)
Welche “gewaltigen Umweltschäden” werden durch die Lithiumgewinnung in Bolivien verursacht? Interessant wäre da etwa ein Vergleich zu den Umweltschädung durch Erdölförderung im Niberdelta.
Ich freue mich schon auf die Antworten.
Georg Koman
( 16. Juli 2023 )
Ich dachte immer, “Aufsätze” würden von Schülern geschrieben, wohingegen Journalisten “Artikel” verfassen würden. Aber vielleicht bin ich noch nicht lange genug im Geschäft 😉
1) Kobalt wird nicht nur für die Elektromobilität gebraucht. Wohl sind Akkus der mit Abstand größte Wachstumstreiber, aber es gibt sie bei weitem nicht nur in Elektroautos. Da wären einmal viele Millionen Smartphones, auch nicht wenige Laptops und nicht zuletzt immer mehr Elektrogeräte (Rasenmäher, Bohrmaschinen etc etc etc) mit Akku-Technik. Zudem werden Energiespeicher für den von Photovoltaik-Anlagen erzeugten Strom immer beliebter. Weiters wird Kobalt für diverse Legierungen, Magnete und vieles mehr benötigt.
2) Niemand behauptet, dass Erdölförderung umweltfreundlich wäre. Aber wenn man diese Technologie durch eine neue ersetzt, sollte man nicht unbedingt den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Immerhin gibt es laufend spannende Weiterentwicklungen. Beispiel: Die im Artikel erwähnten Lithium-Eisenphosphat-Akkus von BYD.
Mozl
( 5. Juli 2023 )
Es sollte natürlich Nigerdelta heißen.
Mozl
( 24. Juli 2023 )
Nachdem derzeit nur rund 25% des gewonnenen Kobalt für Traktionsbatterien verwendet werden ist klar, dass es auch viele andere Verwendungsmöglichkeiten dafür gibt. Dort ist es aber gutes Kobalt. Schlechtes Kobalt gibt es nur in Batterien für BEV. Bitte um Beantwortung meiner Frage welche gewaltigen Umweltschäden die Lithihiumgewinnung in Bolivien verursacht und wo die tausenden Menschen dort wegziehen mussten. Auf den Vergleich mit dem Nigerdelta verzichte ich.
Mozl
( 9. August 2023 )
Nachdem mit einer Antwort auf meine Frage nicht mehr zu rechnen ist hier meine Anmerkungen zu dem Artikel:
Ich möchte vorausschicken, dass meiner Meinung nach jeder industrielle Abbau von Rohstoffen mit negativen Auswirkungen auf die Menschen und die Umwelt verbunden ist. Bei Elektroautos wird das gerne thematisiert; bei Verbrennerautos wird es verschwiegen.
Das Thema Kobalt wurde bereits diskutiert. Nur 25% der gewonnenen Mengen werden derzeit für Traktionsbatterien verwendet. Die Forschungen nach Alternativen laufen auf Hochtouren und werden bereits umgesetzt. Tesla beispielsweise baut seit Ende 2020 (!) auch Lithium-Eisenphosphat-Akkus in einige Modelle ein. Diese Batterien enthalten kein Kobalt (und auch kein Nickel). Elon Musk hat im Vorjahr erklärt, dass bereits fast die Hälfte aller produzierten Fahrzeuge mit solchen Akkus ausgestattet sind.
Der durchschnittliche Kobaltanteil in einer Traktionsbatterie liegt derzeit bei 150g je kWh. Demnach muss der Akku 80 kWh groß sein, um dafür 12 kg dieses Schwermetalls zu benötigen. Nur wenige Fahrzeuge verfügen über Akkus in dieser Größe bzw. größer. Dieser angegebene Durchschnittwert entspricht daher nicht den Tatsachen und dürfte auf veralteten Informationen basieren.
Bleibt am Ende noch Bolivien und die „gewaltigen Umweltschäden“ durch den dortigen Lithiumabbau wegen dem schon “tausende Menschen gezwungen waren ihre Heimat zu verlassen”. Dazu erlaube ich mir anmerken, dass es in Bolivien derzeit noch überhaupt keinen industriellen Abbau von Lithium gibt. Ich vermute hier wurde Bolivien mit Chile verwechselt. Das passiert Schülern in Aufsätzen über Südamerika auch immer wieder.